Team der Palliativstation Krems
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Gesundheit

Palliativstation: Mit Humor gegen die Angst

Das schlimmste Vorurteil gegenüber einer Palliativstation? „Dass wir die Sterbestation sind“, sagt Elisabeth Posselt. Sie arbeitet seit 20 Jahren in der Palliativmedizin am Universitätsklinikum Krems. noe.ORF.at hat die Pflegerin bei ihrer Arbeit begleitet.

Düster und traurig seien die Erwartungen. „Und dann höre ich beim ersten Mal, wenn jemand da ist, bei euch ist es ja hell, freundlich, bunt.“ Überhaupt werde auf der Palliativstation viel gelacht. „Der Humor ist in allen Lebensbereichen wichtig. Den Humor auszuschalten, nur – unter Anführungszeichen – weil ich mit so einer schweren Diagnose konfrontiert bin, das würde alles noch verschlimmern. Wenn man in gewissen Situationen den Patienten ein Lächeln auf die Lippen zaubern kann, ist das toll“, schildert Posselt.

Elisabeth Posselt
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Elisabeth Posselt

Die Angst nehmen mit Humor, ein wenig Kontrolle über etwas Unkontrollierbares zurückgewinnen. Posselt ist auf ihrem Morgenrundgang. In jedes Zimmer sieht sie kurz hinein – dabei geht es nicht um Medikamente oder pflegerische Tätigkeiten, sondern ums Reden. Wie war das Wochenende, wie hat man geschlafen, wie geht es den Kindern und Enkeln. „Bei uns geht es in erster Linie ums Leben, weil die Menschen, die wir betreuen, die leben bis zuletzt und überwiegend auch gerne.“

600 bis 700 Personen betreut das Palliativeam jährlich auf der Station, in anderen Abteilungen im Haus und bei Hausbesuchen. Die Hälfte der Patienten verlasse die Station nach der Pflege auch wieder nach Hause oder ins Pflegeheim, sagt Posselt. „Nach einer Intervention von uns geht es den Patienten oft wieder besser.“ Die Krankheiten sind zwar unheilbar, aber die Schmerzen können gelindert, akute Beschwerden behandelt werden.

Steine für Angehörige und PatientInnen
ORF/Nina Pöchhacker
Ein Stein für den Verstorbenen, einer für den Angehörigen – ein Projekt der Ehrenamtlichen der Palliativstation

Die Kommunikation mit den Angehörigen sei für die Palliativpflege wichtig. Bei jungen, todkranken Menschen wird für die Familie ein zweites Bett ins Zimmer gestellt. Bei einem neuen Projekt haben Ehrenamtliche Steine bemalt – jeweils zwei mit demselben Muster. Einer wird dem Verstorbenen mitgegeben, der zweite dem Angehörigen. „Es ist eine Verbindung. Manchen tut es gut, wenn sie das wissen, dass da eine Verbindng nach dem Tod besteht“, erklärt Posselt.

Leben bei Lungenkrebspatienten verlängert

Bei Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs habe die Palliativpflege das Leben verlängert. „Das haben wir in einer begleitenden Forschung festgestellt“, sagt Palliativmedizinerin Beate Stich. Die junge Ärztin kam gleich nach ihrer Turnusausbildung 2016 auf die Station. „Wir können uns hier mehr Zeit nehmen für die Patienten, uns besser einstellen auf einzelne Bedürfnisse.“ Die Hektik des Spitalalltags gebe es hier nicht.

Reportage von der Palliativstation Krems

Menschen in der letzten Phase ihres Lebens zu begleiten, ist die Aufgabe von Elisabeth Posselt. Sie ist seit 20 Jahren Pflegerin auf der Palliativstation im Krankenhaus in Krems.

„Ein Mensch an der Seite und keine Maschine“

Dabei würden auch kleine Dinge den Zustand der Patienten kurzfristig verbessern. „Manche wollen etwa ein Bad nehmen oder einen Spaziergang in den Park unternehmen. Das ermöglichen wir alles“, so Stich. In den letzten Monaten, Wochen oder Tagen Geborgenheit bieten. Von diesem Gedanken leitet sich „palliativ“ – lateinisch „Mantel“ und wörtlich „ummantelnd“ – ab.

Natürlich – emotional sei man mit den Patientinnen und Patienten meist stark verbunden. Abgrenzen sei nicht möglich, sagt Pflegerin Posselt. „Am Anfang hatte ich immer den Anspruch, keine Gefühle zu zeigen oder zu weinen, aber da haben mir viele Angehörige gezeigt und gesagt, dass das eigentlich hilfreich ist, wenn sie merken, da ist ein Mensch an meiner Seite und keine Maschine.“ Belastende Situationen bespricht die 55-Jährige mit Kolleginnen und Kollegen.

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Team der Palliativpflege in Krems
ORF/Nina Pöchhacker
Tägliche Besprechung des Palliativteams, insgesamt 23 Personen sind auf der Station tätig, darunter u.a. Pflegerinnen, Ärztinnen, Diätologen, Psychotherapeuten und Freiwillige
Pflegerin hält Hand von Patientin
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Die Versorgung besteht neben medizinischen und pflegerischen Tätigkeiten viel aus Gesprächen
Auto für mobile Hausbesuche
ORF/Nina Pöchhacker
Pflegerinnen und Ärztinnen betreuen einige Patientinnen und Patienten auch zu Hause

Bei der täglichen Arbeit mit dem Tod ändert sich die eigene Einstellung zum Leben. Über gewisse Dinge rege sie sich gar nicht mehr auf, sagt Posselt. „Mir hat noch kein einziger Mensch gesagt, wenn ich noch mal auf diese Welt komme, dann putze ich mehr. Wenn ich mich entscheiden kann zwischen Spazierengehen und Fensterputzen, dann gehe ich eher spazieren.“

Neue Initiative für Freiwilligensuche

Gabriele Pachschwöll ist die Pflegeleiterin auf der Palliativstation in Krems. Sie sagt im Interview in der Fernsehsendung „NÖ heute“, dass Patientinnen und Patienten in ihren letzten Stunden oft Streit innerhalb der Familie bereuen und Sehnsucht haben, diese Konflikte zu heilen.

Studiogespräch mit Palliativstations-Leiterin Pachschwöll

Gabriele Pachschwöll, die Leiterin der Palliativstation im Universitätsklinikum Krems, berichtet über die Arbeit in ihrer Einrichtung. Palliativ bedeutet nicht automatisch Endstation. Forschungen haben gezeigt, dass manche Krebspatienten auch statistisch länger leben, wenn sie früher mit dem Palliativteam arbeiten.

Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer haben ihre Unterstützung während der Pandemie auf der Palliativstation beendet. „Wir haben jetzt eine Initiative gestartet mit einem Trauerbegleitungskurs. Der startet im Jänner 2023, wo man lernt schwerkranke Menschen zu begleiten“, sagt Pachschwöll. „Unsere Gesellschaft ist heute so, dass man Trauer wenig zugesteht. Umso wichtiger ist es, dieser Trauer Raum zu geben“, so Pachschwöll. Bei Palliativpatientinnen und -patienten gebe es diese Trauer schon vor dem Tod.

Was stört die Palliativmedizinerinnen und -pflegerinnen am Umgang mit dem Tod in der Gesellschaft? „Dass er vollkommen ausgeblendet wird", sagt Posselt. „Das Leben ist deswegen so wertvoll, weil es begrenzt ist. Wenn man sich den Tod ins Leben mitnimmt, kann man profitieren, weil man erkennt, wie wertvoll es ist, dass es einem gut geht oder alles halbwegs passt.“