Weinrebe nah vor Weißenkirchen im Juli 2022, Regentropfen auf den Blättern
ORF/Nina Pöchhacker
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umwelt & klima

EU-Verordnung: Weinbauern vor dem Aus?

Die EU-Kommission möchte den Einsatz von Pestiziden bis 2030 halbieren und in sensiblen Gebieten generell verbieten. Fast ein Viertel der niederösterreichischen Weinbaufläche könnte von dem Verbot betroffen sein. Weinbauern rechnen mit gravierenden Folgen.

Pestizide sollen vor allem eines: Schädlinge töten. Seit Jahrzehnten werden sie in der Landwirtschaft verwendet, um Schädlinge und Pilze zu beseitigen. Nur weiß man inzwischen, dass ihre Wirkung über das Ziel hinausschießt. Sie schädigen auch die Umwelt sowie die menschliche Gesundheit. Eine Abkehr von Pestiziden wird daher nicht nur von Umweltschutzorganisationen gefordert.

Die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ist in der EU seit 2009 in der Sustainable Use Directive festgeschrieben – eine Regelung, der auch Österreich zugestimmt hat. Weil die Vorgaben von den Mitgliedsstaaten aber nicht oder nicht ausreichend umgesetzt wurden, hat die EU-Kommission im Juni 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung veröffentlicht, die verpflichtend umzusetzen wäre: die Sustainable Use Regulation.

Global 2000: „Emotionale und populistische Diskussion“

Dieser Vorschlag umfasst neben der 50-prozentigen Reduktion von chemischen Pestiziden bis 2030 auch ein generelles Verbot von Pestiziden in „empfindlichen Gebieten“, zum Beispiel in öffentlichen Parks, auf Spielplätzen, in Schulen oder „Natura 2000“-Regionen. In einigen Mitgliedsstaaten werde diesbezüglich gerade „eine emotionale und teilweise auch populistische Diskussion geführt“, heißt es von der Umweltschutzorganisation Global 2000. Nun kommen auch aus Niederösterreich kritische Stimmen.

Eine mit Pollen beladene Biene fliegt zurück in ihren Bienenstock
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
Pestizide töten nicht nur Schädlinge, sondern auch Insekten wie Bienen oder Schmetterlinge

„Hochproblematisch“ sei das generelle Verbot in „Natura 2000“-Gebieten, meint etwa der EU-Abgeordnete Alexander Bernhuber (ÖVP). Denn allein in Niederösterreich wären zwölf Prozent der Ackerfläche und rund 23 Prozent der Weinbaufläche betroffen, darunter die Wachau, das Kamptal sowie die Regionen um Retz (Bezirk Hollabrunn), Gumpoldskirchen (Bezirk Mödling) und Baden. Sollte das „Totalverbot“ kommen, würde den Wachauer Betrieben 2025 das Aus drohen, so Bernhuber. Sie bauen nämlich auf „Natura 2000“-Gebiet an.

Vorschlag wird im EU-Parlament verhandelt

Derzeit wird der Vorschlag der Kommission im Umweltausschuss des EU-Parlaments verhandelt. Sarah Wiener (Grüne), die den Vorschlag der Kommission als Berichterstatterin für das EU-Parlament verhandelt, gibt gegenüber noe.ORF.at an, dass dieser nachgeschärft und angepasst werden müsse, „auch in Bezug auf Schutzgebiete und ihre genaue Definition, welche und ob Landwirtschaft darin möglich sein darf und kann“.

Laut EU-Parlamentarier Günther Sidl (SPÖ) habe das „Pestizidverbot in ‚Natura 2000‘-Gebieten absolut Sinn. Es gibt ständig Versuche, dies aufzuweichen. Es werden leider in ganz Europa mehr Pestizide statt weniger ausgebracht.“ Von Claudia Gamon (NEOS) heißt es allgemein, dass eine starke Reduktion von Pestiziden „natürlich grundsätzlich sehr zu befürworten“ sei. „Allerdings wird man auch abwägen müssen, welche Mittel tatsächlich ersetzbar und welche unverzichtbar sind“, so Gamon.

Ein Landwirt führt mit einer Dünger- und Pestizidspritze über ein Feld mit jungem Getreide
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
Das Europäische Parlament muss sich mit Kommission und Ministerrat zum Thema Pestizide einig sein – das könnte Jahre dauern

„Riesenflut“ an Abänderungsanträgen zu erwarten

Wiener rechnet mit einer „Riesenflut“ von mindestens mehreren hundert Abänderungsanträgen. Danach muss sich das Parlament mit der Kommission und dem Ministerrat in einem „Trilog“ einigen. Es dürfte also noch Monate, wenn nicht sogar Jahre dauern, bis die neue EU-Verordnung verabschiedet wird – und bis klar ist, was der Landwirtschaft für den Umweltschutz wirklich abverlangt wird.

Laut Global 2000 wäre der „Einsatz von in der Biolandwirtschaft zugelassenen, natürlichen Pestizidwirkstoffen sowie von Pestiziden mit niedrigem Risiko“ auf landwirtschaftlich genutzten „Natura 2000“-Flächen jedenfalls vertretbar.