Hugo Bettauer wurde am 18. August 1872 in Baden geboren, seine Laufbahn als Journalist und Romanautor nahm in den USA ihren Anfang. Nach der Rückkehr nach Wien im Jahre 1910 war Bettauer als Journalist tätig. Einzelne Romane des Schriftstellers wurden verfilmt, wie etwa „Die Stadt ohne Juden“ (1924 von Hans Karl Breslauer, mit Hans Moser) und „Die freudlose Gasse“ (1925 von G. W. Pabst, mit Greta Garbo).
Bekannt wurde er auch durch die Herausgabe der Zeitschrift „Er und Sie. Wochenschrift für Lebenskultur und Erotik“ ab 1924, die in späterer Folge unter dem Titel „Bettauers Wochenschrift“ fortgeführt wurde. Bettauer setzte sich unter anderem für ein modernes Scheidungsrecht, Schwangerschaftsabbruch und für die Straffreiheit der Homosexualität unter Erwachsenen ein.
Kritisiert wegen seiner liberalen Haltung
Aufgrund seiner jüdischen Abstammung und wegen seiner liberalen Haltung wurde Bettauer von nationalsozialistischen Kreisen sowie von bürgerlichen Gruppierungen heftig kritisiert. Im März 1925 kam er in der Redaktion seiner Zeitschrift in der Langen Gasse 5-7 in Wien durch Schüsse eines Nationalsozialisten ums Leben.
„Bettauer war einer der ersten Bestsellerautoren Österreichs nach amerikanischem Muster. Sein literarisches Feld war der Kolportageroman, wichtig waren ihm dabei Inhalt und Aussage, die den Zeitgeist treffen sollten – die literarische Form war Nebensache“, schrieb der Historiker Reinhard Pohanka in seinem Buch „Attentate in Österreich“.
Nach jahrelanger journalistischer Tätigkeit in Deutschland und den USA war Hugo Bettauer 1910 in Wien als Journalist für „Die Zeit“ und die „Neue Freie Presse“ tätig. Ab dem Jahr 1920 publizierte Bettauer zahlreiche Romane, bereits in seiner New Yorker Zeit waren Romane mit Titeln wie „Im Kampf ums Glück“ oder „Im Schatten des Todes“ erschienen.
„Die Stadt ohne Juden“ löste heftige Kontroversen aus
Hugo Bettauers Roman „Die Stadt ohne Juden. Ein Roman von übermorgen“ löste 1922 bei seinem Erscheinen zahlreiche Kontroversen aus. Er beschrieb darin eine Vision des damaligen Wiens ohne jüdische Bevölkerung.
Auf Antrag des christlichsozialen Bundeskanzlers Schwertfeger beschloss das österreichische Parlament, alle Jüdinnen und Juden unter Sonderrecht zu stellen bzw. letztendlich aus Österreich respektive aus Wien auszuweisen. Nachdem sich die negativen Folgen dieser Ausweisung überall im Alltag bemerkbar gemacht hatten, wurde die Ausweisung aufgehoben und die jüdische Bevölkerung kehrte wieder zurück.
Der Roman kann als eine satirische Auseinandersetzung mit dem damaligen Antisemitismus christlichsozialer und deutschnationaler Kreise in Österreich, speziell aber in Wien, gelesen werden. Drei Jahre später nahm übrigens der Berliner Schriftsteller Artur Landsberger die Romanidee Bettauers wieder auf und publizierte 1925 in Deutschland seinen Roman „Berlin ohne Juden“, welcher eine ähnliche inhaltliche Entwicklung aufweist.
Der Film verschwand bald aus den Kinos
In den Jahren 1923/24 wurde Hugo Bettauers Bestseller, der eine Auflage von mehr als 250.000 Exemplaren erreichte, von Hans Karl Breslauer verfilmt. Der Stummfilm, in dem der damals bekannte Schauspieler Hans Moser mitwirkte, verschwand bald nach Erscheinen wieder aus den Kinos. Er stellte zwar eine entschärfte Version des Buches dar, führte aber nicht zuletzt aufgrund seiner Überzeichnungen zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern.
Die Wiener Uraufführung erfolgte am 25. Juli 1924, sie führte in weiterer Folge zu gewalttätigen Krawallen und Störaktionen durch Nationalsozialisten. Breslauers Verfilmung der „Stadt ohne Juden“ galt lange Zeit als verschollen. Anfang 1991 entdeckte man aber in Amsterdam eine holländische Kopie mit dem Titel „De Stad zonder Joden“, 2015 in Paris eine vollständige Kopie, beide Kopien bildeten die Vorlage für aufwendige Restaurierungen und Rekonstruktionen bzw. Ergänzungen.
Hetzpropaganda gegen den „Roman von übermorgen“
Als Hugo Bettauer seinen Roman „Die Stadt ohne Juden“ herausbrachte, sah er darin einen „Roman von übermorgen“. Seine Vision, dass die Jüdinnen und Juden als Schuldige an allem Übel, den sozialen Verwerfungen, Arbeitslosigkeit und Elend denunziert und vertrieben würden, wurde von der Realität der folgenden Jahre noch bei Weitem übertroffen. Bettauer zeichnete in seinem Roman auch drastisch den Rückfall Wiens im intellektuellen und künstlerischen Bereich, wie er nach der Ermordung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung eintrat.
„Die Stadt ohne Juden“ wurde für Bettauer zu einem großen Erfolg und zu seinem Verhängnis. Es war vor allem dieser Roman, der Bettauer die Feindschaft der Nationalsozialisten einbrachte, die darin ‚eine bewusste jüdische Provokation und Rassenpropaganda‘ orteten. In der Öffentlichkeit dämonisiert wurde Hugo Bettauer allerdings durch die Kritik an der Herausgabe seiner Wochenschriften, in denen er sich mit der Moral der neuen Zeit beschäftigte. „Sie führte zur Hetzpropaganda gegen Bettauer und inspirierte Otto Rothstock zu seinem Attentat“, so Reinhard Pohanka.
Freispruch für den Täter
Nichts ahnend empfing Hugo Bettauer am Nachmittag des 10. März 1925 in seiner Redaktion in der Langen Gasse 5-7 in Wien-Josefstadt seinen Mörder. Seit Monaten wurde gegen den jüdischen Journalisten und Schriftsteller in der nationalen und bürgerlichen Presse geschrieben, der in seiner Zeitschrift „Bettauers Wochenschrift“ gegen sexuelle Tabus auftrat und die Gleichstellung der Frau propagierte.
Der 21-jährige Nationalsozialist Otto Rothstock zog sofort seine Pistole und gab fünf Schüsse auf den verhassten Schriftsteller ab, der 16 Tage später an seinen Verletzungen starb. Rothstock wurde zwar des Mordes für schuldig gesprochen, aber das Gericht befand, dass der Täter zur Tatzeit „gänzlich der Sinne beraubt“ gewesen sei, und entschied auf Freispruch. 1977 rühmte sich Rothstock in der ORF-Sendung „Teleobjektiv“ der „Auslöschung“ Bettauers – mehr dazu in Als die Juden aus Wien verschwanden (news.ORF.at).
Wiederentdeckung in den letzten Jahren
Zwischen 2009 und 2014 erschienen im Milena Verlag Bettauers Romane „Hemmunglos“, „Die freudlose Gasse“, „Der Kampf um Wien“ und „Der Herr auf der Galgenleiter“, jeweils mit einem Nachwort von Murray G. Hall, Bettauer-Spezialist und emeritierter Professor für Germanistik an der Universität Wien.
2002 wurde am Haus Lange Gasse 21 in Wien-Josefstadt eine Gedenktafel enthüllt. Sieben Jahre später wurde nahe den ehemaligen Redaktionsräumen in der Lange Gasse eine Verkehrsfläche in Hugo-Bettauer-Platz benannt.