Jennifer Scharinger
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CHRONIK

Erfolglose Suche: Junge Frau seit 2018 vermisst

Im Jänner 2018 ist die gebürtige Hollabrunnerin Jennifer Scharinger in Wien-Brigittenau spurlos verschwunden. Suchaktionen und Grabungsarbeiten der Polizei blieben ohne Erfolg. Die Ermittlungen wurden eingestellt, die Mutter will nicht aufgeben.

Die damals 21-jährige Scharinger verschwand am 22. Jänner 2018 in Wien-Brigittenau von der Bildfläche. Weil die junge Niederösterreicherin kurz davor nach Wien zog, ist in diesem Vermisstenfall auch das Landeskriminalamt Wien für die Ermittlungen zuständig.

Den Abend zuvor verbrachte Scharinger mit einer Freundin, erzählt ihre Mutter Brigitta Scharinger. „Dann hat Jenny noch ihre Freundin nach Hause begleitet nach Floridsdorf und hat dann selber die U-Bahn versäumt. Sie hat ihrem Freund geschrieben, ob er sie abholen kann, denn ihr eigenes Auto stand zu diesem Zeitpunkt bei der Reparatur.“

Verschwinden blieb zunächst unbemerkt

Ihr Freund holte Jennifer ab. In der Nacht um 1.16 Uhr schickte sie eine SMS mit einem Foto von ihr an ihre Freundin, mit den Worten „bin save“. Warum sie in der SMS „safe“ fälschlicherweise mit „v“ schrieb, bleibt für ihre Mutter ein Rätsel. Möglicherweise habe sie die Nachricht gar nicht mehr selbst geschrieben, mutmaßt Jennifers Mutter. Das Handy wurde später in Jennifers Wohnung sichergestellt.

„Spurlos“

Der ORF Niederösterreich berichtet von 24. bis 28. Oktober im Schwerpunkt „Spurlos“ über Vermisstenfälle.

Jedenfalls war jenes SMS das letzte Lebenszeichen von Scharinger. Ob es in jener Nacht zu einem Streit mit ihrem Freund kam, ist unklar. Scharingers Verschwinden blieb zunächst unbemerkt. Die junge Frau hatte ein paar Tage Urlaub, erst als sie nicht zur Arbeit erschien, schlug ihr Chef Alarm.

„Es hat eine Woche gedauert, bis Jenny abgängig gemeldet wurde, und eine Woche darauf hat die Hausmeisterin gemeint, sie hat Jenny genau am Tag des Verschwindens noch im Stiegenhaus gesehen“, so Brigitta Scharinger. Sie sei blass gewesen und habe nur schnell hinaus gewollt, erzählt die Mutter der Vermissten.

Brigitta Scharinger
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Brigitta Scharinger nahm die Suche nach ihrer Tochter selbst in die Hand

Merkwürdige Beziehung zu Freund

Später stellte sich heraus, dass diese Begegnung möglicherweise an einem anderen Tag gewesen sein könnte. Laut Brigitta Scharinger wurden im Zuge der Ermittlungen merkwürdige Details über die Beziehung zwischen Jenny und ihrem Freund bekannt. Die Polizei habe das Handy des Freundes untersucht – da seien die Ermittler dahinter gekommen, dass das Handy mit einem Bewegungsmelder ein- und ausgeschaltet worden war und dass eine Kamera mit dem Handy verbunden gewesen sei.

Diese Kamera hätten die Ermittler dann in einer Schachtel mit Loch auf einem Kasten versteckt gefunden. Außerdem sei eine zweite Kamera entdeckt worden. Es habe sich schließlich herausgestellt, dass Nacktaufnahmen von Jenny gemacht worden waren, so die Mutter der Vermissten.

Zudem sei durch die Ermittlungen bekannt geworden, dass Jennifers Freund vor ihrem Verschwinden im Internet nach Begriffen wie K.o.-Tropfen gegoogelt habe. Er habe das selbst einmal ausprobieren wollen, soll er bei der Polizei ausgesagt haben, schildert Scharinger. Laut Handydaten soll er nach Jennifers Verschwinden mit dem Auto im Bezirk Hollabrunn unterwegs gewesen sein.

Leichenspürhunde schlugen an mehreren Stellen an

Beweise dafür, dass der Freund mit dem Verschwinden der jungen Frau zu tun hat, gibt es nicht. Die Polizei suchte trotzdem großflächig Waldgebiete im Bezirk Hollabrunn ab. Auch Leichenspürhunde kamen zum Einsatz und schlugen an mehreren Stellen an. Grabungsarbeiten wurden durchgeführt, aber ohne Erfolg.

Als die Ermittlungen eingestellt wurden, begann Scharinger die Suche auf eigene Faust fortzusetzen. Sie suchte Meter für Meter jenes Waldgebiet ab, in dem sie die Leiche ihrer Tochter vermutete: „Ich gehe nicht mit dem Vorsatz hin, dass ich jetzt die Jenny finde, sondern es ist immer ein Ausschlussverfahren. Ich kann dann sagen: ‚Okay, das habe ich abgehakt, bis daher bin ich mir sicher, dort ist sie nicht‘“, so Scharinger.

Jennifer Scharinger
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Von Jennifer Scharinger fehlt bis heute jede Spur

Das Landeskriminalamt Wien gibt zu diesem Fall kein Interview. Die Mutter der Vermissten ist enttäuscht darüber, dass die Ermittlungen eingestellt wurden – das sei auch gesellschaftspolitisch unverständlich, sagt Scharinger. „Es gibt so viele Fälle vermisster Frauen, die aber nicht zur Statistik der Femizide zählen. Ich denke aber, dass das gesellschaftlich so relevant ist, dass auch diese Fälle aufgeklärt werden, damit man weiß, was mit den vermissten Mädchen passiert ist. Man kann gar nicht nachvollziehen, wie es ist, wenn diese Ermittlungen eingestellt werden und nichts mehr passiert.“

Mutter fühlt sich von Ermittlern im Stich gelassen

Scharinger nahm das Verschwinden ihrer Tochter schwer mit. Sie ist gesundheitlich gezeichnet und fühlt sich von den Ermittlern in Wien im Stich gelassen. Sie habe mehrmals nachgefragt, wie es denn jetzt weitergehe. Man habe ihr gesagt, man werde sich um ihre Anfrage kümmern.

„Dieses ‚darum kümmern‘ kann ich schon nicht mehr hören. Da sagt man den Eltern, dass man sich darum kümmern werde, aber man erfährt nie wieder etwas“, so die Mutter. Scharinger hofft, dass sich doch noch jemand bei der Polizei meldet und konkrete Hinweise zu Jennifers Verschwinden geben kann. Insgeheim wünscht sie sich das beinahe unmöglich Scheinende: „Vom Verstand her weiß ich, dass sie nicht mehr lebt. Durch meine Krankheit bin ich zum Beten gekommen. Wenn ich eine Bitte nach oben richten kann, dann wünsche ich mir nur, dass sie noch lebt.“