Waldhäusl im Gericht
APA/Benedikt Loebell
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Gericht

Amtsmissbrauch: Freispruch für Waldhäusl

Der Prozess gegen den wegen Amtsmissbrauchs angeklagten Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) rund um die Asylunterkunft in Drasenhofen ist am Freitag ins Finale gegangen. Der Politiker wurde freigesprochen, ebenso eine mitangeklagte Landesbedienstete.

Die Vorwürfe drehten sich um die Verlegung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in das mit Stacheldraht begrenzte Asylquartier Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) im November 2018 – mehr dazu in Waldhäusl-Prozess: Warten auf Urteil (noe.ORF.at; 23.9.2022).

Die Richterin betonte in der Urteilsbegründung, dass die Einrichtung mit dem Stacheldraht zwar absolut das falsche Signal gewesen sei, aber nicht alles was falsch ist, sei auch strafbar. Zudem wurde die Unterkunft nicht per se als ungeeignet eingestuft, auch wenn sie überhastet eröffnet und dafür politischer Druck ausgeübt worden sei. Die Jugendlichen seien aber ausreichend versorgt und offenbar auch nicht eingesperrt gewesen, wie Waldhäusl selbst im Laufe des Prozesses immer wieder betont hatte.

Drei weitere Zeugenbefragungen

Zu Beginn des neunten Prozesstages wurden zwei Zeugen befragt, die auf Antrag von Waldhäusls Verteidiger Manfred Ainedter geladen wurden. Es handelte sich um zwei Securitys, die in Drasenhofen laut eigenen Angaben Nachtdienste absolvierten. Sie sollten belegen, dass die Jugendlichen die Einrichtung verlassen durften. Diese seien oft zur Tankstelle gegangen, um Zigaretten und Getränke zu kaufen, erzählte der erste Zeuge. Weiters sei bei der Einrichtung „alles in Ordnung“ gewesen, es sei sauber gewesen, wenn er durch das Haus gegangen ist.

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Landesgericht St. Pölten
ORF / Werner Fetz
Es war der neunte Prozesstag am Landesgericht St. Pölten
Demo vor Gericht
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Auch diesmal versammelte sich eine Gruppe von Demonstranten, die Waldhäusls Rücktritt bzw. Entlassung forderten
Waldhäusl vor Gerichtssaal
ORF / Birgit Zrost
Der FPÖ-Politiker bekannte sich bereits zu Prozessbeginn nicht schuldig, ebenso eine mitangeklagte Landesbedienstete
Waldhäusl im Gerichtssaal
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Waldhäusl und Ainedter
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Ainedter bei Interview
ORF / Birgit Zrost

Der zweite Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes erklärte gegenüber der Richterin, dass die Asylwerber zunächst bis zur Tankstelle gehen durften. Als später ein Zaun errichtet wurde, hätten sie sich an einem Platz, der sich zwischen Gebäude und Zaun befand, aufhalten dürfen. Sie durften auch hinter den Zaun gehen, allerdings nur in Begleitung, so der Zeuge. Die Stimmung unter den Jugendlichen sei „ein bisschen aufgeregt“ gewesen, „weil sie gesagt haben, sie dürfen nicht raus, was aber nicht gestimmt hat“.

Zeuge: „Hatte Todesangst“

Weiters sagte ein junger Afghane als Zeuge aus, der damals nach Drasenhofen verlegt wurde. Er hatte Vorstrafen und habe für Geld „ein paar Dinge gemacht“, er habe gewusst, „deswegen nehmen die mich mit“. Zum Zeitpunkt der Verlegung habe er aber bereits einen anderen Weg eingeschlagen, besuchte regelmäßig eine Schule und machte ein Praktikum in einer Bäckerei.

Als er dann in Drasenhofen ankam, habe er zunächst gedacht, die Einrichtung sei ein Gefängnis. „Wir waren da drinnen und durften nicht raus“, zudem sei rundherum „nur Feld“ gewesen. Zweimal habe er die Einrichtung verlassen, um bei der Tankstelle Zigaretten zu kaufen. Mehrmals betonte der Mann, er habe „Todesangst“ gehabt, weil er dachte, er werde nach Afghanistan abgeschoben. „Wir wussten nicht, was da passiert.“

Unterkunft erweckte „Anschein eines Gefängnisses“

Nach knapp zweistündigen Verlesungen aus dem Akt hielten der Staatsanwalt und die beiden Verteidiger ihre Schlussplädoyers. Oberstaatsanwalt Michael Schön sagte im Schlussvortrag, dass es um die Frage der Unterbringung in einer geeigneten Unterkunft gehe.

Das Quartier sollte laut dem Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den „Anschein eines Gefängnisses und eines Abschiebezentrums erwecken“ und war ungeeignet. Durch angeordnete Maßnahmen wie Stacheldraht, Hund und Kamera seien Flüchtlinge einer ihre Persönlichkeit destabilisierenden Maßnahme unterworfen worden. Zumindest 14 Jugendliche sollen in ihrem Recht auf Grundversorgung und Unterbringung in einer geeigneten Unterkunft geschädigt worden sein.

Staatsanwalt Michael Schön
ORF
Staatsanwalt Michael Schön argumentierte, dass die Jugendlichen in ihrem Recht auf Grundversorgung geschädigt wurden

„Wünsche“ ließen keinen Spielraum

Auch wenn der für Integration zuständige Landesrat von „Wünschen“ gesprochen habe, handle es sich um Weisungen, hielt der Staatsanwalt fest. „Alles, was ich als Vorgesetzter (als oberstes Verwaltungsorgan, Anm.) weitergebe, ist eine Weisung, egal in welcher Form.“ In den Formulierungen sei kein Spielraum für Prüfungen gewesen. In der Anklage gehe es nicht um die hygienischen Zustände in der Unterkunft und auch nicht darum, ob Bewohner tatsächlich aus dem Quartier raus konnten, stellte Schön klar. Das Kindeswohl sei der entscheidende Faktor.

Die betroffenen Jugendlichen seien dem Landesrat „ein Dorn im Auge“ gewesen, der Freiheitliche habe deshalb eine „Sonderhandlung“ angestrebt, sagte Schön: „Der Politiker Waldhäusl darf sich äußern, wie er möchte. Nicht aber der Landesrat Waldhäusl.“ Als Landesrat sei der Angeklagte oberstes Verwaltungsorgan und mache sich strafbar, wenn er derartige Maßnahmen anordne und nicht im Sinne der Grundversorgung handle. Dass Waldhäusl davon sprach, der Stacheldraht solle die Jugendlichen schützen, wies der Staatsanwalt als „Schutzbehauptung“ zurück. Die weibliche Angeklagte habe ebenfalls wissentlich ihre Befugnisse missbraucht und Weisungen weitergegeben.

Der Staatsanwalt wies außerdem darauf hin, dass es sich bei Amtsmissbrauch um ein Tätigkeitsdelikt und nicht um ein Erfolgsdelikt handelt. Das bedeute, es geht um die Absicht, nicht darum, ob die Anweisungen umgesetzt wurden, erklärte Schön.

Verteidiger: „Keine Weisung“

Waldhäusls Verteidiger Manfred Ainedter ortete im Schlussplädoyer eine „unklare“ Rechtslage in Bezug auf die Eignung eines Quartiers. Zum Staatsanwalt sagte er: „Ich widerspreche ganz entschieden. In Wirklichkeit war diese Unterkunft geeignet.“ Weiters erklärte der Rechtsanwalt: „Der Stacheldraht hat überhaupt keine Rolle gespielt“, das hätten auch Zeugen angegeben. „Es gab keine Weisung vom Landesrat, sondern er hat einen politischen Wunsch geäußert“, so Ainedter. Weder Juristen noch der Betreiber hätten Einwände gehabt. Letztlich gab es „aus optischen Gründen eine Reihe Stacheldraht auf einem beweglichen Bauzaun“. Jedenfalls sei „kein Schädigungsvorsatz“ vorhanden gewesen, so Ainedter. Der Verteidiger beantragte einen Freispruch.

Philipp Wolm, Rechtsanwalt der ehemaligen Landesbediensteten, betonte, man könne seiner Mandantin nicht unterstellen, sie habe Flüchtlinge „bewusst in ihrer Grundversorgung schädigen“ wollen. Die 55-Jährige ist auch wegen Fälschung eines Beweismittels und Verleumdung angeklagt. Sie soll im Ermittlungsverfahren eine E-Mail unvollständig vorgelegt und so den Verdacht auf ihren Vorgesetzten gelenkt haben. Der Rechtsanwalt wies die Vorwürfe zurück und ersuchte um einen Freispruch für seine Mandantin.

Waldhäusl im Gericht
APA/BENEDIKT LOEBELL
Waldhäusl wurde wegen Amtsmissbrauchs angeklagt

Urteil: „Unterkunft nicht per se ungeeignet“

Der Schöffensenat hatte laut Richterin Silvia Pöchacker rechtlich zu beurteilen, ob ein geeignetes Quartier im Sinne des Grundversorgungsgesetzes vorlag. Das Kindeswohl stehe dabei an erster Stelle. „Wir sind zum Schluss gekommen, dass die Unterkunft nicht per se ungeeignet war“, begründete Pöchacker das Urteil. Die Jugendlichen seien nicht eingesperrt gewesen. „Ein Bauzaun in Betonschuhen mit einer Reihe Stacheldraht darüber stellt per se keine die Persönlichkeit destabilisierende Maßnahme dar“, meinte die Richterin. Nichtsdestotrotz sei der Stacheldraht „unnötig und entbehrlich“ sowie „ein unüberlegter politischer Wunsch“ gewesen.

„Nur weil etwas falsch ist, bedeutet das nicht, dass es strafbar ist“, hielt die Richterin fest. Der Hund in der Unterkunft sei „kein Wachhund“ und Liveüberwachungskameras seien außerhalb des Gebäudes angebracht gewesen. Es habe sich bei den „Wünschen“ des Landesrats sehr wohl um Weisungen gehandelt. Den genauen Inhalt dieser Weisungen habe man aber nicht im Detail feststellen können.

Wissentliches Handeln oder ein Schädigungsvorsatz konnte bei beiden Angeklagten aber nicht festgestellt werden. Die 55-jährige Zweitangeklagte wurde außerdem von den Vorwürfen der Beweismittelfälschung und der Verleumdung freigesprochen. Die Urteile des Landesgerichts sind nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab.

Waldhäusl zum Freispruch: „Gewitter ist vorbei“

Den Freispruch kommentierte der FPÖ-Politiker nach dem Prozess gegenüber noe.ORF.at: „Als Bauer würde ich sagen: Das Gewitter ist vorbei, die Wolken verziehen sich. Raus aufs Feld, weiterarbeiten.“

Waldhäusl bei Interview
ORF / Birgit Zrost
„Das Gewitter ist vorbei“, kommentierte Gottfried Waldhäusl den – nicht rechtskräftigen – Freispruch

Bei der Unterbringung von minderjährigen Geflüchteten arbeite man seit Jänner 2019 mit der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. „Solche Dinge wird es nie mehr zur Diskussion geben“, versicherte Waldhäusl, man habe beim Prozess etwas aufgearbeitet, was längst umgestellt wurde. An seinem Kurs in Sachen Asyl halte er fest: Sicherheit für Bewohner und Betreuerinnen in Unterkünften sowie für die Bevölkerung „werden auch in Zukunft eine große Rolle spielen“.