„Der Reigen“
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Kultur

Der „Reigen“: Liebe in heutigen Spielformen

Die erste Premiere des Landestheaters in Sankt Pölten gilt einem besonderen Klassiker der Bühnenliteratur: Arthur Schnitzlers „Reigen“. Regisseur Franz- Xaver Mayr erzählt Schnitzlers Szenen zu Liebe und Begehren einfühlsam mit heutigen Spielformen der Liebe.

Schnitzlers Reigen splittert sich in zehn Dialogszenen auf: etwa „Die Dirne und der Soldat“, „der Soldat und das Stubenmädchen“ oder „das Stubenmädchen und der junge Herr“ – bis sich am Schluss der Reigen schließt mit der Szene „der Graf und die Dirne“. Der Salzburger Regisseur Franz-Xaver Mayr bricht diesen Ring auf und hebt die handelnden Personen in unsere Zeit. Nur in einigen Szenen blitzen die originalen Figuren auf.

Das Team um Mayr, in dem Korbinian Schmidt für Bühne und Kostüme verantwortlich zeichnet, sowie Julia Engelmayer und Hans Mrak für die Dramaturgie, hat gemeinsam mit den Schauspielerinnen und Schauspielern eine sehr intelligente, einfühlsame und sensible Transformation auf die Bühne gebracht. Das Bühnenbild ist eine grelle, requisitenlose Box, in der die Raumaufteilung der Figuren, die Sprache und die körperlichen Gesten das Geschehen bestimmen. Textpausen werden zu spannungsgeladenen Sekunden, Abstände zeigen die Gefühlslage.

„Der Reigen“ auf der Bühne im Landestheater in St. Pölten
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Der „Reigen“ als Spiel in der Box

Mayr: Spannungskurve rund um den Akt ist interessant

„Es ist dieser interessante Punkt vor dem Sex: Wie kommt es zum Akt der Vereinigung und wer spielt mit welchen Tricks, um es dazu kommen zu lassen? Am interessantesten ist natürlich: Was kommt danach, nachdem alles vorbei ist, nachdem sich die Körper wieder entspannen und die Personen nach Hause gehen?“, erklärte Franz-Xaver Mayr nach der Premiere in Sankt Pölten seine Kernfragen an das Stück und den Umgang damit.

Bei Arthur Schnitzler wird der Geschlechtsverkehr durch Striche – also Auslassungszeichen – im Text gekennzeichnet. Mayr setzt sie stilisiert und ironisch auf die Bühne: Die Schauspielerinnen und Schauspieler vollführen spastische Bewegungen ohne einander zu berühren, verdrehen Augen und Gelenke, stöhnen, gurgeln und gurren. Das Publikum schmunzelte und so manch einer oder eine dachte wohl darüber nach, ob er oder sie im sexuellen Geschehen und beim Orgasmus ähnlich lächerlich bis komisch wirkt.

„Der Reigen“
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Macht und Ohnmacht in der Verführung

Die Mechanismen von Verführung und Macht immer gleich

Mayr lässt in einer Szene Textteile von zwei Akteuren unterschiedlichen Geschlechts synchron sprechen und spielen, wohl um zu zeigen, dass die Mechanismen der Verführung und der Machtgefüge in Beziehungen wohl gleich funktionieren – unabhängig der sexuellen Orientierung der Personen. Auch die sexuelle Uneindeutigkeit wird angesprochen, wenn eine halbnackte Schauspielerin einen Oberlippenbart trägt.

„Der junge Mann und das süße Mädel oder der Ehemann und das süße Mädel, diese Gefüge sind ‚#MeToo‘-Vorfällen schon sehr ähnlich“, sagte die Burgschauspielerin Dorothee Hartinger gegenüber noe.ORF.at. K.-o.-Tropfen kommen ins Spiel, aber auch Anspielungen an hierarchische Strukturen im Theatermilieu, die zu Machtspielen und mehr einladen können. Die letzten Szenen sind in Mayrs „Reigen“ als Theater im Theater angelegt, angehende Schaupielerinnen und Schauspieler proben den Text. Die Ironie dahinter: Diese Szenen spielen Studierende der „Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien“ quasi aus ihrem Alltag.

„Der Reigen“
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Das komplette Ensemble auf der Bühne: Profischauspielerinnen und -schauspieler gemeinsam mit Studierenden

Der „Reigen“ in Sankt Pölten ist eine Koproduktion mit den Salzkammergut Festwochen Gmunden. Dort fand die Premiere bereits statt. „Das war ein wunderbarer Abend in Gmunden und es war eine großartige Premiere“, erzählte Marie Rötzer, die künstlerische Leiterin des Landestheaters. Auch in Sankt Pölten gab es für die Akteurinnen und Akteure sowie für das Produktionsteamlauten langen Applaus.