Die aktuelle niederösterreichische Landesausstellung wirbt damit, die Geheimnisse des Marchfeldes lüften zu wollen – so auch der Titel der Ausstellung. Tatsächlich zählt die Region südöstlich von Wien nicht gerade zu den prominentesten Tourismusmagneten Niederösterreichs. Bundesweit bekannt ist die Region jedenfalls für ihre Ackerflächen, die Österreich unter anderem jedes Jahr im Frühjahr mit Spargel versorgt.
Fünf Monate nach Start der Landesausstellung im März kommen tatsächlich viele neue Besucherinnen und Besucher in die insgesamt 23 Gemeinden, die die öffentliche Wahrnehmung des Marchfeldes erweitern soll – von den Naturschutz- und Augebieten bis zu den Schlössern der Region und die Geschichte der Region, die unter anderem sowohl für den Aufstieg als auch das Ende der Habsburger entscheidend war.
Betriebe in der Region sind außergewöhnlich gebucht
Bei einem Besuch von noe.ORF.at in der Region hört man von Einheimischen, dass die Zahl der Touristinnen und Touristen seit Beginn der Landesausstellung tatsächlich deutlich gestiegen ist. In Marchegg erzählt ein Mann, dass er im Gasthaus neuerdings einen Tisch reservieren muss, weil er andernfalls oft keinen Tisch mehr bekomme.
Im Einzugsgebiet der Landesausstellung liegt beispielsweise auch der Beherbergungsbetrieb von Familie Küssler in Grub an der March (Bezirk Gänserndorf), 20 Kilometer nördlich von Marchegg. Wer hier übernachten will, muss derzeit geduldig sein. Die Betten sind nahezu ausgebucht – bis in den November, erzählt Inhaberin Verena Küssler. „Ich glaube schon, dass die Landesausstellung hier im Marchfeld viel bringt – allein die Natur mit den Störchen, mit der Au direkt beim Schloss, die Radwege direkt vernetzt mit dem Schloss. Es sind schon einige Gäste da, die vor allem wegen der Landesausstellung zu uns in die Region kommen.“
Ähnliche Erfahrungen machte Manfred Bauer, Inhaber der einzigen Brauerei im Marchfeld. Seit Beginn der Landesausstellung gehen bei ihm laufend Anfragen für Führungen durch seinen Betrieb ein. „Im Vergleich zur Zeit vor der Landesausstellung haben wir das vier- bis fünffache Aufkommen an Touristen in der Brauerei – vor allem wesentlich mehr Exkursionen durch Reiseveranstalter. Das wirkt sich bei uns sehr positiv aus“, so Bauer.
Radtourismus soll den Tourismus ankurbeln
Positive Effekte auf die Region ortet auch Hannes Steinacker, Geschäftsführer des Weinviertel Tourismus. Ihm zufolge profitieren von der Landesausstellung sowohl Gastronomie und Hotellerie als Produzentinnen und Produzenten regionaler Produkte und sämtliche Ausflugsziele.
Besonders großes Potenzial ortet Steinacker im Radtourismus. Viele, die im flachen Marchfeld Urlaub machen, kommen mit dem Fahrrad oder leihen sich vor Ort Fahrräder und E-Bikes aus. Ausgebaut wurden im Zuge der Landesausstellung auch die Radverbindungen. Im Mai neu eröffnet wurde in der Region eine vierte Brücke über die March. Die „Vyso March“ bildet eine weitere direkte Verbindung in die Slowakei. „Speziell durch mehrtägige Radwanderungen entlang des ‚Iron Curtail Trails‘ schaffen wir es besser und besser, die Besucherinnen und Besucher auch länger in der Region zu halten und wegzukommen vom reinen Tagestourismus“, so Steinacker.
„Die Region war historisch gesehen für 50 Jahre eine Grenzregion. Das heißt, dass sie in ihrer Entwicklung der Infrastruktur sicherlich hinter anderen Regionen Österreichs zurückliegt“, ist der Tourismusexperte überzeugt. „Spürbar ist auf alle Fälle schon, dass die tausenden Besucherinnen und Besucher hier bereits eine Wertschöpfung hinterlassen haben.“
Ähnliches erwartet man sich von Naturbegeisterten. In den vergangenen Monaten waren Führungen mit Naturvermittlerinnen und -vermittlern gut gebucht – vor allem in der Au. Führungen rund um die typischen Tiere der Region sind besonders gefragt. „Bei uns ist natürlich der Storch der große Anziehungsmagnet. Seit Mitte August ist er jetzt zwar leider weg, aber wir haben trotzdem sehr viele Spezialprogramme – auch für den Herbst“, erzählt Andreas Pataki, Geschäftsführer des Schlosses Marchegg und selbst Naturvermittler. „Wer im September und Oktober kommt, erfährt beispielsweise etwas über die Vogelwelt und jene Arten, die auch über den Winter bleiben, beispielsweise der Eisvogel oder die Spechte. Von zehn in Österreich beheimateten Spechtarten leben acht hier in der Au.“
Region will Aufschwung auch in Zukunft nützen
Laut Guido Wirth, dem Projektverantwortlichen der Landesausstellung, kommt etwa ein Drittel der Gäste zum ersten Mal in die Region. „Der überwiegende Teil kommt aus Niederösterreich, sehr viele Gäste auch aus Wien und – durch die neue Fahrradbrücke wenig überraschend – immer mehr Gäste aus der Slowakei.“
Diese Gäste erhofft sich die Region auch nach der Zeit der Landesausstellung. Bis sie November im neu renovierten Schloss in Marchegg ihre Pforten schließt, soll es gelungen sein, das Marchfeld weit über die niederösterreichischen Grenzen hinaus bekannt gemacht zu haben, so Wirth, „denn das ist ja das Ziel jeder Landesausstellung: eine Region nachhaltig zu beleben.“
Die Fahrradbrücke bleibt garantiert und wird weiterhin Menschen aus der Slowakei nach Marchegg holen. Auch für das Schloss Marchegg gibt es bereits weitere Pläne. Einziehen werden unter anderem das Gemeindeamt oder das Standesamt. Dadurch erhofft sich der Ort, dass Marchegg zu einer neuen Top-Destination für Hochzeiten werden könnte. Wirth zufolge gäbe es bereits zahlreiche Anfragen heiratswilliger Paare für das kommende Jahr.
Der Projektverantwortliche der Landesausstellung ist jedenfalls zuversichtlich, dass der Aufschwung anhalten werde. „Wir wissen aus Erfahrungen anderer Landesausstellungen, dass es üblicherweise im Jahr nach der Ausstellung etwas weniger Besuch gibt, aber in den Jahren darauf setzt sich das, was man in der Region mit der Landesausstellung gestartet hat, weiter fort“, sagt Wirth. Er geht davon aus, „dass das Marchfeld in eine spannende Zukunft blickt“. Wie diese Zukunft aussieht, werden die nächsten Jahre zeigen.