Nach Auszählung der Briefwahlstimmen kommt Alexander Van der Bellen in Niederösterreich auf 54,06 Prozent der Stimmen. Der zweitplatzierte Walter Rosenkranz (FPÖ) erhielt 18,57 Prozent. Tassilo Wallentin ist mit 8,77 Prozent der Stimmen nur knapp vor Dominik Wlazny mit 8,65 Prozent. Gerald Grosz kommt auf 5,77 Prozent und Michael Brunner (MFG) auf 2,15 Prozent. Die wenigsten Stimmen erhält Heinrich Staudinger mit 2,01 Prozent. Insgesamt gaben in Niederösterreich 940.117 Menschen ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung lag damit bei 72,63 Prozent.
In Niederösterreich stimmten 73 Prozent der Grün-Wählerinnen und Grün-Wähler der letzten Nationalratswahl für Alexander van der Bellen, ebenso 72 Prozent der SPÖ-Wähler, zwei Drittel der NEOS-Wähler und 64 Prozent der ÖVP-Wählerinnen und ÖVP-Wähler. Dass Van der Bellen in Niederösterreich auch viele Wähler der Volkspartei überzeugen konnte, sei nicht überraschend gewesen, sagt Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik: „Die ÖVP hat keinen eigenen Kandidaten aufgestellt und Alexander Van der Bellen hat einen sehr starken Wahlkampf geführt, der auf Stabilität ausgerichtet war. Man wollte hier wohl auch die Personen abholen, die mit der Amtsführung – sei es die Regierung, sei es der Bundespräsident – zufrieden waren.“
Außerdem verweist Praprotnik gegenüber noe.ORF.at auf die ORF-Wahltagsbefragung. Sie habe gezeigt, dass die Menschen, die mit der Politik in Österreich zufrieden sind, Van der Bellen ihre Stimmen gaben. Gleichzeitig seien Menschen, die zuvor die ÖVP gewählt haben, tendenziell zufriedener mit der Politik, da die ÖVP derzeit ja auch in der Bundesregierung ist.
Stabilität versus Veränderung
Von den früheren FPÖ-Wählerinnen und FPÖ-Wählern gaben in Niederösterreich 51 Prozent ihre Stimme dem von der FPÖ nominierten Kandidaten Walter Rosenkranz. „Das rechte Spektrum war bei dieser Bundespräsidentenwahl sicherlich sehr, sehr breit“, so die Politikwissenschafterin. „Das sehen wir auch im Wahlverhalten, dass Menschen, die rechts der Mitte eingestellt sind, sich aufgeteilt haben und nicht nur dem FPÖ-Kandidaten ihre Stimme gegeben haben.“ Diesen Wählerinnen und Wählern sei es unter anderem darum gegangen, für Veränderung zu stimmen.
Gefragt, was man aus der Bundespräsidentenwahl möglicherweise für die Landtagswahl in Niederösterreich schließen könne, meinte Praprotnik, dass die Landtagswahl aus Sicht der ÖVP ein sehr herausfordernde werden könnte. „Man stellt sich jetzt zur Wahl in Zeiten großer Krisen und großer politischer Unzufriedenheit. Das hilft im Normalfall eher den Herausforderern und nicht den Amtsinhabern“, so die Politikwissenschafterin. Die Bundespräsidentenwahl sei mit einer Landtagswahl aber nicht eins zu eins vergleichbar, weil die Aufgaben andere sind. Bei einem Bundespräsidenten gehe es weniger um das politische Tagesgeschäft.
Trend zu „Quereinsteigern“ in der Politik
Laut Praprotnik dürfte sich der Trend, dass Menschen kandidieren, die nicht aus einer etablierten Partei kommen, künftig fortsetzen. Das liege daran, dass die Bereitschaft, andere Parteien zu wählen, in Österreich in den vergangenen Jahren klar gestiegen ist. „Da kann eine Person, die zwar nicht von der politischen Bühne, aber aus der medialen Bühne oder auch aus der wirtschaftlichen Bühne bereits bekannt ist, bei den Menschen sehr rasch Erfolge erzielen“, so die Politikwissenschafterin.
Meist seien das aber keine langfristigen Phänomene, sagt Praprotnik gegenüber noe.ORF.at. Vielmehr würden diese Menschen und Parteien oftmals kurzfristige Erfolge einfahren, insbesondere weil die Unzufriedenheit derzeit sehr hoch ist.