Katrin Praprotnik
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Politik

Krems: „Wahl mit Spannungsmomenten“

Am 4. September wählt Krems einen neuen Gemeinderat. Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik sieht für die SPÖ eine bedeutende Wahl, für die ÖVP eine schwierige Ausgangslage und ein geschrumpftes Potenzial für die Corona-Maßnahmenkritische MFG.

Acht Parteien und Listen stellen sich am 4. September der Gemeinderatswahl in Krems. Seit zehn Jahren ist die SPÖ stimmenstärkste Partei und Reinhard Resch Bürgermeister der Statutarstadt. 2017 legte die SPÖ zu, erreichte 46,07 Prozent der Stimmen und 19 der 40 Sitze im Gemeinderat. Die ÖVP verlor, kam auf 26,67 Prozent und elf Mandate.

Im Kremser Gemeinderat sind derzeit außerdem die FPÖ (15,04 Prozent, sechs Mandate), die Kremser Linke Stadtbewegung (5,28 Prozent, zwei Mandate) sowie die Grünen (3,60 Prozent) und die Liste Pro Krems (2,34 Prozent) mit je einem Mandat vertreten. Letztere tritt bei der Wahl im September mit NEOS an. Außerdem werden Green Future Krems und MFG Österreich auf dem Stimmzettel stehen.

Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Universität Graz und bis vor Kurzem an der Donau-Universität Krems tätig, analysiert die Ausgangslage und die Chancen der Parteien.

Katrin Praprotnik  und Claudia Schubert
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Claudia Schubert (r.) beim Interview mit Katrin Praprotnik

noe.ORF.at: Ist für Sie in diesem Wahlkampf etwas auffällig?

Katrin Praprotnik: Wir haben viele Überraschungen und Spannungsmomente, die uns bei der Gemeinderatswahl in Krems erwarten. Die große Spannung ist, dass wir dieses Mal um etwa 4.000 Personen weniger Wahlberechtigte haben. Der Grund: Es ist die erste Wahl, die nach der Wahlrechtsreform stattfindet. Jetzt sind eben nur mehr Personen mit Hauptwohnsitz in Krems dort auch wahlberechtigt.

noe.ORF.at: Kann das irgendjemandem nützen oder schaden, wenn es 4.000 weniger Wahlberechtigte gibt?

Praprotnik: Es ist ein größerer Pool an Wählerinnen und Wählern. Wir sprechen immerhin von 15 Prozent weniger Wahlberechtigten, und da ist natürlich ein Spannungsmoment drinnen. Wie sich das dann entscheidet, kann man schwer prognostizieren.

noe.ORF.at: Es hat ja Kritik der anderen Parteien an der SPÖ und an Bürgermeister Resch gegeben, dass diese Wahl so früh stattfindet. Wem kann das nützen?

Praprotnik: Ich denke, wenn in dieser Zeit Wahltermine angesetzt werden, dann blickt man auch immer auf die Corona-Zahlen. Denn wir wissen, dass die Stimmung im Land in Hinblick auf die Corona-Politik auch sehr beeinflussend auf die Wahlergebnisse wirken kann. Bei einem Wahltermin im Sommer ist die Stimmung besser, weil eben auch die Corona-Zahlen besser sind. Und das könnte natürlich einem Amtsinhaber Resch nützen.

Magistrat Krems
ORF/Claudia Schubert
Acht Parteien und Listen möchten bei der Gemeinderatswahl am 4. September einen Sitz im Gemeinderat der Statutarstadt Krems erreichen, 40 Sitze sind im Rathaus zu vergeben

noe.ORF.at: Apropos Corona, die MFG tritt in Krems diesmal auch an. Das Thema Corona ist in letzter Zeit in den Hintergrund getreten. Wenn wir uns an die Gemeinderatswahl in Waidhofen an der Ybbs im Jänner erinnern, dort hat die MFG auf Anhieb 17 Prozent geschafft. Was ist denn in der derzeitigen Stimmungslage in Krems zu erwarten?

Praprotnik: Neue Parteien haben durchaus die Chance, bei erstmaligen Antritten auch stark abzuschneiden, weil wir eine hohe elektorale Volatilität haben. Das heißt, Menschen entscheiden sich gerne von Wahl zu Wahl neu, die Parteibindungen sind gering. Um aber als neue Partei so einen Erfolg einfahren zu können, braucht es natürlich auch ein emotionalisierendes Thema. Das war bei der MFG – Stichwort Corona-Maßnahmenkritik – definitiv vorhanden. Das Thema Corona ist aber ein Stück weit in den Hintergrund getreten und das nimmt, denke ich, auch die Potenziale für die MFG.

noe.ORF.at: Inwiefern spielen denn allgemeine Themen, die gar nicht so sehr Stadtthemen sind – Stichwort Teuerung –, eine Rolle in so einem Wahlkampf?

Praprotnik: Wahlkämpfe auf regionaler und lokaler Ebene passieren natürlich nicht im luftleeren Raum, und da gibt es schon Überlappungen von Themen. Aber gerade auf der lokalen Ebene ist es sehr stark auf Personen zentriert, also auf Kandidatinnen und Kandidaten. Da stehen die bekannten Persönlichkeiten bei der Wahlentscheidung im Vordergrund.

noe.ORF.at: Es gibt mehrere Parteien, die mit wenig bekannten Spitzenkandidaten antreten, etwa ÖVP, Grüne oder NEOS. Und diese Kandidaten haben auch noch keine Erfahrung in der Gemeindepolitik. Ist das in einem Gemeinderatswahlkampf ein Nachteil für eine Partei?

Praprotnik: Die ÖVP startet sicher aus einer schwierigen Ausgangssituation. Man hat einen relativ unbekannten Spitzenkandidaten und muss sich gegen einen sehr bekannten SPÖ-Bürgermeister positionieren. Es gibt darüber hinaus derzeit auch keinen Rückenwind aus dem Bund. Und aus dieser Situation heraus muss man schauen, dass man doch noch Stimmen dazugewinnen kann.

Fußgängerzone Obere Landstraße
Gregor Semrad
Diesmal gibt es 4.000 Wahlberechtigte weniger als vor fünf Jahren. „Wie sich das dann entscheidet, kann man schwer prognostizieren“, so die Politologin Katrin Praprotnik.

noe.ORF.at: Man würde meinen, dass Krems eher eine bürgerliche Stadt ist. Warum tut sich die ÖVP aber bei den vergangenen Wahlen doch so schwer? Vor fünf Jahren hat sie fast zehn Prozentpunkte verloren. Was ist der Grund dafür?

Praprotnik: Es zeigt sich, dass Lokalpolitik doch nach ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten spielt. Gerade 2017 haben wir ja zeitgleich auch eine Nationalratswahl gehabt, und da sind die Wahlergebnisse doch sehr unterschiedlich ausgefallen. Die ÖVP hat im Bund sehr stark gewonnen, auf lokaler Ebene verloren. Bei der SPÖ war es genau anders herum. Man schafft es hier auf lokaler Ebene offenbar nicht, sich wieder in dieser Stärke zu positionieren, die man ja eigentlich lange hatte. Fast 60 Jahre lang hat die ÖVP in Krems den Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin gestellt. Seit 2012 versucht man das zurückzuerobern, das ist aber derzeit nicht in Sicht.

noe.ORF.at: Die SPÖ hat vor fünf Jahren deutlich dazugewonnen. Sie hält derzeit 19 von 40 Mandaten. Ist da noch etwas drinnen?

Praprotnik: Für die SPÖ ist das natürlich eine sehr bedeutende Wahl. Es würden noch zwei Sitze fehlen, um tatsächlich die absolute Mehrheit zu haben und damit nicht auf Kleinparteien wie etwa die KLS angewiesen zu sein, um eigene Projekte durchbringen zu können. Das zu schaffen wird eine große Herausforderung. Man hat einen Bürgermeisterbonus und eine etwas positivere Stimmung auf Bundesebene. Wie die Wahl ausgeht – wir wissen es nicht.

noe.ORF.at: Die Grünen haben derzeit ein Mandat. Der bisherige Grüne Mandatar hat eine eigene Liste gegründet und die Grünen treten mit einem neuen, nicht so bekannten Kandidaten an. Ist das ein Risiko?

Praprotnik: Parteispaltungen sind auf allen politischen Ebenen potenziell gefährlich. Gerade bei der Grünen Partei, wenn wir an 2017 denken, als Peter Pilz mit einer eigenen Liste angetreten ist. Im Endeffekt hat das der grünen Stammpartei den Einzug in den Nationalrat gekostet. Gerade auf lokaler Ebene, wo sehr stark die Kandidaten und Kandidatinnen eine Rolle spielen, macht natürlich so ein Bruch in einer Partei potenziell einen sehr großen Schaden.