Windräder im Sonnenuntergang aufgenommen am Donnerstag 21. April 2022 in Niederösterreich
APA/HARALD SCHNEIDER
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Wirtschaft

Niederösterreich will energieunabhängig werden

Niederösterreich will in Sachen Energie komplett unabhängig werden. Gelingen soll das mit einem milliardenschweren Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Biomasse. Die Effizienz von Klein-Wasserkraftwerken will man erhöhen, neue Stromleitungen errichten.

Günstigere Preise, eine höhere Versorgungssicherheit und Klimaschutz – das sind im Wesentlichen die drei Gründe, warum das Land den Weg in Richtung Energieunabhängigkeit forciert, wurde am Dienstag betont. „Wir wollen für Niederösterreich das größte und schnellste Ausbauprogramm für Wasser, Wind, Sonne und Biomasse von ganz Österreich", sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

Fünf konkrete Maßnahmen wurden am Dienstag präsentiert. Zum Ersten soll die Windkraft massiv ausgebaut werden – bis 2030 will man eine Verdoppelung erreichen, bis 2035 eine Verdreifachung. Im ersten Schritt ist der Bau von 250 neuen Windrädern geplant, bestehende Anlagen sollen modernisiert werden, sodass Platz für 100 weitere Windräder bei bereits bestehenden Windparks geschaffen wird.

5,6 Milliarden Euro für Windkraft und Photovoltaik

Zweitens soll die Photovoltaik-Leistung bis 2030 um 350 Prozent gesteigert werden – das bedeute etwa 130.000 zusätzliche Anlagen in Niederösterreich. Bereits heute gebe es 70.000 PV-Anlagen im Land, das entspreche einer Steigerung von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, betonte der für Umweltangelegenheiten zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). In den Ausbau von Windkraft und Photovoltaik fließen 5,6 Milliarden Euro, hieß es.

Drittens will man in die Klein-Wasserkraftwerke investieren. Neue Wasserkraftwerke sollen nicht gebaut werden, die Effizienz der bestehenden soll aber erhöht werden. Die Modernisierung des Donaukraftwerks Ybbs-Persenbeug brachte etwa zusätzlichen Strom für 77.000 Haushalte, sagte Pernkopf.

Bei der Pressekonferenz im NÖ Landhaus: Wirtschaftsforscher Christian Helmenstein, LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur Franz Angerer
NLK Pfeffer
Bei der Pressekonferenz am Dienstag: Wirtschaftsforscher Christian Helmenstein, LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und der Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur Franz Angerer (v.l.)

„Viertens werden wir in Biomasse investieren“, so die Landeshauptfrau. „Bis 2030 werden weitere 200 Anlagen errichtet.“ Pernkopf berichtete von 813 Anlagen in Niederösterreich: „Diese Anlagen ersparen uns pro Jahr 20.000 Tanklastzüge an Heizöl.“ Alleine heuer werde man zehn neue Heizwerke errichten.

Neue, stärkere Stromleitungen

Als letzte Maßnahme wurden am Dienstag „neue, stärkere Leitungen" genannt. „Wir wollen auch weiterhin die Leitungskapazität und somit in die Netzsicherheit investieren", so Mikl-Leitner. Insgesamt sollen zu den derzeit 92 Umspannwerken der EVN 40 weitere hinzukommen. „Wir bekennen uns ganz klar dazu, dass wir Leitungen bauen müssen. Denn das Thema Energiewende ist vom Umweltthema auch zum Sicherheitsthema geworden“, so Pernkopf.

Der Wirtschaftsforscher Christian Helmenstein informierte am Dienstag über das Thema Windkraft und verwies auf die Bedeutung des Re-Powering – das heißt bestehende Windräder werden durch neue, effizientere ersetzt. „Alle vier Jahre sind wir doppelt so leistungsfähig in der Windkraft als vier Jahre früher.“

Aus dem Betrieb der niederösterreichischen Windkraftanlagen entstehe pro Jahr eine Wertschöpfung von 496 Millionen Euro, etwa 91 Prozent davon ließen sich Niederösterreich zuordnen. Darüber hinaus würden aus der Windkraft in Niederösterreich „über 1.000 zusätzliche Jobs“ entstehen.

„Abhängigkeitsproblem“ von Energie-Importen

Franz Angerer, der Geschäftsführer der Österreichischen Energie-Agentur, sprach von einem „Abhängigkeitsproblem“ von Energie-Importen. Der Ausbau der Erneuerbaren Energie sei zwar erfolgreich, aber auch der Verbrauch habe sich erhöht: „Da Energiesystem ist nur global zu sehen. Probleme können nur europäisch gelöst werden, aber wir brauchen auch nationale Aktivitäten und Aktivitäten in den Bundesländern.“ Es gebe ein „Zusammenspiel von internationalen Notwendigkeiten und nationalen und regionalen Engagements“, so Angerer.

Umweltorganisationen fordern mehr Maßnahmen

Die Umweltschutzorganisation Global 2000 begrüßte in einer Aussendung den angekündigten stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien. Gefordert wurde aber ein verbindlicher Ausstiegsplan aus Öl- und Gasheizungen als nächster wichtiger Schritt zur Energiewende.

Fridays for Future (FFF) bezeichnete die Ziele in einer Aussendung als „deutlich zu niedrig“. Niederösterreich tue damit nur, „was es nach den Bundeszielen für das Erneuerbaren Ausbau Gesetz ohnehin tun muss, schöpft seine Möglichkeiten aber bei weitem nicht aus“, meinte Johanna Frühwald von FFF St. Pölten. Vermisst wurden ein gesetzlich verankertes Ziel zur Klimaneutralität bis 2040 und verbindliche Aussagen zur Senkung der Treibhausgase, wie auch die Plattform „KlimaNÖtral“ mitteilte.

Die IG Windkraft begrüßte „den neuen Rückenwind in Niederösterreich“. Die Ansagen zur Windkraft könnten aber nur ein erster Schritt sein, so Geschäftsführer Stefan Moidl. „Wir brauchen angesichts einer akuten Energiekrise mehr Ambitionen.“