Politik

Borealis-Deal: Gutachten hält Verkauf für unzulässig

Der nö. Bauernbund geht weiter gegen den Verkauf der Düngemittelsparte der OMV-Tochter Borealis vor. Zur Unterstützung wurde Verfassungsjurist Heinz Mayer engagiert, der den Verkauf für unzulässig hält. Borealis hingegen will an dem Verkauf festhalten.

Es gehe bei dem Deal nicht nur um den Verkauf der Borealis-Düngemittelsparte, sondern auch der gesamten AdBlue-Produktion, sagte der Obmann des niederösterreichischen Bauernbundes und Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. AdBlue wird zur Abgasnachbehandlung bei Dieselmotoren verwendet.

„Alle reden von Versorgungssicherheit, und dann verkauft ein teilstaatliches Unternehmen ohne jede Not einen hochprofitablen Zweig, der die Versorgungssicherheit ganz Österreichs betrifft“, so Pernkopf. Davon sei nicht nur die Lebensmittelproduktion betroffen, sondern auch die Logistikbranche.

Trotz des Widerstands will die OMV-Chemietochter Borealis den Verkauf des Düngemittelgeschäfts an den tschechischen Agrofert-Konzern noch heuer über die Bühne bringen. Der Deal sei bereits vor Wochen bei der Wettbewerbsbehörde angemeldet worden, sagte eine Borealis-Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters. „Die Transaktion unterliegt derzeit der Genehmigung durch die Behörden“.

„Marktbeherrschende Stellung“

Der Bauernbund will das nicht akzeptieren und hat bereits eine Berliner Anwaltskanzlei engagiert. „Die haben die Aufgabe, das vor den europäischen Kartellbehörden entsprechend zu bekämpfen“, so Stephan Pernkopf. Nach dem geplanten Zusammenschluss hätte das fusionierte Unternehmen einen Marktanteil von 70 bis 80 Prozent, argumentierte er, „was eindeutig einer marktbeherrschenden Stellung gleichkommen würde“. Die zweit-, dritt- und viertgrößten Produzenten – EuroChem, Ostchem und Uralchem – seien entweder in der Ukraine oder in Russland tätig, deren Produkte würden derzeit nicht auf den Markt kommen.

„Wir lehnen gerade wegen dieser aktuellen Umstände jede weitere Konzentration wichtiger Marktteilnehmer ab“, so Pernkopf. Alternative Angebote seien wegen der hohen Transportkosten de facto nicht verfügbar. „Der Preis von Düngemitteln und AdBlue ist in den letzten ein, zwei Jahren um das Drei- bis Vierfache gestiegen.“

Mayer verweist auf öffentliche Interessen der OMV

„Die Realisierung des Verkaufs stünde auch im Gegensatz zur Bundesverfassung, in der sich die Republik zur Sicherung der Versorgung mit heimischen Lebensmitteln bekennt“, sagte Pernkopf und verwies auf ein Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Heinz Mayer, der auf das ÖIAG-Gesetz verweist. An dieses seien die Mitglieder des Aufsichtsrates der Borealis-Mutter OMV gebunden. Sie müssten in diesem Fall öffentlichen Interessen den Vorzug vor dem Einzelinteresse des Unternehmens geben, weshalb der Verkauf unzulässig sei.

Verfassungsexperte Heinz Mayer (links) und Topmanager Claus Raidl (rechts) untersttzen NÖ Bauernbundobmann LH-Stv. Stephan Pernkopf im Kampf gegen den Borealis-Deal
NÖ Bauernbund / Mirjam Reither
Verfassungsexperte Heinz Mayer (links) und Manager Claus Raidl (rechts) unterstützen NÖ-Bauernbund-Obmann Stephan Pernkopf im Kampf gegen den Borealis-Deal

Schützenhilfe bekommen die Bauern auch vom langjährigen Böhler-Uddeholm-Chef und Ex-Nationalbankpräsidenten Claus Raidl. Er glaubt nicht, dass die Ertragskraft von Borealis geschmälert würde, sollte der Verkauf abgeblasen werden. Und selbst, wenn das der Fall wäre, müsste das in Abwägung des öffentlichen Interesses in Kauf genommen werden.

Ursprünglich sei geplant gewesen, die Borealis-Düngersparte um 455 Mio. an den russischen EuroChem-Konzern zu verkaufen, sagte Pernkopf. Nachdem dieser Verkauf gestoppt wurde, habe Agrofert keine drei Monate später 810 Mio. Euro geboten. „Mein Umkehrschluss ist: Wäre dieser Käufer nicht auf die Sanktionsliste gekommen, hätten wir um 355 Millionen weniger verkauft.“ Heuer weise Borealis einen Halbjahresgewinn der Düngemittelsparte von 256 Mio. Euro aus. „Wenn man das hochrechnet, sind das 500 Millionen Jahresgewinn, das heißt, der jetzige Käufer hätte den Kaufpreis von 810 Mio. Euro in eineinhalb Jahren herinnen.“

„Standortgarantie für Linz“

Die Staatsholding ÖBAG verweist in ihrer Reaktion darauf, dass Agrofert ein europäisches Unternehmen sei und „öffentlich und unmissverständlich eine Standortgarantie für Linz abgegeben“ und sich dazu bekannt habe, weiter in die Zukunft des Werks zu investieren und somit auch die Arbeitsplätze zu erhalten. Die Verantwortung für die Versorgungssicherheit sei in Form eines Pakets mit der oberösterreichischen Landespolitik vereinbart worden. „Der Standort Linz gehört zu den wettbewerbsfähigsten Produktionsstätten und wird dies im Agrofert-Konzern auch bleiben. Aus diesen Gründen kann die ÖBAG die vorgebrachten Argumente gegen den Verkauf nicht nachvollziehen, steht aber jederzeit für ein Gespräch zur Verfügung“, heißt es in einer Stellungnahme der ÖBAG.

Von der Standortgarantie der Tschechen für die Borealis-Produktion hält Raidl wenig und verweist auf seine eigene Erfahrung als Böhler-Uddeholm-Chef. „Es ist der Eigentümer natürlich in seinem nationalen Land mehr verbunden – der will dort keinen Streit mit den Gewerkschaften, da schließt er lieber Linz als seine ausländischen Akquisitionen.“

Agrofert sei auch Eigentümer des deutschen Düngemittel- und AdBlue-Produzenten SKW in Piesteritz (Sachsen-Anhalt) und habe das Werk dort stillgelegt, sagte Pernkopf, man würde sich also durch den geplanten Verkauf an die Tschechen abhängig und erpressbar machen.