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Gesundheit

Musiktherapie: Kassenfinanzierung gefordert

Die Nachfrage nach Musiktherapie ist in der Pandemie gestiegen. Für viele Kinder kann sie ein Weg sein, um wieder in den Alltag zurückzufinden. Therapeuten fordern jetzt eine Ausweitung der Kassenfinanzierung, etwa im niedergelassenen Bereich.

In der Mitte des Musiktherapiezimmers im Kinder-Reha-Klinikum „kokon“ in Bad Erlach (Bezirk Wiener Neustadt) liegt ein Teppich voller Instrumente: Klangschalen, Trommeln und Saiteninstrumente stehen den Jugendlichen zur Verfügung. Jeder soll ein Instrument haben, mit dem er oder sie sich wohlfühlt.

„Alles kann, nichts muss“ lautet die Devise in der Musiktherapie, erklärt die Musiktherapeutin Beatrix Waltner: „Man darf so laut spielen, wie man will, man darf so leise sein, wie man will. Man darf auch mal sagen, heute hör ich nur zu.“ Die Töne und Klänge übernehmen in der Musiktherapie die Kommunikation – ohne Worte. Vielen würde das einfacher fallen als über Sprache in Kontakt zu treten.

Musiktherapie in NÖ

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In rund 75 klinischen und therapeutischen Einrichtungen wird Musiktherapie angeboten. 27 davon legen einen Schwerpunkt auf die Arbeit mit Kindern. Dazu kommen 35 freie Praxen. 133 Musiktherapeuten und -therapeutinnen arbeiten in Niederösterreich.

Musik als „Ersatzsprache“

Die Geschichten der Kinder und Jugendlichen, die zu Beatrix Waltner in die Musiktherapiestunden kommen, sind sehr unterschiedlich. Teilweise fällt den Patientinnen und Patienten das Sprechen schwer, weil sie an Erkrankungen im Gehirn oder an Entwicklungsverzögerungen leiden. „Da kann man Musik sehr gut nutzen, um sich mithilfe der Instrumente zu verständigen“, so Waltner.

Eine andere Gruppe sind Jugendliche, die mit psychischen Erkrankungen, Angstzuständen oder Stress zu kämpfen haben. Diese Gruppe wachse seit der Pandemie, beobachtet die ärztliche Direktorin des Reha-Klinikums Bad Erlach, Jutta Falger. Durch die pandemiebedingten Maßnahmen sei es zu einer Zunahme von Depressionen, Angsterkrankungen und Essstörungen, aber auch zu häufigeren Auffälligkeiten im Sozialverhalten gekommen, so Falger: „Die sozialen Einschränkungen haben bewirkt, dass Jugendliche, die ja grundsätzlich schon in einem vulnerablen Alter sind, ein bisschen verlernt haben, Kontakte zu knüpfen.“ Stattdessen ziehen sich die Teenager stärker zurück, manche entwickeln Abhängigkeiten, zum Beispiel eine Computersucht.

Forderung: Kassenfinanzierung für freie Therapiepraxen

Deshalb legt Beatrix Waltner in ihren Therapiestunden Wert auf Kontaktaufnahme. Mit Klängen, die von Teilnehmerin zu Teilnehmer weitergegeben werden, sei das einfacher als mit Worten. Viele Jugendliche würden dabei Musik als ein neues Hobby für sich entdecken. „Ich finde es sehr schön, wenn sie sagen, dass sie dann zu Hause die Gitarre hernehmen oder ans Klavier gehen, wenn es ihnen nicht gut geht“, sagt Waltner.

Im Schnitt drei bis fünf Wochen verbringen die Kinder und Jugendlichen in der Reha-Klinik in Bad Erlach. Die Musiktherapie dort ist ärztlich verschrieben, die Kosten werden übernommen. Abseits von klinischen Einrichtungen, etwa im niedergelassenen therapeutischen Bereich, müssen die Kosten dagegen privat getragen werden.

Der Berufsverband österreichischer Musiktherapeuten und -therapeutinnen (ÖBM) fordert daher eine Kassenfinanzierung auch für freie Therapiepraxen. „Bisher ist Musiktherapie privat nur mit entsprechendem finanziellen Hintergrund leistbar“, beklagt ÖBM-Geschäftsführerin Daniela Csefalvay. Nahezu unerschwinglich sei sie für Asylsuchende. Gegenwärtig befasst sich der Gesundheitsausschuss des Nationalrats mit dem Anliegen.