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Chronik

Billigfleisch aus Ausland: Putenzüchter besorgt

Weil die Nachfrage nach heimischem Putenfleisch während der Pandemie gestiegen ist, haben viele Züchter investiert. Die neuen Ställe stehen jetzt zum Teil aber leer. Die Konsumenten greifen nämlich vermehrt zur günstigeren Billigpute aus dem Ausland.

In Niederösterreich gibt es 62 konventionelle Putenzüchter und zwölf Biobetriebe. Robert Wieser mästet in seinem Betrieb in Kirnberg an der Mank (Bezirk Melk) 60.000 Tiere pro Jahr. Geschlachtet werden sie in einem Schlachthof in Kärnten, in weiterer Folge landen sie bei Billa und Hofer im Regal oder in der Gastronomie auf dem Teller.

Während der Lockdowns waren regionale Produkte plötzlich so gefragt wie noch nie, erinnert sich Wieser. Der Schlachthof hatte zu wenig Ware und bei einigen Betrieben nachgefragt, ob sie mehr Putenfleisch produzieren können. Viele Putenzüchter haben daher ausgebaut, so auch der Betrieb in Kirnberg.

„Für Quereinsteiger fatal“

„Wir haben einen neuen Putenstall dazugebaut, der eine Kapazität von 10.500 Tieren hat“, so Wieser im Interview mit dem ORF Niederösterreich. „Wir haben den Stall nach modernsten Standards errichtet, mit freiem Zugang zur Außenluft, einem Wintergarten und einer erhöhten Ebene – ein Tierwohlstall.“ Drei Millionen Euro kostet der neue Stall samt Photovoltaikanlage, Außenbereich und automatischer Fütterungsanlage.

Jetzt steht dieser Stall aber leer. Die Bestellungen beim Schlachthof sind deutlich zurückgegangen, heimische Pute ist nicht mehr im selben Ausmaß gefragt wie noch während der Lockdowns. „Das bedeutet, dass die Mehrkapazitäten nun nicht genutzt werden. Die Betriebe haben längere Einstellzeiten. Für Quereinsteiger ist das fatal“, sagt Wieser.

Putenstall
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Viele heimische Putenbauern haben aufgrund der gestiegenen Nachfrage während der Pandemie in ihren Betrieb investiert und teilweise neue Ställe gebaut, die jetzt aber nicht benötigt werden

Interessensvertretung sieht Handel gefordert

Laut Michael Wurzer, dem Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft (ZAG) und somit der Interessensvertretung der Putenzüchter, könnte sich die Situation nächstes Jahr weiter zuspitzen. Er sieht daher den Handel gefordert und appelliert an die Konzerne, ausschließlich Pute mit österreichischer Herkunft anzubieten – mehr dazu in Kritik an Billigputenfleisch im Handel (oesterreich.ORF.at; 7.9.2022).

Die Produkte aus dem Ausland, die in den Supermärkten angeboten werden, würden dort nämlich unter Bedingungen produziert, die in Österreich nicht erlaubt sind. „In Österreich haben die Tiere 70 Prozent mehr Platz als in den meisten anderen EU-Ländern, sie sind gesünder und vitaler und benötigen weniger Tierarzneimittel“, so Wurzer.

Pro Quadratmeter dürfen etwa maximal zwei ausgewachsene Tiere (40 Kilo) gehalten werden. Die Fütterung wurde in Österreich schon vor Jahren auf gentechnikfreies Futter umgestellt, der Einsatz von Antibiotika wurde in den vergangenen Jahren massiv reduziert. „Das verursacht natürlich einen höheren Preis“, sagt Wurzer.

Heimische Züchter können Bedarf decken

Bei der Entscheidung für eine geringere Besatzdichte 2015 sei auch der Handel eingebunden gewesen, wird seitens der Interessensvertretung betont. In den nächsten Wochen sollen daher Gespräche mit den Handelskonzernen geführt werden – mit dem Ziel, dass künftig nur Putenfleisch mit österreichischer Herkunft angeboten wird. Die heimischen Putenzüchter könnten den Bedarf im Lebensmittelhandel abdecken, bekräftigt Wurzer.

Putenzüchter Robert Wieser aus Kirnberg nimmt allerdings auch die Konsumentinnen und Konsumenten in die Pflicht. „Für mich ist es sehr schade, dass so viele billige Produkte aus dem Ausland gekauft werden. Ich kann nur empfehlen, auf Qualität zu achten. Vielleicht eine Spur weniger, dafür aber qualitativ hochwertiges Fleisch essen.“