Baden Musical Neun Premiere
Gregor Nesvadba
Gregor Nesvadba
Kultur

Baden: Standing Ovations für Musical „Neun“

Die Bühne Baden ist mit dem Musical „Neun“ in die Herbstsaison gestartet. Das Musical hat dabei nicht nur in Baden, sondern gleich in ganz Österreich Premiere gefeiert – mit Erfolg, wie die Standing Ovations nach der Vorstellung zeigten.

„Neun“ handelt vom 40 Jahre alten italienischen Regisseur Guido Contini, der einst vom Erfolg verwöhnt war. Mittlerweile steckt er in einer Lebens- und Schaffenskrise. Nach mehreren gefloppten Filmen steht er unter Druck, endlich wieder einen Erfolgsfilm vorweisen zu können. Allerdings hat er keine Idee, wovon sein nächster Film, dessen Vertrag er bereits unterschrieben hat, handeln soll.

Hinzu kommen die privaten Probleme Continis. Seit 20 Jahren ist er mit seiner Frau Luisa verheiratet. Sie weiß um seine zahlreichen Affären, steht aber trotzdem hinter ihm. Contini kann sich nach wie vor für keine Frau entscheiden. Inmitten seiner massiven Krise verschwimmen für ihn Erinnerungen und Fantasien mit der Realität – und überall spielen Frauen eine große Rolle.

Toxische Männlichkeit als Hauptthema

Recht schnell wird in dem Musical klar: Frauen waren in Continis Leben immer ein wichtiges Thema. Da gibt es etwa die Mutter, deren Lieblingssohn er ist, eine frühere Geliebte und bekannte Schauspielerin, seine Agentin, die ihn ordentlich unter Druck setzt, eine Prostituierte, die er mit neun Jahren traf, seine aktuelle Geliebte und nicht zuletzt seine Ehefrau. Sie alle haben Continis Leben geprägt, doch auch mit 40 Jahren kann er sich für keine der Frauen entscheiden.

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Eine Frau ist für Guido Contini nicht genug

„Das Stück handelt von Toxic Masculinity (toxische Männlichkeit, Anm.). Von klein an, ab dem neunten Lebensjahr, hört Guido nur, dass er wunderbar ist, dass die Welt ihm gehört und dass alles, was er berührt, beginnt, überlegt grandios ist“, beschreibt Hauptdarsteller Drew Sarich seine Rolle und sieht deutliche Parallelen zur Realität: „Das ist ein bisschen das Problem heutzutage, wie Jungs ganz oft erzogen werden. Frauen sind nur da, um einen zu beglücken, Karriere und Ambitionen sind alles.“

Wie sich die Frauen in seinem Leben dabei fühlen, hinterfragt seine Rolle Guido Contini nicht. Für Michael Lakner, den künstlerischen Leiter der Bühne Baden, wird das an einer Stelle ganz besonders ersichtlich: „Es gibt eine Szene, wo Guido sagt: Ich kann nicht leben ohne dich, und dann kommen drei Frauen, eine nach der anderen. Eigentlich sagt er, er kann ohne diese drei Frauen nicht leben, aber es sind ja sogar mehr Frauen in seinem Leben, die eine Rolle spielen.“

Unkonventionelles, tiefenpsychologisches Musical

Im Musical finden sich die unterschiedlichsten Formen der Liebe wieder: Die bedingungslose Mutterliebe, die gekaufte Liebe einer Prostituierten, eine alte Liebe, eine Liebe, die mehr Begierde ist – und die wahre Liebe zu seiner Frau. Doch als Guido erkennt, dass er seine Frau Luisa liebt, ist die Beziehung in ihren Augen bereits gescheitert.

„Meine Partei hat sehr viel Hoffnung, dass es wieder besser wird in unserer Beziehung, weil er mich seit 20 Jahren belügt und betrügt“, sagt „Luisa Contini“-Darstellerin Milica Jovanović. Ob die späte Einsicht ihres Mannes genügt? Die behandelten Themen sind jedenfalls harter Tobak für ein Musical.

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Guido Contini betrügt seine Frau Luisa seit Jahren
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Seine aktuelle Geliebte ist Carla Albanese
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Schon in seiner Kindheit haben Frauen Guidos Leben nachhaltig geprägt, vor allem seine Mutter
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Bereits mit neun Jahren erkauft sich Guido bei einer Prostituierten Liebe

„1999 wurde es im deutschsprachigen Raum in Berlin am Theater des Westens aufgeführt und seitdem liegt es in der Schublade, was ich nicht verstehe, weil die Musik einfach großartig ist“, sagt Regisseur Ramesh Nair. „Das Stück ist keines dieser kommerziellen Musicals, wie man sie so kennt, sondern ist sehr tiefenpsychologisch und vielleicht auch schwer zu besetzen – ein Mann und acht Frauen.“

Geglückte Österreich-Premiere für „Neun“

Auf die Idee, eben jenes Musical erstmals in Österreich zu spielen, habe ihn Drew Sarich gebracht, erzählt Michael Lakner. „Ich habe mir gedacht: Das ist ein schweres Stück, weil es ja keine lineare Geschichte ist, es sind ja Zustände, die wir hier sehen, viele Reminiszenzen, es ist auch sehr verwirrend.“ Doch mit Hauptdarsteller Drew Sarich und „der Crème de la Crème unserer weiblichen Musical-Gemeinde – dann wird das funktionieren“, so Lakner.

Die Umsetzung sei eine Herausforderung gewesen, sagt Ramesh Nair: „Die Schwierigkeit ist, die Fiktion und die Realität dieses Stückes in einem Musical unterzubringen und szenisch gut rüberzubringen. Ich glaube, dass uns das ganz gut gelungen ist.“

Die an dem Musical Beteiligten sind außerdem überzeugt davon, dass das Musical nicht nur Unterhaltung bietet, sondern auch zum Nachdenken anregt. „Man kann viel mitnehmen“, so etwa Anna Overbeck, die „Mama Maddalena“, die Chefin der Zimmermädchen in jenem Kurhotel spielt, in dem Continis neuer Film gedreht werden soll. „Ich persönlich nehme viel in Beziehungsfragen mit, weil das viel aufgeworfen hat. Das Größte, was ich mitnehme, ist, sich mit Respekt zu behandeln.“

Dass man sich mit dem eher unkonventionellen Musical rund um einige ernste Themen auf neues Terrain bewegt, macht sich schließlich bezahlt. Denn für die Österreich-Premiere von „Neun“ in Baden gibt es letztendlich nicht nur Applaus, sondern auch Standing Ovations.