Stephanie Reinsperger
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„Ganz persönlich“

Reinsperger: „Werde spielen, bis ich umfalle“

Die gebürtige Badenerin Stefanie Reinsperger ist eine der erfolgreichsten österreichischen Schauspielerinnen. Nach dem Burg- und Volkstheater ist sie nun beim Berliner Ensemble engagiert. Im Interview spricht sie über schnellen Erfolg und ihre Traumrolle.

Die 1988 geborene Stefanie Reinsperger ist dem Fernsehpublikum unter anderem aus der Kultserie „Braunschlag“ bekannt, seit 2021 ermittelt sie im „Tatort“ als Hauptkommissarin Rosa Herzog.

Abseits der TV-Bildschirme ist sie auf der Theaterbühne zuhause. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie am Wiener Max Reinhardt Seminar und wurde daraufhin vom Schauspielhaus Düsseldorf engagiert. 2014 wurde sie für das Wiener Burgtheater verpflichtet und spielte unter anderem in Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“. 2015 wechselte sie ans Volkstheater, zwei Jahre später wurde sie Teil des Berliner Ensembles. 2017 und 2018 war Reinsperger als Buhlschaft im „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen zu sehen.

Zuletzt veröffentlichte die Schauspielerin ihr erstes Buch „Ganz schön wütend“ über ihre nicht immer positiven Erfahrungen in ihrem bisherigen Leben als Schauspielerin und über Anfeindungen wegen ihres Aussehens. Darüber spricht sie auch im „Ganz-persönlich“-Interview mit Robert Friess und erzählt, was für sie „Heimat“ bedeutet und ob es eine Traumrolle für sie gibt.

noe.ORF.at: Wir haben Sie in Baden getroffen, kurz vor einer Lesung. Sie sind in Baden geboren, in Mödling in die Schule gegangen. Ist das so etwas wie ein Heimspiel für Sie?

Stefanie Reinsperger: Ich bin generell immer gern wieder zu Hause und in Österreich und vor allem auch gerne in Niederösterreich. Ich habe den Nationalfeiertag mit meiner Familie in Biedermannsdorf (Bezirk Mödling) verbracht. Jetzt bin ich in Baden. Nächste Woche bin ich in Wiener Neudorf. Also ich find’s gerade ganz schön, dass ich so alles um meine Kindheitsorte wieder abklappere.

Stephanie Reinsperger
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Reinsperger ist immer wieder gerne in Österreich, erzählt sie im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess

noe.ORF.at: Sie sind seit ihrer Jugend sehr viel unterwegs. Sie sind als Tochter von zwei Beamten des Außenministeriums aufgewachsen, waren in Belgrad, in London, und Sie leben jetzt in Berlin aufgrund Ihres Engagements. Was ist für Sie Heimat?

Reinsperger: Heimat ist für mich, wenn ich umringt bin von den Menschen, die mir gut tun, die mich lieben, die ich liebe. Und das hat für mich eigentlich noch nie mit einem Ort zu tun gehabt.

noe.ORF.at: Ihre Entscheidung, Schauspielerin zu werden, ist ja sehr früh gefallen. Was war der Auslöser dafür?

Reinsperger: Meine unbändige Energie und ein bisschen die Ratlosigkeit meiner Eltern. Ich bin unglaublich behütet und liebevoll aufgewachsen und es gab kein Fernsehen. Meine Eltern haben immer ganz viel Wert darauf gelegt, dass wir zusammen Spiele spielen und Märchen nachspielen.

Aber irgendwann war auch diese Kapazität erschöpft. Dann sind sie mit mir zu einem Kinderarzt in London gegangen und der hat mich in das Unicorn-Theatre in London gebracht, mit vier Jahren. Das ist das Märchen, das meine Eltern erzählen, weil ich war plötzlich ausgeglichen und das liebste Kind der Welt.

noe.ORF.at.: Es ist dann alles sehr schnell gegangen. Das Reinhardt Seminar, bald Engagements an der Burg, am Volkstheater. Wie geht man damit um, wenn man so früh so erfolgreich ist?

Reinsperger: Ich bin jeden Tag so glücklich, dass ich diesen Beruf so leben und ausführen darf, weil mir bewusst ist, was das für ein Privileg ist. Und weil ich so viele fantastische Künstlerinnen kenne, die von dem Beruf nicht leben können oder die ihn gar nicht ausüben können. Das weiß ich wirklich jeden Tag unfassbar zu schätzen. Und solange ich diese Kraft und Energie habe, werde ich spielen, bis ich umfalle.

noe.ORF.at: Seit 2002 sind Sie auch Ermittlerin im „Tatort“, und zwar in Dortmund. Ist das so etwas wie ein Jugendtraum für Sie?

Reinsperger: Dieses „Tatort“-Team, das kenne ich eigentlich seit es gegründet wurde, weil ich mit dem Mann von Anna Schudt, die damals die Ermittlerin Bönisch gespielt hat, im Ensemble in Düsseldorf war. Ich weiß noch, als ihr Mann einmal zur Probe kam, hat er gesagt, ’meine Frau wird „Tatort“-Kommissarin’. Das ist jetzt zehn Jahre her, deshalb habe ich den von Stunde eins geschaut und deshalb hatte ich da immer so einen besonderen Bezug dazu.

Ich habe in Deutschland sehr früh gelernt, dass sich keiner mit mir Sonntagabend treffen wollte, weil da immer alle „Tatort“ schauen. Ich finde es ist schon so ein lustiges Fernsehphänomen, dass sich da jeden Sonntagabend so viele Menschen vor ihren Fernsehern versammeln und alle zusammen das gleiche konsumieren.

Tobias Moretti als „Jedermann“, Stefanie Reinsperger als „Buhlschaft“, 2017
APA/BARBARA GINDL
Tobias Moretti als „Jedermann“, Stefanie Reinsperger als „Buhlschaft“ bei den Salzburger Festspielen 2017

noe.ORF.at: Sie haben zwei Jahre lang die Buhlschaft bei den Salzburger Festspielen gespielt. Eigentlich eine Traumrolle. Aber was geblieben ist, dass es Kritik an Ihrem Aussehen gegeben hat. Ist die Traumrolle für Sie zur Albtraumrolle geworden?

Reinsperger: „Traumrolle“ muss ich relativieren. Inhaltlich habe ich schon viel mehr spannende und herausfordernde Rollen gespielt. Das ist halt so ein kleines, sehr kleines österreichisches Gütesiegel, das man mit dieser Rolle als Schauspielerin bekommt, das ich auch sehr gerne angenommen habe.

Diese Reaktionen und was da dann losgetreten und breitgetreten wurde, waren jetzt für mich persönlich vor allem in diesen zwei Jahren nicht schön, in denen es passiert ist. Aber ich glaube, ich wär nicht die, die ich heute bin, wenn ich da nicht durchgegangen wäre. Ich bin an diesen Dingen unglaublich gewachsen und ich lerne auch heute noch. Ich bin damit auch gar nicht alleine. Es gibt so viele und deshalb werde ich auch nicht müde, mich dafür einzusetzen, dass diese Beleidigungen, Hasskommentare und überhaupt dieses Ausgrenzen von Menschen, die irgendwie anders sind, dass das aufhört.

noe.ORF.at: Wie ist Stephanie Reinsperger privat? Auch so temperamentvoll?

Reinsperger: Ich bin privat gerne einfach in Jogginghose, ganz leise, die mit der besten Freundin am Sofa bis 4.00 Uhr Früh und die aktuelle Weltlage berät.

noe.ORF.at: Wenn es für Sie so etwas wie eine Traumrolle geben würde, was wäre das?

Reinsperger: Ich habe wirklich das wahnsinnige Glück, dass ich schon so viele von diesen ganz klassischen Rollen spielen durfte. „Medea“ durfte ich schon zweimal spielen. Das ist inhaltlich natürlich eine Riesen-Traumrolle.

Stefanie Reinsperger als „Medea“, 2016, im Volkstheater in Wien
APA/HANS KLAUS TECHT
Im Volkstheater war Reinsperger 2016 als „Medea“ zu sehen

Was ich mir schon wirklich sehr, sehr wünschen würde, wäre einmal so was ganz Zartes und was ganz, ganz Leises und eine vielleicht ganz, ganz unsichere, sehr, sehr dünnhäutige Person darzustellen. Das würde ich gerne mal spielen.

Und ich habe dieses Jahr im Sommer einen Sechsteiler gedreht. Das war für mich das erste Mal so eine riesige Rolle. Über einen so langen Zeitraum, das macht schon sehr viel Spaß. Oder vielleicht eine Serienhauptrolle, wo man wirklich Zeit hat, über mehrere Folgen oder sogar Staffeln etwas zu entwickeln. Das würde mich auch reizen.