Sujetbild eines Nachtlokals mit Discokugel
Pixabay / Cifer88
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Chronik

So soll Feiern für Frauen sicherer werden

Jede zweite Frau in Österreich wurde schon einmal in der Öffentlichkeit sexuell belästigt. Deswegen versuchen einige Initiativen und Vereine durch Aktionen wie dem „Angel Shot“ oder Heimwegtelefone das Nachtleben für Frauen sicherer zu gestalten.

Laut einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung aus dem Jahr 2011 haben fast 75% aller Österreicherinnen Erfahrung mit sexueller Belästigung machen müssen, jede zweite in der Öffentlichkeit, vor allem im Nachtleben.

Auch die Zahl der sexuellen Gewalterfahrungen ist erschreckend hoch. Nahezu jede dritte Frau gab laut der Studie an, in der Vergangenheit Opfer von sexualisierter Gewalt geworden zu sein. Um sexuelle Belästigung zu bekämpfen und Hilfsangebote für Betroffene zu schaffen, bilden sich immer mehr Initiativen und Vereine in Niederösterreich, die sich der Sicherheit von Frauen annehmen.

Von „Drink Cap“ bis „Angel Shot“: Viele Initiativen in Krems

Die Berufssoldatin Verena Bogner aus Krems bemerkte, dass es für viele ihrer Freundinnen Routine ist, beim Fortgehen sexuell belästigt zu werden, erzählt sie im Gespräch mit noe.ORF.at. Das und die hohe Rate an Femiziden in Österreich nahm sie zum Anlass, vor rund einem Jahr den Verein „Coming Home Safe“ zu gründen. Ziel des Vereines ist es, mit verschiedenen Initiativen die Sicherheit von Frauen beim Feiern und am Weg nach Hause zu stärken – etwa „Drink Caps“ oder „Angel Shots“.

Bei den „Drink Caps“ handelt es sich um wiederverwendbare Stoffkappen, die Verena Bogner regional in Krems produzieren lässt und über ihren Verein vertreibt. Die Kappen, die nur ein kleines Loch für einen Strohhalm haben, werden über das frisch bestellte Getränk gezogen und schützen so vor der unbemerkten Zufuhr von KO-Tropfen oder anderen Substanzen – mehr dazu in „Drink Caps“ sollen Frauen in Discos schützen (noe.ORF.at, 11.7.2022).

Drink Cap gegen k.-o.-Tropfen
Verein Coming Home Safe
Mit den Drink Caps soll das Risiko, KO-Tropfen eingeflößt zu bekommen minimiert werden.

Ein Drink, mit dem man Hilfe holt

Mit dem Bestellen eines „Angel Shots“ können sich Betroffene sexueller Belästigung an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilnehmender Lokale wenden. Ein „Angel Shot“ ist kein wirkliches Getränk, sondern ein Codewort, mit welchem signalisiert wird, dass sich die betroffene Person in einer unangenehmen Situation befindet und Hilfe benötigt.

Die geschulten Barkeeperinnen und Barkeeper informieren sogleich das Sicherheitspersonal und gehen auf die Bedürfnisse der betroffenen Person ein. So können diese zu einem Taxi gebracht werden, ihre Freundinnen und Freunde verständigt oder im Notfall auch Einsatzkräfte informiert werden.

Armin Oswald, Besitzer von vier Lokalen in der Kremser Innenstadt setzt die Aktion „Angel Shot“ bereits um. In seinen Lokalen Q-Stall, Steirisch Irish Pub, XO und Quba werden Frauen durch Poster auf den Toiletten darüber informiert, dass es die Möglichkeit gibt, sich durch das Codewort an das Barpersonal zu wenden. „Wir versuchen präventiv sexuelle Belästigung abzuwenden“, erklärt er im Interview.

In Amstetten hilft „Luisa“ bei Belästigung

In Amstetten setzte die Frauenberatung Mostviertel ein ähnliches Projekt in den drei Lokalen – Alte Post, Hofcafé und Cocktailbar Mojo – um. Hier bestellt man sich keinen „Angel Shot“, sondern wendet sich mit der Frage „Ist Luisa da?“ an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die teilnehmenden Lokale wurden zur Vorbereitung von der Frauenberatung Mostviertel und der Polizei geschult, um adäquat auf die Betroffenen reagieren zu können.

Initiativen für sorgenfreies Feiern

Drei Viertel aller Frauen in Österreich haben schon mit sexueller Belästigung Erfahrung machen müssen – vor allem auch im Nachtleben. In Niederösterreich gibt es mehrere Initiativen, die Frauen sorgenfreies Feiern ermöglichen wollen.

Die Wurzel der Luisa-Aktion findet man in Deutschland. Initiiert wurde das Projekt von der Beratungsstelle Frauen-Notruf Münster. Seit 2016 sollen sich fast 70 Städte in Österreich, Deutschland und der Schweiz angeschlossen haben, so die Frauenberatung Mostviertel. Nicht immer fragt man allerdings nach „Luisa“, in Vorarlberg ist es etwa „Lotta“.

Unterstützung am Weg nach Hause

Viele Frauen fühlen sich vor allem am Weg nach Hause unsicher. Auch hier helfen verschiedene Initiativen – vom Heimbringdienst bis zum Heimwegtelefon. Der Verein Coming Home Safe bietet seit dem Neujahrestag 2022 ein niederösterreichisches Heimwegtelefon an, welches von Freitag bis Sonntag durchgehend erreichbar ist.

Telefonnummern für den Weg nach Hause

Das Heimwegtelefon von „Coming Home Safe“ ist freitags bis sonntags unter 0670/4031466 zu erreichen.

Das Heimwegtelefon Graz erreicht man aus ganz Österreich unter 02622 / 373-333.

Durch das Gespräch sollen potenzielle Täter abgeschreckt werden. Im Notfall informieren die Freiwilligen außerdem Einsatzkräfte, die zu dem Standort der Anruferin oder des Anrufers geschickt werden. Bis jetzt verzeichne das Heimwegtelefon erst wenige Anruferinnen und Anrufer, weil das Service noch nicht weitläufig bekannt sei, so die Gründerin.

Deutlich bekannter ist das Grazer Heimwegtelefon, das aber nicht nur aus Graz, sondern aus ganz Österreich erreichbar ist. Speziell ausgebildete Ordnungswächterinnen und Ordnungswächter begleiten die Anruferinnen und Anrufer telefonisch nach Hause. 20 bis 30 Anrufe, vorwiegend von weiblichen Anruferinnen, verzeichnet das Heimwegtelefon monatlich laut Christian Steger, dem Leiter des Heimwegtelefons.

Das Telefonat gebe den Anruferinnen und Anrufern ein subjektives Sicherheitsgefühl, bis sie zu Hause angekommen sind. Das Heimwegtelefon ist seit 2016 freitags und samstags, sowie an Feiertagen von 22.00 Uhr bis 3.00 Uhr erreichbar. Begleitend gibt es eine Heimwegtelefon-App, welche neben der Nummer des Heimwegtelefons und den wichtigsten Notrufnummern, Fahrpläne und Tipps zum Sicheren Nachhausekommen beinhaltet.

In Niederösterreich bietet der Verein „Coming Home Safe“ neben der moralischen Unterstützung durch das Heimwegtelefon auch einen persönlichen Heimbring-Dienst an. Freiwillige einer Sicherheitsfirma begleiten Frauen, die sich zuvor über ein Kontaktformular auf der Website registriert haben, nach Hause. Bis jetzt kostete das Angebot 15 Euro, künftig ist es in Krems, St. Pölten und Wien kostenlos.

Awareness Groups drehen Runden in Clubs

Neben Drink Caps und dem Heimwegtelefon plant „Coming Home Safe" auch Selbstverteidigungskurse für den Herbst, um es gerade jungen Frauen zu ermöglichen, kostenlos Methoden zu erlernen, um sich auch körperlich gegen Angriffe wehren zu können. „Wir möchten es den Frauen so leicht wie möglich machen, an einem Selbstverteidigungskurs teilnehmen zu können“ , so Verena Bogner.

Eine weitere Initiative des Vereines sind die sogenannten Awareness-Groups. Ehrenamtliche Mitglieder des Vereins drehen Runden in Clubs und können Frauen, die sexuell belästigt werden zu Hilfe kommen, die Türsteher oder Einsatzkräfte informieren und die Täter aus dem Lokal verweisen lassen.

Das Ziel all dieser Maßnahmen, Initiativen und Vereine ist es, sexuelle Belästigung und Übergriffe im Nachtleben zu verhindern und jenen zu helfen, die Opfer einer solchen Tat geworden sind, damit irgendwann alle sorgenfrei feiern können.