Katrin Beierl im ORF-Interview
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„Ganz persönlich“

Katrin Beierl: „Dachte, es ist Migräne“

Die gebürtige Mödlingerin Katrin Beierl ist Österreichs erfolgreichste Bobfahrerin. Im Zweier-Bob ist sie Weltcupgesamtsiegerin, bei der EM holt sie zwei Mal Bronze. In diesem Sommer hat die 29-Jährige einen Schlaganfall erlitten. Wie sie damit umgeht, erzählt sie im noe.ORF.at-Interview.

noe.ORF.at: Katrin Beierl, der 11. August dieses Jahres hat Ihr Leben verändert. Was ist passiert?

Katrin Beierl: Ich war in Peru im Urlaub. Ich habe mir gedacht, nach den aufreibenden Olympischen Spielen mit Covid gönne ich mir einmal eine längere Auszeit. Ich war zehn Tage im Amazonas-Gebiet, es war richtig cool. Ohne Handy, ohne Stress – einfach nur runterkommen. Ich bin dann nach Cusco geflogen, das liegt in den Anden, habe dort Netflix geschaut und auf einmal nichts mehr gesehen auf der linken Seite. Ich dachte, es sei Migräne, die ich schon seit der Kindheit habe. Ich habe ein Schmerzmittel genommen und bin schlafen gegangen. Am nächsten Tag war es leider noch immer da und von da an haben die Dinge ihren Lauf genommen.

noe.ORF.at: Sie sind ja allein dort gewesen. Wie war die Reise zurück nach Österreich?

Beierl: Im Nachhinein betrachtet weiß ich nicht mehr, wie ich das wirklich auf die Reihe bekommen habe. Auf jeden Fall mit viel Unterstützung meiner Eltern. Ich war in Cusco, das liegt auf 3.500 Meter, bin auf 2.000 Meter runtergefahren nach Argos Caliente, weil ich dachte, die Höhe ist das Problem. Ich bin dort zu einer Ärztin gegangen, die konnte mir nicht wirklich weiterhelfen und dann habe ich zu googeln begonnen und da war mir dann auch schon klar, dass das nicht so ganz die Migräne sein kann.

Papa und Mama haben von zu Hause aus versucht, den Flug umzubuchen. Es hat Gott sei Dank funktioniert und nach circa 30-stündiger Reise bin ich sehr froh gewesen, dass ich wieder in Wien gelandet bin.

BOBSLEIGH – IBSF WC Innsbruck Igls
GEPA pictures/ Simona Donko
Katrin Beierl (vorne) mit Jennifer Onasanya im Zweier-Bob in Innsbruck

noe.ORF.at: Im AKH dann die erschütternde Diagnose – Schlaganfall. Und nicht nur das, es war bereits der dritte. Haben Sie davor nie was gemerkt?

Beierl: Nein. Also wenn man es wirklich genau im Nachhinein betrachtet, dann hatte ich letztes Jahr im April ein paar Schwindelanfälle. Das passiert aber auch bei Migräne. Man kann es wirklich nicht genau sagen. Die anderen Schlaganfälle liegen im Kleinhirn. Es hätten eigentlich gröbere Koordinationsprobleme auftreten müssen laut den Ärzten. Aber ich kann nicht wirklich sagen, ob das der Fall gewesen ist.

noe.ORF.at: Haben Sie, haben die Ärzte eine Erklärung für den Schlaganfall?

Beierl: Im AKH hat man wirklich keine Vermutung gehabt. Ich bin dann wieder zurück nach Innsbruck, dort zu meinem Neurologen und der ist ziemlich überzeugt davon, dass es aus einer Migräne heraus entstanden ist. Die Migräne verschließt Blutgefäße, dadurch entstehen diese Sehstörungen, die man bei Migräne mit Aura normalerweise hat und wenn dann quasi noch was daher schwimmt in das verschlossene Blutgefäß, dann kann es zu ein Schlaganfall kommen. Selten, aber doch.

noe.ORF.at: Sie sind jung, sportlich. Gerade Ihr Fall hat ins Bewusstsein gebracht, dass es sehr junge Menschen treffen kann.

Beierl: Ich wusste natürlich, dass die Migräne mit Aura ein Schlaganfallrisiko ist. Das war aber alles so weit weg. Ich dachte, mir wird es nicht passieren. Ich bewege mich viel, die Ernährung passt. Aber es passierte doch. Bei unter 30-Jährigen kommt das jetzt im Verhältnis natürlich weitaus seltener vor als bei älteren Personen, aber eben doch.

Katrin Beierl im ORF-Interview mit ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess
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Katrin Beierl im „Ganz Persönlich"-Interview mit ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess in ihrem Heimatort Himberg

noe.ORF.at: Wie geht’s Ihnen jetzt? Sie trainieren schon wieder?

Beierl: Ja, ich habe mit dem Training begonnen. Das ist dann aber auch sehr schnell weniger geworden. Mein erstes Training war in Innsbruck eine Viertelstunde Radfahren und dreimal fünf Kniebeugen mit sehr, sehr wenig Gewicht. Also eigentlich fast nichts. Und dann war ich wirklich kaputt, habe den restlichen Tag geschlafen. Jetzt habe ich mich zu Yoga motiviert und mache sehr viel Training für meine Augen mit einer Virtual-Reality-Brille.

noe.ORF.at: Sie sind in Himberg im Bezirk Bruck an der Leitha aufgewachsen, im Flachland. Wie kommt eine Flachländerin zum Bobsport?

Beierl: Durch Zufall. Seit ich sechs Jahre alt war, habe ich Leichtathletik gemacht in Schwechat, habe dann in der Schule aufgehört für zwei Jahre, weil doch sehr viel Unterricht war. Ich bin durch das Studium nach Innsbruck und wollte dort wieder anfangen. Das hat mir aber nicht so ganz gefallen in der Gruppe. Und die haben dann gesagt, wenn es dir bei uns nicht taugt, dann geh’ zu den Bobfahrern, die suchen immer jemanden. Dann hat sich das alles so ergeben.

noe.ORF.at: Sie kommen aus einer sehr sportlichen Familie. Ihre Mutter war Weitspringerin, ihr Vater Hammerwerfer. Sie sind quasi erblich vorbelastet, was den Sport betrifft.

Beierl: Die Mutter war eigentlich Hürdenläuferin, hat dann für die Olympischen Spiele 1988 auf Weitsprung umgesattelt, weil das Limit leichter zu erreichen war. Der Papa war groß, schwer und stark. Also es hat sicher was damit zu tun, dass sie mich da auch in den Sport hineingebracht haben.

noe.ORF.at: Sie haben mit Ihrem Vater 2017 einen Bob-Skeleton Verein gegründet, mitten im Flachland in Himberg. Gibt es da überhaupt Trainingsmöglichkeiten?

Beierl: Wir haben im Olympiazentrum in St. Pölten wirklich top Trainingsmöglichkeiten, werden dort auch super betreut. Es gibt sogar in Weinburg bei St. Pölten eine Bahn, leider nur im Flachen, aber man kann dort wirklich mit einem Bob auf Rollen trainieren.

INNSBRUCK,AUSTRIA,18.JAN.20 – BOBSLEIGH – IBSF World Cup, two-man, women. Image shows Katrin Beierl / J.J.O.D. Onasanya (AUT). Photo: GEPA pictures/ Ulrich Gamel
GEPA pictures/ Ulrich Gamel
Gemeinsam mit Anschieberin Onasanya gewann Beierl 2019 und 2021 zwei EM-Bronzemedaillen und die Zweierbob-Gesamtwertung 2020/2021

noe.ORF.at: Es ist jetzt einen Monat her, seit Sie den Schlaganfall hatten. Was hat sich seitdem verändert?

Beierl: Es ist alles auf Null. Ich kann zum ersten Mal seit langem das Wintersemester nutzen, um zu studieren und hoffe, dass ich dadurch endlich fertig werde. Aber es ist doch alles sehr runtergefahren. Das ist für mich nicht einfach, wenn man gewohnt ist, immer auf Achse zu sein, immer etwas zu tun hat.

noe.ORF.at Eigentlich wären Sie jetzt mitten in der Vorbereitung für die kommende Saison. Werden Sie jemals wieder Bob fahren?

Beierl: Das kann man leider noch gar nicht sagen. Natürlich möchte ich weiter trainieren, um mich körperlich fit zu halten und um einfach diese Tür offen zu lassen. Ich habe Gott sei Dank mit Niederösterreich und meinen Sponsoren die Unterstützung, dass ich weitermachen kann, auch von der Polizei. Es sind alle Möglichkeiten offen, wieder in den Sport zurückzukehren und dann meine Karriere hoffentlich fortzusetzen. Aber das hängt alles davon ab, wie sich das mit dem Sehen entwickelt. Ein Rennen in Innsbruck will ich noch fahren, zumindest als Spurschlitten. Ich will aufhören können, wenn ich aufhören will.