Der Gerichtssaal mit Anwälten und Journalisten
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Gericht

Waldhäusl-Prozess: Geflüchtete schildern „Gefängnis“

Der achte Prozesstag gegen Landesrat Waldhäusl (FPÖ) rund um das Asylquartier in Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) war von konträren Aussagen geprägt. Während Geflüchtete ein „Gefängnis“ schilderten, erzählte eine Tankstellenbetreiberin von „freien Burschen“.

Es waren die so gut wie letzten Zeugeneinvernahmen, die am Dienstag am Landesgericht in St. Pölten vonstattengingen. Nach acht Prozesstagen, bei denen unter anderen auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) persönlich aussagte, fehlen nun nur noch die Einvernahme eines Geflüchteten, die Schlussplädoyers und die Urteile. All das wird für den 23. September erwartet.

Der vorletzte Prozesstag war jedenfalls von konträren Aussagen geprägt. Im Zeugenstand waren neben leitenden Beamten nämlich auch ehemals in dem umstrittenen Quartier in Drasenhofen untergebrachte Geflüchtete, eine Sozialarbeiterin sowie eine Tankstellenbetreiberin aus Drasenhofen. Während letztere von Jugendlichen berichtete, die ohne Aufsicht im Ort umhergingen, schilderten die Geflüchteten selbst ein Gefängnis, das ihnen Angst gemacht habe.

Darum geht es im Prozess

Landesrat Gottfried Waldhäusl und einer früheren Landesbediensteten wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Sie sollen laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zumindest 14 jugendliche Geflüchtete durch die Unterbringung in einer aus ihrer Sicht ungeeigneten Unterkunft geschädigt haben.

Der ehemaligen Landesbediensteten wird auch Fälschung eines Beweismittels und Verleumdung vorgeworfen, weil sie im Ermittlungsverfahren eine E-Mail unvollständig vorgelegt und so den Verdacht auf ihren Vorgesetzten gelenkt haben soll.

Die beiden Angeklagten haben sich nicht schuldig bekannt.

„Habe Schiss bekommen und gezittert“

Beim Anblick des Objekts, dem angebrachten Stacheldrahtzaun und der Überwachungskameras habe er „richtig Schiss bekommen und gezittert“, gab ein heute 21-jähriger afghanischer Staatsbürger am Dienstag im Zeugenstand zu Protokoll. Der junge Mann, der davor bereits zahlreiche Unterkünfte in Niederösterreich durchlaufen hatte und eigenen Angaben zufolge auch mehrmals straffällig geworden war, wurde Ende 2018 gemeinsam mit anderen Personen nach Drasenhofen überstellt.

Zu seinen Begleitern habe er gesagt, „da sind wir in einem Abschiebecenter“, erzählte er vor Gericht. In der Flüchtlingsunterkunft habe es keine Betreuung gegeben, auch Ansprache habe gefehlt. „Keiner hat uns was gesagt, was wir machen sollen, was mit uns geschehen wird.“ Das Areal habe er grundsätzlich nicht verlassen können.

Heute 21-Jährige fühlten sich eingesperrt

Nach „drei, vier“ Tagen im Bezirk Mistelbach sei er in eine Unterkunft nach Mödling gebracht worden. Dort „war es viel besser, wir durften miteinander kochen, normal reden. Wir hatten einfach Freiheit, wir durften machen, was wir wollten“, so der Afghane. In Drasenhofen sei er hingegen „eingesperrt“ gewesen.

Ähnliches schilderte ein weiterer afghanischer Staatsbürger. Der ebenfalls 21-Jährige berichtete laut Dolmetscher von vergitterten Fenstern und schmutzigen Zimmern in dem Quartier. Ein Verlassen der Unterkunft „war uns nicht möglich, man durfte nicht hinaus“, betonte der Zeuge. „Das war wie in einem Gefängnis.“

Tankstellenbetreiberin berichtete von freien Jugendlichen

Ganz anders klangen hingegen die Ausführungen einer 72-Jährigen, die eine Tankstelle in Sehweite der Unterkunft in Drasenhofen betreibt. Sie berichtete von täglichen Besuchen von im Quartier untergebrachten Geflüchteten im Shop. Nach ihrer Wahrnehmung seien die Jugendlichen nicht einsperrt gewesen. Security-Mitarbeiter und Hunde habe sie ebenfalls nicht gesehen, vielmehr habe sogar eine Aufsicht gefehlt. „Die sind frei umhergegangen, die Burschen.“

LR Waldhäusl mit Anwälten
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Landesrat Gottfried Waldhäusl wird Amtsmissbrauch vorgeworfen. Er bekennt sich nicht schuldig.

Sozialarbeiterin: Keine akute Kindeswohlgefährdung

Am Vormittag blickte auch eine Sozialarbeiterin, die seinerzeit bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach tätig war, auf einen Besuch im Quartier in Drasenhofen zurück. Sie stellte damals eine latente, aber keine akute Kindeswohlgefährdung fest, schilderte sie. „Die Grundbedürfnisse waren gesichert“, betonte die Zeugin. Gefehlt habe aber etwa ein Konzept für psychologische Betreuung. Angedacht wäre gewesen, einen Sportlehrer und eine Lebensberaterin zu engagieren, so die Sozialarbeiterin.

In Hinblick auf die Hygiene sei das Quartier „nicht supersauber“ gewesen, es habe aber auch keine größeren Beanstandungen gegeben. Der angebrachte Maschendrahtzaun sei durchaus aufgefallen, obwohl sie ihm keine große Aufmerksamkeit geschenkt habe, so die Zeugin. Es gebe jedenfalls keine vergleichbare Einrichtung, „die so aussieht“.

Landesbediensteter schilderte politischen Druck

Der Beginn des Verhandlungstages war zudem von bürokratischen Details geprägt. Einvernommen wurden zwei Landesbedienstete als Zeugen, einer davon ein mittlerweile pensionierter 66-Jähriger, der damals Leiter der Innenrevision war. Er schilderte, dass die Vorgänge rund um die Einrichtung des Quartiers 2018 überprüft worden waren. Man habe sich angeschaut, ob fachlich ordnungsgemäß gearbeitet wurde. Das sei aus seiner Sicht der Fall gewesen, sagte der Zeuge.

Auffallend sei allerdings gewesen, dass es relativ großen Druck gegeben habe. „Mein Empfinden war, dass von politischer Seite ein Wunsch geäußert wurde und dass der möglichst rasch umgesetzt werden sollte“, so der Zeuge, der aber auch einräumte, dass das nicht weiter ungewöhnlich sei.

Asylquartier Drasenhofen
Helmut Fohringer
Im Prozess geht es um dieses umstrittene ehemalige Asylquariert in Drasenhofen

Ainedter: Aussagen von Geflüchteten „unglaubwürdig“

Der nächste und letzte Verhandlungstag ist für den 23. September angesetzt. An diesem Tag soll es auch die Urteile geben. Zuversichtlich zeigte sich am Dienstag nach den letzten Zeugenbefragungen jedenfalls Waldhäusl-Anwalt Manfred Ainedter. Aus seiner Sicht habe sich im Laufe des Prozesses „ganz gut herausgestellt“, dass von einem Amtsmissbrauch „keine Rede sein kann“. Laut den Zeugen sei die Unterkunft sauber und in Ordnung gewesen, so Ainedter. Und der Stacheldraht „war zwar nicht schön“, aber könne niemals die Verurteilung wegen Amtsmissbrauchs rechtfertigen.

Angesprochen auf die Zeugenaussagen der Geflüchteten und der Tankstellenbetreiberin bezeichnete er die jungen Männer als „unglaubwürdig“, die Frau habe hingegen Zivilcourage gezeigt. Sie habe in der Zeitung gelesen, dass alle eingesperrt waren und hätte sich als Zeugin gemeldet, um aufzuzeigen, dass das nicht stimme. Ob er mit einem Freispruch rechne, wollte Ainedter am Dienstag nicht beantworten. „Rechnen kann man bei Gericht nie“, so der Anwalt, aber er hoffe auf einen Freispruch.