Christian Muthspiel wurde am 20. September 1962 in Judenburg (Steiermark) geboren. Sein Studium an der Musikhochschule Graz brach der musikalisch bereits früh geförderte Sohn eines Komponisten und Chorerziehers laut eigenen Angaben „rechtzeitig und erfolgreich“ ab, um 1987/88 seine Ausbildung als Stipendiat an der School of Fine Arts im kanadischen Banff fortzusetzen.
Als Musiker ist er seither vielseitig aktiv – in Jazzformationen, im Bereich der improvisierten wie der komponierten Musik. Er gründete und leitete zahlreiche Ensembles und Formationen wie die Yodel Group, Motley Mothertongue und Octet Ost.
Muthspiel: „Immer zwischen den Stühlen agierend“
Zum 60. Geburtstag erscheinen am Montag gleich zwei Doppelalben: „Diary – Selected Recordings 1989 – 2022“ mit 32 Tracks aus 33 Jahren und „Homecoming“ mit seinem 2019 gegründeten aus 18 Personen bestehenden Orjazztra Vienna. Mit dem Orjazztra Vienna erfüllte er sich, „den Zug der Zeit ignorierend den Traum eines eigenen Jazzorchesters, den ich seit meinem Weggang vom Vienna Art Orchestra im Jahr 2004 träume“, schreibt er auf seiner Website.
Ziel ist ein „orchestraler Zugang zum zeitgenössischen Jazz über komplexe Partituren, die gleichzeitig den individuellen Solistinnen und Solisten den entsprechenden improvisatorischen Freiraum geben, klanglich geprägt von einem akustischen, in diesem Fall bewusst elektronikfreien, an den Tugenden klassischen Orchesterspiels geschulten Zusammenklang“. „Homecoming“ ist eine Liveaufnahme, kompiliert aus den Mitschnitten dreier coronavirusbedingt publikumsloser Konzerte im März 2021 im Porgy & Bess. Mit dem neuen Programm „La Melodia della Strada“ tritt man ebendort am 19. und 20. Oktober auf und geht anschließend auf Tour.
Nach vielen Jahren „als Komponist, Dirigent und Instrumentalist immer zwischen den Stühlen agierend bzw. diese regelmäßig wechselnd“ gilt sein Hauptaugenmerk dem Orjazztra Vienna. Als Dirigent leitete Muthspiel u. a. das RSO Wien, das Brucknerorchester Linz, das Staatsorchester Hannover, die Camerata Salzburg, das „recreation“-Orchester Graz und das Ensemble „die reihe“.
Komponierte alle Ö1-Sendungssignations
Kompositionsaufträge erhielt er unter anderem in Wien von Musikverein und Konzerthaus, der ARD, der Staatsoper Hannover, dem Klangforum Wien, dem RSO Wien, der Philharmonie Essen, der Ruhrtriennale und dem Brucknerhaus Linz. Der vermutlich nachhaltigste bzw. am meisten nachhallende Auftrag stammte aber vom ORF: 2017 wurden alle etwa 100 Sendungskennungen und Signations des Radiosenders Ö1 von Muthspiel neu komponiert und mit dem RSO Wien aufgenommen.
Seine Werkliste umfasst neben Jazzkompositionen Konzerte für Soloinstrumente und Orchester, Ensemble- und Chormusik, Kammermusik sowie Musiktheaterwerke und Theater/Tanztheaterkompositionen. Dieses Schaffen ist auf mehr als 30 CDs dokumentiert. Das nun erscheinende „Diary“ versammelt eine Auswahl von zwei Stunden und 27 Minuten Musik aus den Jahren 1989 bis 2022.
Muthspiel erhielt u. a. den Österreichischen und den Niederösterreichischen Würdigungspreis für Musik (beide 2006) und den Hans-Koller-Preis als „Musician of the Year“ 2007. Er war Mitglied des Niederösterreichischen Kultursenats von 2013 bis 2022. Seit 2006 ist er auch als bildender Künstler präsent. Seine „Fenster.Bilder“ und Teile seiner zyklischen Fotoarbeiten zeigte Muthspiel in bisher mehr als 20 Ausstellungen.