Der 1992 in der niederösterreichischen Landeshauptstadt geborene Moritz Franz Beichl reüssierte in St. Pölten mit zwei Inszenierungen am Landestheater Niederösterreich, nämlich mit der Dramatisierung von Paulus Hochgatterers „Der Tag, an dem mein Großvater ein Held war“ (dafür gab’s den Nachwuchs-Nestroy) und mit Georg Büchners „Leonce und Lena“.
Beim sechsten Abend des Literaturfestivals O-Töne im Haupthof des Wiener Museumsquartiers wurde Beichls Debütroman „Die Abschaffung der Wochentage“ präsentiert. Der Theaterregisseur und Autor machte in der Debüt-Reihe quasi die Vorgruppe für Teresa Präauer („Mädchen“), schreibt APA-Kulturkritiker Wolfgang Huber-Lang in seinem Text. Moderator Florian Baranyi kündigte Beichls Buch als „halben Briefroman aus einer klaustrophobischen Gegenwart“ an, in dem sich auch die traumatisierenden gesamtgesellschaftlichen Erfahrungen der vergangenen zweieinhalb Jahre widerspiegelten.
WhatsApp-Nachrichten an den Ex-Freund
Obgleich Dialog und Handlung im engeren Sinn fehlen, zeigt sich Beichl, der bisher Lyrik, Kurzprosa und Stücke veröffentlichte, auch in seinem ersten Roman durchaus dem Theater verbunden. Weniger, weil die monologisierende Hauptfigur Lukas eine rechte Drama-Queen zu sein scheint, sondern weil das Buch in fünf Akte bzw. Teile gegliedert ist.

Formal ist der erste Teil eine Reihe von WhatsApp-Nachrichten an den Ex-Freund, die in der Ankündigung eines Suizidversuches enden. Es folgen handgeschriebene Briefe aus der Psychiatrie, die sich jeweils an „Dear Nobody“ richten und stets mit „Love“ enden. Im dritten Teil werden sie von E-Mails abgelöst, die allerdings noch immer aus der psychiatrischen Abteilung des Wiener AKH kommen, wo der Aufenthalt bereits über acht Wochen dauert.
Es folgen Postkarten, die der mittlerweile in Paris wohnende und die Erbschaft seiner Mutter durchbringende Lukas jahrelang zu Anlässen wie Weihnachten oder Geburtstag offenbar an sich selbst schickt, ehe zuletzt SMS-Nachrichten des wieder im AKH Gelandeten an die alte Handynummer seines einstigen Geliebten geschickt werden.
Briefe aus der Psychiatrie
Die Leserinnen und Leser haben durchaus Grund zur Annahme, nicht alle Angaben dieser Nachrichten aus dem Inneren eines gekränkten und kranken, einsamen, doch sehr mitteilungsbedürftigen Ich seien für bare Münze zu nehmen. Dass zumindest manches – etwa die Erzählung eines nächtlichen, maßlos überteuerten Schlüsseldienst-Einsatzes – autobiografische Züge hat, deutete Beichl in seiner Lesung an, die sich auf Teil eins konzentrierte, mit Beginn des Brief-Teils endete und dem Publikum immerhin ein paar Mal ein Schmunzeln entlockte – etwa, als Beichl bei einer Passage sein Buch Richtung Publikum hielt: „Dazu ist da so ein YouTube-Link. Den kann man aber nicht anklicken – weil das ist ein Buch…“

Selbstironie ist auch dem Protagonisten Lukas nicht ganz fremd, schreibt APA-Journalist Wolfgang Huber-Lang. Sonst gibt es in „Die Abschaffung der Wochentage“ freilich nicht viel zum Lachen. Die Trauer um den Partner, die Verlorenheit im Leben, die Suche nach Liebe und Geborgenheit, vor allem aber psychische Erkrankungen, die mal als bipolare Störungen, mal als Depression benannt werden, verleihen der Existenz, von der wir erfahren, eine bleierne Schwere, die – Paris hin oder her – eine Loslösung, eine Befreiung, ein Fortkommen erschwert, wenn nicht gar verhindert: „Ich werde diese Depression niemals überwinden, so viel steht fest.“
Buchhinweis
Moritz Franz Beichl: Die Abschaffung der Wochentage. Residenz Verlag, 208 Seiten, 22 Euro.
Jeder Tag ist neu und heißt anders
Und die titelgebende „Abschaffung der Wochentage“? Die ist ein Vorschlag des Psychiatriepatienten, der aus dem engen Korsett eines immer wiederkehrenden Wochen-Stundenplans, der jedem Tag eine genaue Struktur verpasst, von der „Frühaktivierung“ bis zur Physiotherapie, ausbrechen möchte. Die Befreiung aus dem Hamsterrad der Verpflichtungen erfolgt über die Benennung.
Jeder Tag ist neu. Und jeder neue Tag heißt künftig anders. Viele Sprachen hielten viele Namen für die künftigen Tage bereit, findet der Mail-Schreiber – und lässt sich ein Tattoo mit sieben Strichen stechen – „eine Erinnerung, dass die Sieben-Tage-Woche nur ein Konstrukt ist“.
Als großer Zweifler an vorgegebenen Strukturen präsentierte sich einst auch Georg Büchners Woyzeck. Ihm gilt die nächste Theaterarbeit von Moritz Franz Beichl. „Subjekt Woyzeck (into the void)“ heißt seine Stückfassung für Jugendliche ab 14, die am 3. September am Jungen SchauSpielHaus in Hamburg Premiere hat.