Wirtschaft

Strenge Kreditregeln: Baubranche verliert Aufträge

Die niederösterreichische Bauwirtschaft und das Land fordern von der Finanzmarktaufsicht (FMA), die strengen Regeln bei Kreditvergaben zu lockern. Immer weniger junge Leute bekommen einen Kredit, bei den Baufirmen geht die Zahl der Aufträge zurück.

In Niederösterreich werden jährlich 5.870 Eigenheime errichtet. Für kommendes Jahr verheißt der Blick in die Auftragsbücher allerdings nichts Gutes. „Wir hören von den Betrieben, dass die Nachfrage im Einfamiliensektor sehr stark zurückgeht. Jetzt sind wir zwar noch in einer Phase, wo die Betriebe genug Arbeit haben, die Anfragen lassen aber schon nach“, sagte der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ), Wolfgang Ecker.

Weil sich die Situation immer mehr zuspitzt, wurde – dem Vernehmen nach sehr kurzfristig – am Freitag ein Bauwirtschaftsgipfel in St. Pölten einberufen. Diskutiert wurde über Maßnahmen, um die Schaffung von Eigenheimen wieder leistbar zu machen und die Auftragsbücher der Firmen zu füllen. Vor allem die Eigenkapitalquote von 20 Prozent bei Kreditvergaben ist den Branchenvertretern ein Dorn im Auge. In Richtung der Finanzmarktaufsicht wird gefordert, die strengen Regeln zu lockern.

Land will Eigenkapitalquote um fünf Prozent senken

„Unser Ziel ist es, auf 15 Prozent Eigenkapitalquote zu kommen“, sagte Wirtschaftslandesrat Jochen Danninger (ÖVP). „Wir glauben, dass das ausreichend ist. Natürlich braucht es eine Kraftanstrengung, wenn man sich ein Eigenheim schaffen will. Aber wir sehen auch, dass es gerade in diesem Bereich sehr niedrige Ausfallquoten bei den Krediten gibt.“

Die FMA hatte die Regeln im August verschärft, um sicherzustellen, dass sich Kreditnehmer den Kredit auch leisten können. Wer einen Kredit beantragen möchte, muss 20 Prozent Eigenmittel haben, die Laufzeit darf maximal 35 Jahre betragen und die Kreditrate nicht mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens ausmachen.

Baustelle eines Wohnhauses
ORF/Rohrhofer
Der Traum vom eigenen Haus geht sich für viele junge Menschen derzeit nicht aus. Die Baufirmen merken das in ihren Auftragsbüchern für nächstes Jahr.

Besonders für junge Menschen würden diese Regeln eine unüberwindbare Hürde darstellen, hieß es am Freitag beim Gipfel in St. Pölten. „Wir beobachten im August einen massiven Einbruch bei der Neukreditvergabe. Das ist eine direkte Folge dieser Vorschrift“, sagte Christian Helmenstein, Leiter des Economica Instituts für Wirtschaftsforschung. Konkret habe sich die Zahl der Kreditvergaben halbiert.

Experte erwartet keine Schuldenwelle

Dass eine geringere Eigenkapitalquote zu mehr Verschuldungen führt, glaubt der Experte nicht. „Alle Daten deuten im Moment darauf hin, dass die Schuldentragfähigkeit der Häuslbauer nicht abgenommen hat. Solange wir in Niederösterreich und in Österreich eine hohe Beschäftigung haben, wird das so bleiben. Deswegen ist es vertretbar, dass wir die Eigenkapitalquote absenken und die Laufzeit verlängern.“ Laut Helmenstein könnte die maximale Kreditlaufzeit von derzeit 35 „auf 40 oder mehr Jahre“ ausgedehnt werden.

Das Land Niederösterreich hatte zuletzt angekündigt, fünf Prozent der Haftung für den Eigenmittelanteil zu übernehmen. „Wenn die FMA die Richtlinie zurücknimmt, wäre diese Maßnahme des Landes Niederösterreich nicht notwendig. Wenn sie dabei bleibt, muss seitens der FMA noch eine Genehmigung erfolgen, dass wir als Land diese Fünfprozenthaftung übernehmen können“, sagte Danninger.

Beim Bauwirtschaftsgipfel wurden auch weitere Maßnahmen besprochen, um die Schaffung von Eigenheimen leistbarer zu machen. So wird vom Bund gefordert, dass Ausgaben für die Wohnraumschaffung – also Errichtung, Anschaffung bzw. Sanierung von Wohnraum – als Sonderausgabe steuerlich absetzbar sein sollen, wie es bis 2020 der Fall war. Die Grundbucheintragungsgebühr soll beim erstmaligen Erwerb eines Eigenheimes entfallen.

„Das sind alles Maßnahmen, die wir in Österreich in der Hand hätten, die es jungen Menschen aber sehr schwierig machen, das erste Eigenheim zu finanzieren. Hier wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, diese Maßnahmen zurückzunehmen“, sagte Danninger.

Auch Finanzminister fordert Prüfung

Die Auslegung der der Kreditvergabe zugrunde liegenden Verordnung durch die FMA hat auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bereits auf den Plan gerufen. Er forderte vor zwei Wochen die Prüfung einer Lockerung. „Aufgrund der verschärften Bedingungen für die Kreditvergabe tritt zunehmend die Situation ein, dass die Menschen in unserem Land nicht mehr in der Lage sind, Zugang zu Krediten zu erlangen“, kritisierte er in einem Brief an die FMA-Chefs Helmut Ettl und Eduard Müller.

Zwar werden Brunners Worten zufolge die grundsätzlichen Ziele der Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung (KIM-VO) „weitgehend anerkannt“. Es gebe aber in einer Vielzahl an Stellungnahmen „Kritik an der Auslegung in der Praxis“, hieß es in einem Schreiben.