OMV-Pilotprojekt Geothermie
ORF/Felix Novak
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Umwelt & Klima

OMV testet Heißwasser aus 2.900 Meter Tiefe

Die Geothermie bzw. Erdwärme gilt als klimafreundliche Zukunftshoffnung, um unabhängiger vom Gas zu werden. Großes Potenzial gibt es im Weinviertel, wo die OMV bislang nur Gas und Öl fördert. Ein Pilotprojekt leitet nun einen Strategiewechsel ein.

In Laa an der Thaya (Bezirk Mistelbach) ist die sogenannte tiefe Geothermie schon seit 20 Jahren im Einsatz. In den 90er-Jahren wurde an dieser Stelle nach Öl gebohrt. Gefunden wurde aber lediglich 42 Grad warmes Wasser. Aus der anfänglichen Enttäuschung wurde eine Geschäftsidee: Es war der Anfang des Thermalbads, das den Ort in den folgenden Jahren wirtschaftlich beleben sollte.

Mittlerweile haben sich die Zeiten geändert. Erdgas und Erdöl sind im Weinviertel weitgehend versiegt, zumindest bei konventioneller Förderung. Immer wichtiger wird hingegen die Fernwärme. Sie soll in Zukunft einen großen Anteil der Gasthermen ersetzen, insbesondere in Wohnungen in Ballungszentren, wo alternative Energiequellen nicht zum Einsatz kommen können.

Größere Hitze in größerer Tiefe

Als eine der Schlüsseltechnologien gilt das längst bekannte Konzept der Erdwärme. Sowohl jene in oberflächennahen Schichten (bis ca. 400 Meter) als auch in größerer Tiefe (1.500 bis 5.000 Meter). In ersterem Fall sind Wasservorkommen in der Regel nicht wärmer als 25 Grad, sie können mittels stromintensiver Wärmepumpe immerhin einzelne Häuser heizen. In tieferen Lagen steigt hingegen auch die Wassertemperatur, zum Teil auf über 100 Grad Celsius. Damit kann bereits ein städtisches Fernwärmenetz betrieben werden.

OMV will mit heißem Wasser heizen

Österreich will weg vom Gas. Enormes Potential liegt hier in der tiefen Geothermie, der Nutzung von heißem Wasser. Bisher wird diese in Österreich kaum verwendet, die OMV möchte das aber ändern.

Genau hier setzt die OMV an, in einem ersten Schritt an einem Bohrloch zwischen Aderklaa und Deutsch-Wagram (beides Bezirk Gänserndorf). „Wir führen hier einen Geothermie-Test durch“, erklärt Bernhard Novotny, der im Konzern für diese Technologie zuständig ist. „Wir bringen warmes Wasser aus circa 2.900 Meter Tiefe an die Oberfläche, messen Temperaturen und Drücke und schauen, wie viel Wasser wir pro Tag fördern können.“

Altes Bohrloch mit neuer Aufgabe

Die Bohrsonde namens „Aderklaa 96“ ist bereits mehr als 50 Jahre alt. In der Vergangenheit wurde hier Erdgas gefördert, doch mittlerweile sind die Reserven an dieser Stelle erschöpft. Für das Geothermie-Projekt wird das Loch nun noch einmal geöffnet. 2.700 Kubikmeter Wasser werden in den kommenden Wochen entnommen, in Spezialcontainern gelagert und nach den Untersuchungen wieder zurück in die Tiefe gepresst.

OMV-Pilotprojekt Geothermie
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Wo früher Gas gefördert wurde, stehen nun Maschinen für den Geothermie-Test

Wenn der Test glückt, könnte in der Umgebung dauerhaft heißes Wasser sprudeln. Die Temperatur sollte dafür reichen, so zumindest die Schätzungen. „Hier im Wiener Becken haben wir einen geothermische Gradienten von etwa drei Grad Celsius pro 100 Meter“, erklärt Projektleiter Novotny, „das heißt, in etwa 3.000 Meter kommen wir auf 90 Grad plus zehn Grad Oberflächentemperatur“.

Ehrgeizige OMV-Ziele bis 2030

Die Geothermie-Ziele des heimischen Energiekonzerns hat der neue CEO Alfred Stern im Frühjahr bekannt gegeben. Sie sind Teil seiner geplanten Wende vom fossilen hin zu einem nachhaltigeren Unternehmen. Neun Terawattstunden Energie will die OMV mit der Technologie bis 2030 weltweit erzeugen, umgerechnet ein Siebtel des gesamten jährlichen Energieverbrauchs in Niederösterreich. Nur ein Teil davon soll im Wiener Becken gewonnen werden, hier dürfte das Potenzial aber immerhin im Bereich von mehreren konventionellen Wärmekraftwerken liegen.

Die bisherigen Öl- und Gasbohrlöcher können dafür allerdings kaum genutzt werden, das erfordert am Anfang teure neue Bohrungen. Immerhin kann die OMV aber auf jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Bohrtechnik und auf genaue geologische Untersuchungen der Region zurückgreifen – ein enormer Wettbewerbsvorteil. Ist erst einmal gebohrt, so das Versprechen, fließt jahrzehntelang heißes Wasser. Praktisch ohne weitere Anstrengung und, wichtiger noch, praktisch ohne CO2-Emissionen.

OMV-Pilotprojekt Geothermie
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Die OMV vermutet im Weinviertel auch abgesehen von fossilen Brennstoffen Potenzial

Seltener Applaus von Umwelt- und Klimaschützern

Nicht nur die Bundesregierung steht deshalb hinter der Geothermie. Auch Umwelt- und Klimaschützer sehen den Test positiv. „Wir haben lange vorgeschlagen, dass die OMV in diese Richtung gehen sollte, weil wir hier für diesen doch sehr fossilen Konzern eine Möglichkeit sehen, ein Teil der Lösung zu sein“, sagt Johannes Wahlmüller, Energieexperte bei Global 2000, gegenüber noe.ORF.at. Man müsse natürlich „auch bei Geothermie darauf achten, dass das möglichst umweltfreundlich umgesetzt wird, dass Risikofaktoren berücksichtigt werden. Dann ist es aber eine Technologie, die uns wirklich weiterhelfen kann.“

Immerhin gebe es in anderen Ländern, etwa Deutschland, bereits gute Erfahrungen mit der Erdwärme aus tiefen Schichten, so Wahlmüller. Er kann sich in diesem Zusammenhang sogar vorstellen, dass dabei die umstrittene Fracking-Technologie zum Einsatz kommt. Diese hat in der Region bereits wiederholt für Aufregung und Widerstand gesorgt – doch dem Global-2000-Experten zufolge könne die Fracking-Technologie bei Geothermie nicht mit jener bei der Förderung von Schiefergas verglichen werden.

Grundwasser nicht in Gefahr

OMV-Projektleiter Novotny winkt hier ab: Fracking werde sowieso weder beim aktuellen noch bei künftigen Geothermie-Projekten angewendet, versichert er. Das sei aufgrund des durchlässigen Gesteins gar nicht nötig. Auch weitere Umweltrisiken kann Novotny nicht erkennen: „Wir reden von Lagerstätten in großer Tiefe. Wir reden hier nicht von Grundwasser, nicht von Trinkwasser.“ Man entziehe dem heraufbeförderten Wasser lediglich Energie und bringe es abgekühlt wieder hinunter, wo es sich erneut aufwärme.

In der aktuellen Heizperiode wird das aber keinesfalls für warme Haushalte sorgen. Die weitere Entwicklung hängt von den Ergebnissen der „Aderklaa 96“-Untersuchungen ab. Falls alles so läuft wie geplant, könnte das Heißwasser Schätzungen zufolge frühestens in etwa vier Jahren fließen.