Ordination von Kinderarzt Johannes Schaffer in St. Pölten
ORF/Thomas Koppensteiner
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Gesundheit

Jede fünfte Kassen-Kinderarztstelle unbesetzt

In Niederösterreich sind neun von 43 Kassenstellen für Kinderärzte teilweise schon seit Jahren unbesetzt. Für eine Stelle in der Stadt St. Pölten wurde nun hingegen ein Mediziner gefunden – das aber nur unter großem Einsatz der Arbeiterkammer.

Die Ordination von Johannes Schaffer befindet sich in der Zentrale der Arbeiterkammer in St. Pölten. Von außen ist das allerdings noch nicht ersichtlich, ein Schild oder eine Aufschrift gibt es nicht. Am ersten Ordinationstag am Donnerstag war noch wenig los. „Wir haben bis jetzt wenig Werbung gemacht und versucht, wenig Aufmerksamkeit zu erwecken, damit wir möglichst ruhig starten können“, sagt Schaffer. „Ich muss aber zugeben, seit wir heute den ersten Tag aufgemacht haben, läutet schon ständig das Telefon. Ich glaube, das ist heute die Ruhe vor dem Sturm.“

Davon ist auszugehen. Die Landeshauptstadt hat 60.000 Einwohnerinnen und Einwohner, neue Wohnungen sprießen derzeit wie die Schwammerl aus dem Boden und werden wohl auch viele Jungfamilien anlocken. Bis dato gab es in der Stadt aber nur eine von der Kasse finanzierte kinderärztliche Versorgung im Primärversorgungszentrum. Die eigentliche Kassenstelle war seit Ende 2020 vakant und wurde seitdem einmal pro Monat ausgeschrieben – interessiert hat das bislang aber niemanden.

Schwieriges Fach, schlechtere Bezahlung

Die Gründe für den Kinderarztmangel sind vielfältig, sagt Schaffer. „Es ist generell ein schwieriges Fach, weil Kinder nicht so kooperativ wie Erwachsene sind. Natürlich ist es auch finanziell nicht das rentabelste Fach, es gibt Fächer, in denen man erfolgreicher sein kann“, so der 39-Jährige. Darüber hinaus würde auch die Bundeshauptstadt Wien viele Mediziner anlocken. „In Wien ist die Versorgung besser, auch die Entlohnung ist besser. Sehr viele Kollegen zieht es nach Wien“, so Schaffer.

Kinderarzt Johannes Schaffer in St. Pölten
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Johannes Schaffer wechselte vom Universitätsklinikum St. Pölten in die eigene Ordination – mit Unterstützung der Arbeiterkammer

In Niederösterreich sind laut Angaben der Ärztekammer neun von 43 Kassenstellen für Kinderärzte unbesetzt: in Amstetten, Traiskirchen, Baden, Krems, Lilienfeld, Mödling, Tulln, Wiener Neustadt und St. Pölten. Für Lilienfeld und Mödling findet sich schon seit 2017 kein Bewerber, eine Stelle, die für den Bezirk St. Pölten ausgeschrieben ist, ist sogar schon seit 2016 vakant. Eltern bleibt nichts anderes übrig, als mit ihren Kindern zum Wahlarzt, Hausarzt oder in die Spitalsambulanz zu gehen.

Prekär ist die Lage auch im Weinviertel: In Gänserndorf und Mistelbach haben erst kürzlich Kinderärzte ihre Verträge mit der Gesundheitskasse gekündigt. Eine Kassenstelle in Zistersdorf (Bezirk Gänserndorf), für die sich anfangs kein Bewerber fand, wurde laut Ärztekammer mit freier Standortwahl für den ganzen Bezirk ausgeschrieben. Vor kurzem hat eine Nachfolgerin eine Ordination in Engelhartstetten (Bezirk Gänserndorf) eröffnet.

Arbeiterkammer erlässt Miete für drei Jahre

Dass die Landeshauptstadt St. Pölten mit Johannes Schaffer nun wieder einen eigenen Kassenkinderarzt hat, liegt zu einem großen Teil an der Arbeiterkammer Niederösterreich. Die Interessensvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatte seit drei Jahren nach einem Kinderarzt gesucht. Sie stellt Schaffer die weit über 100 Quadratmeter im Erdgeschoß gleich neben dem Sozialmedizinischen Zentrum laut Vorstandsbeschluss mindestens drei Jahre lang kostenlos zur Verfügung.

„Uns geht es um die Versorgung. Letztendlich stecken hinter den Müttern und Vätern Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, sagt der Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich, Markus Wieser. „Wenn wir zusätzlich etwas für die Eltern tun können und eine Ordination zur Verfügung stellen, die letztlich aber natürlich der Arzt betreibt, dann ist das für unsere Mitglieder gut.“ Darüber hinaus könne man den Kinderarztbesuch auch gleich dazu nutzen, sich in der Arbeiterkammer zu Themen wie Karenz und Kinderbetreuung beraten zu lassen, so Wieser.

Kinderarzt Johannes Schaffer in der Zentrale der Arbeiterkammer in St. Pölten
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Am ersten Ordinationstag war es noch relativ ruhig. Kinderarzt Johannes Schaffer ist sich sicher: "Die Ruhe vor dem Sturm.“

Johannes Schaffer lebt in Wien und war zuletzt im Universitätsklinikum St. Pölten als Oberarzt tätig. Den Mangel an Kassenkinderärzten hatte er auch dort hautnah miterlebt. „Das war auch mit ein Grund, warum ich hierher gewechselt bin. Die Notfallambulanz (im Universitätsklinikum St. Pölten; Anm.) war zu zwei Drittel mit Familien überschwemmt, die einfach keinen Arzt gefunden haben. Wir Kinderärzte sind nur wenige, die Allgemeinmediziner haben viel übernommen. Es wird Zeit, dass wir uns wieder um unseren Job kümmern“, so Schaffer.