Wirtschaft

Eichtinger: Arbeitslosigkeit wird steigen

Die Arbeitslosigkeit ist erneut deutlich gesunken. 45.000 Menschen waren im September in Niederösterreich ohne Job beziehungsweise in Schulungen – um 13 Prozent weniger als vor einem Jahr. Laut Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP) steht aber eine Wende bevor.

Die Arbeitslosenquote liegt im Bundesland mit 5,2 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 2008. Bei den Langzeitarbeitslosen zählt das Arbeitsmarktservice Niederösterreich (AMS NÖ) derzeit 6.000 Betroffene. Gleichzeitig gibt es viel mehr freie Lehrstellen als Lehrstellensuchende: 56,2 Prozent mehr offene Lehrstellen als im Vorkrisenjahr 2019 und gleichzeitig um 17,4 Prozent weniger Lehrstellensuchende – mehr dazu in Arbeitsmarkt bleibt weiterhin stabil (noe.ORF.at; 3.10.2022).

Die Situation ist also positiv, aber das AMS NÖ rechnet in den kommenden Monaten mit einem Abschwung am Arbeitsmarkt. Auch der für den Arbeitsmarkt zuständige Landesrat Martin Eichtinger geht von so einer Entwicklung aus, wie er im Interview in der Fernsehsendung „NÖ heute“ sagt.

noe.ORF.at: Die Zahlen sind gut, aber sie werden es nicht bleiben – wegen der Unsicherheiten was den Ukraine-Krieg betrifft, die Energiefragen, die Teuerung. Wann rechnen Sie, dass der Punkt erreicht ist, wo sich die Zahlen verschlechtern werden?

Martin Eichtinger: Das hängt natürlich von der Wirtschaftsentwicklung ab. Aber wir haben gesehen, dass wir auf einem sehr, sehr niedrigen Niveau der Arbeitslosigkeit sind – 20 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. Das heißt, selbst wenn die Arbeitslosigkeit steigen würde, würde sie von einem sehr, sehr niedrigen Niveau steigen und wir müssen erst abwarten, wann das der Fall sein wird.

noe.ORF.at: Erklärte Schwerpunkt sind immer die jungen Menschen, aber auch die Langzeitarbeitslosen. Wie liegt man da?

Eichtinger: Wir liegen da extrem gut. Wir liegen bei den Langzeitarbeitslosen 33 Prozent unter den Zahlen von 2019. Das ist sehr erfreulich. Damit haben wir auch die niedrigste Langzeitarbeitslosigkeit unter den Bundesländern, den stärksten Rückgang bei der Langzeitarbeitslosigkeit. Und auch bei den Jugendlichen gibt es eine sehr erfreuliche Situation.

noe.ORF.at: Wenn sich die Zahlen nun verschlechtern sollten aufgrund der allgemeinen Wirtschaftssituation, was kann man da noch tun, um diesen Abfall zu mildern, zu dämpfen? Es gibt ja zahlreiche Programme, die jetzt schon laufen.

Eichtinger: Nun, zum einen rechnen wir damit, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit, wenn er kommt, bei weitem nicht so hoch sein würde wie in den Krisenjahren – zum Beispiel 2008. Weil wir derzeit sehr, sehr viele offene Stellen haben, über 20.000, aber auch, weil viel weniger neue Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Denn wir haben derzeit die geburtenschwachen Jahrgänge.

Wir haben aber natürlich auch sehr gute Programme seitens des AMS Niederösterreich, der Sozialpartner und des Landes Niederösterreich. Hier geht es vor allem darum, dass wir Beschäftigungsprogramme haben, die ganz spezifisch in den einzelnen Regionen auf die Notwendigkeiten eingehen und wir hier auf diese Weise natürlich am Arbeitsmarkt viel besser die Situation beeinflussen können.

Martin Eichtinger im „NÖ heute“-Studio
ORF
Landesrat Eichtinger (r.) Montagabend im Fernsehstudio von „NÖ heute“ mit Moderator Werner Fetz

Sanktionen „auf jeden Fall weiterführen“

noe.ORF.at: Wenn man über die Wirtschaft in diesen Tagen und Wochen diskutiert, dann werden immer wieder die Sanktionen gegen Russland genannt. Ich frage Sie auch als ehemaliger Diplomat: Muss man diese Sanktionen überdenken? Schaden die dem Wirtschaftsstandort mehr, als sie nützen?

Eichtinger: Angesichts dieses eklatanten Völkerrechtsbruchs, dieses Aggressionskrieges, den Russland gegen die Ukraine führt, und jetzt die völkerrechtswidrige Annexion dieser vier Regionen in der Ukraine, muss der Westen eine klare, geschlossene Antwort geben. Ich bin sehr froh, dass wir in der Europäischen Union hier sehr einig sind. Und ja, wir wissen, die Sanktionen wirken in Russland sehr, sehr stark. Die russische Wirtschaft geht wirklich sehr stark zurück und daher werden wir die auf jeden Fall weiterführen müssen.

noe.ORF.at: Die letzten Monate haben auch gezeigt, dass es einen Mangel an Arbeitskräften durch ganze Branchen hindurch gibt. Was kann man da unternehmen, auch für die Zeit nach einer allfälligen Krise gedacht?

Eichtinger: Den Mangel an Arbeitskräften bekämpfen wir dadurch, dass wir sehr spezifische Programme entwickeln, zum Beispiel für die Jugendlichen unsere Lehrlingsoffensive. Wir haben aber auch in unserer Menschen und Arbeit GmbH, das ist das Kompetenzzentrum des Landes Niederösterreich, einen Kompetenzkompass und -atlas entwickelt, wo wir schauen, welche Fähigkeiten und Talente die einzelnen Jugendlichen und Personen in Arbeitslosigkeit haben. Denn bei so vielen offenen Stellen geht es darum, dass wir die richtigen Personen an den richtigen Ort in der Wirtschaft kriegen. Es geht um dieses Matching und da sind wir, glaube ich, sehr gut aufgestellt mit unserem Kompetenzatlas und unserem Kompetenzkompass.