Stefan Panhans und Andrea Winkler schauen in ihrer ersten gemeinsamen Duo-Ausstellung in Österreich auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Erscheinungsformen und Kontexte dieses „neoliberalen Ethos“ der Eigenverantwortlichkeit und des privaten Survival-of-the-Fittest.
Wie sichert man sich gegen chronische Krisen ab?
In einem klug komponierten Ensemble aus Film, Fotografie, Performance und Installation zeichnen sie das Bild einer Gesellschaft, für die der Ausnahmezustand längst zur Regel geworden ist. „HIIIIIIIT“, so Katharina Brandl, die Kuratorin der Ausstellung, „spiegelt individuelle und gesellschaftliche Vorstellungen von Risikomanagement und Wehrhaftigkeit und fragt: Wie vollziehen wir unsere zwanghaften Versuche der Absicherung gegen chronische, systemische Krisen?“
Der Ausstellungstitel ist eine Anspielung auf den gleichnamigen zeitgenössischen Fitnesstrend des „High Intensity Interval Training“, kurz: HIIT, eine Form des Zirkeltrainings, die ein Maximum an Fettverbrennung und Muskelaufbau bei einem Minimum an zeitlichem Aufwand verspricht. Dass es in den vergangenen zwei Jahren Coronaviruspandemie weltweit zu einem regelrechten HIIT-Boom kam, überrascht nicht. Die Trainingseinheiten lassen sich bequem in den eigenen vier Wänden zwischen E-Meeting und Webinar erledigen.
„Das Zirkeltraining verspricht ‚explosive‘ Übungen, die effizient – mit größtem Output und geringem Zeitaufwand – Ergebnisse liefern sollen. Auf unser aller Navigieren in den Zeiten großer Unsicherheit bezogen, lässt uns dieser Trainingstrend fragen: Können wir überhaupt so viel trainieren, uns so gut anpassen, dass wir unserer krisenhaften Gegenwart standhalten können?“, heißt es auf der Website des Kunstraums Niederoesterreich.
Was ist Fiktion: „Border Control“ & „Pro Borders“
Wie schmal der Grat zwischen privater Fitness und Survival-Training mitunter sein kann, das zeigt Panhans‘ und Winklers Zwei-Kanal-Videoinstallation „Border Control“ (2021), in der eine Gruppe von Tänzerinnen sich performativ mit Trainingsprogrammen aus dem nationalen Grenz- und Katastrophenschutz auseinandersetzt. Erinnert wird unter anderem an die Grenzschutzübung „Pro Borders“ aus dem Jahr 2018, bei der Einheiten aus Bundesheer und Polizei die konzertierte Abwehr eines „Migrantenansturms“ auf die österreichische Grenze probten.
Seit 2017 arbeiten Stefan Panhans und Andrea Winkler vermehrt zusammen und schufen gemeinsam eine Reihe an überzeugenden Videoinstallationen, die neben Arbeiten der beiden Künstler erstmals in einer Duo-Ausstellung in Wien gezeigt werden. Die Ausstellung im Kunstraum Niederoesterreich in der Herrengasse 13 in Wien ist bis 26. November 2022 zu sehen.
Stefan Panhans lebt in Hamburg und Berlin. Er arbeitet vor allem mit den Medien Video und Fotografie „und untersucht in seiner Praxis die mediale Prägung unserer Gegenwart, die (Macht-)Struktur hinter Prozessen der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf unser Denken und unsere Körper“, heißt es in der Einladung zur Ausstellung. Andrea Winkler lebt ebenfalls in Hamburg und Berlin. Die Künstlerin arbeitet vor allem „in raumgreifenden Installationen, die szenographisch wirken. Sie rekontextualisiert die Semantik von Objekten, die choreografisch in den öffentlichen Raum eingreifen, wie Absperrbänder oder Ketten.“