Gericht

Prozess gegen Jugendheim-Geschäftsführer vertagt

Der ehemalige Geschäftsführer der Therapeutischen Gemeinschaften (TG) hat sich am Donnerstag vor dem Landesgericht Wr. Neustadt wegen sexueller Übergriffe verantworten müssen. Der 55-jährige bekannte sich nicht schuldig. Der Prozess wurde vertagt.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten den Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses als Betreuer und Psychotherapeut vor. Die sexuellen Übergriffe auf einen Jugendlichen sollen von 2009 bis 2017 angedauert haben – mehr dazu in Prozess gegen Jugendheim-Geschäftsführer gestartet (noe.ORF.at, 30.09.2022).

Der ehemalige Geschäftsführer bekannte sich am Donnerstag vor Gericht nicht schuldig. Der Mann stellte die Glaubwürdigkeit des jugendlichen mutmaßlichen Opfers, das eine Persönlichkeitsstörung habe und schwierig zu betreuen gewesen sei, infrage. Der Prozess wurde deshalb vertagt, um die Gutachterin zu befragen. Diese hatte den Teenager sehr wohl als glaubhaft beschrieben. Im November oder Dezember soll das Verfahren fortgesetzt werden.

Angeklagter bestritt Vorwürfe

Obwohl der Jugendliche nur knapp 90 Tage in der Wohneinrichtung verbracht hat, soll es laut Anklage danach über mehrere Jahre immer wieder Kontakt und Treffen mit dem ehemaligen Leiter gegeben haben. Die Therapeutischen Gemeinschaften hätten allen Klienten eine Nachbetreuung angeboten, sagte der Angeklagte dazu. Nicht er habe den Kontakt gesucht, sondern der Teenager, der immer wieder vor der Tür gestanden sei und dem man bei Problemen geholfen habe. Zwei oder drei Mal habe er diesen aufgrund zahlreicher Einladungen auch zu Hause besucht.

„Er war ein psychiatrisch beeinträchtigter Patient. Unser Ziel war es, dass er nicht völlig den Bach runter geht“, sagte der 55-Jährige. Er selbst sei Geschäftsführer gewesen, nicht Betreuer oder Therapeut. In einem Gespräch, das der Jugendliche heimlich aufgenommen habe, habe dieser ihn mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs konfrontiert. Dabei habe er den Eindruck gehabt, der Teenager sei „zu“ und habe Angst bekommen, so der Angeklagte.

„Es ging mir nur um Deeskalierung“, betonte der 55-jährige. Deshalb habe er die Vorwürfe nicht sofort entschieden zurückgewiesen. Er stehe auch dazu, dass er damals gesagt habe, er habe den Jugendlichen geliebt: „Ich hab jedes einzelne Kind geliebt, ohne diese grundsätzliche Liebe kann man keine Arbeit im sozialen Bereich machen“, so der ehemalige Geschäftsführer.

„Glaubwürdige“ Schilderungen des Jugendlichen

Ein Familienintensivbetreuer, dem der Jugendliche von einer sexuellen Handlung erzählt hatte, sagte vor Gericht: „Aus meiner Sicht sind die professionellen Standards in dieser Beziehung nicht eingehalten worden.“ Er habe die Erzählungen für glaubwürdig gehalten und seine Beobachtungen dem Jugendamt gemeldet, hieß es beim Prozess.

Die Einrichtungen der Therapeutischen Gemeinschaften in Niederösterreich waren 2018 aufgrund der mutmaßlichen Missstände geschlossen worden. Die Betreibergesellschaft schlitterte daraufhin in die Insolvenz. Der ehemalige Geschäftsführer ging in Privatkonkurs.