Agri-PV Anlage
ORF / Tobias Mayr
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Umwelt & Klima

Agri-PV: Energie und Lebensmittel von einem Acker

Agri-PV-Anlagen kombinieren landwirtschaftliche Nutzung mit Energieerzeugung durch Sonnenstrom. Dadurch soll Bodenversiegelung vermieden und Boden effizienter genutzt werden. Am Donnerstag wurde in Bruck an der Leitha eine Anlage eröffnet.

Zwischen den Photovoltaikpaneelen sprießt bereits der Winterweizen: Er hat sich offenbar bereits an die neue Nachbarschaft mit den Photovoltaikpaneelen gewöhnt. Auf fünf Hektar Ackerfläche wird in Bruck an der Leitha jetzt Strom für 1.000 Haushalte erzeugt.

Der Ertragsausfall hält sich bei der Anlage in Grenzen: 80 Prozent der Fläche stehen weiterhin für den Ackerbau zur Verfügung, 18 Prozent entfallen auf Blühstreifen unter den Photovoltaikpaneelen und lediglich zwei Prozent des Platzes nehmen die Ständer der Anlage ein.

Gewessler: „Gesunder Boden schützt uns vor Klimakrise“

„Das Projekt verbindet die Energiegewinnung durch Sonnenkraft mit Biodiversität, ohne Boden zu versiegeln. Denn der Boden ist ein wertvolles Gut“, betonte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) bei der Eröffnung. „Der gesunde Boden schützt uns vor den ärgsten Auswirkungen der Klimakrise, vor extremen Wetterereignissen, vor Hochwassern und Muren. Klimaschutz ist Bodenschutz“, so die Umweltministerin.

Agri PV Anlage Eröffnung
Michael Rupp
Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (3.v.r.) eröffneten die Agri-PV-Anlage in Bruck an der Leitha

Totschnig: Energiewende nicht ohne Nutzflächen möglich

Auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) lobte die Anlage und sprach von einem „Leuchtturmprojekt“. Die Forderung aus der Landwirtschaft, nur bereits versiegelte Flächen für Photovoltaik (PV) zu nutzen, halte er für nicht umsetzbar. „Es wird nicht ohne Flächen, die in Produktion sind, gehen“, so Totschnig.

Die kombinierte Nutzung von Land- und Energiewirtschaft könne außerdem zu einem Umdenken in der Bevölkerung in Sachen Photovoltaikausbau auf Freiflächen führen, so der Landwirtschaftsminister. „Auch Lebensmittelproduktion ist dort nun gleichzeitig möglich und das schafft gesellschaftliche Akzeptanz“, so Totschnig. Das Modell könne in ganz Österreich zum Einsatz kommen.

Agri-PV Anlage
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Die Module lassen sich verstellen. So kann die optimale Sonneneinstrahlung für Anlage und Pflanzen gefunden werden.

Schatten könnte Pflanzen und Böden helfen

Die PV-Anlagen lassen sich je nach Sonneneinstrahlung verstellen, je nach Lichtbedarf für die Kulturen. Der Energieverlust halte sich dabei in Grenzen, weil die PV-Module von beiden Seiten Energie erzeugen können, erklärt Projektleiter Michael Hannesschläger. Reflektierende Sonnenstrahlen vom Boden, etwa wenn Schnee liegt, können also ebenfalls in Energie umgesetzt werden.

Gegenwärtig teste man verschiedene Saaten wie Winterweizen, Mohn oder Mais. Für die Pflanzen gelte, dass der zusätzliche Schatten nicht unbedingt von Nachteil ist. „Es ist gerade im Osten von Österreich so, dass die Sonne so intensiv ist, dass die Beschattung ein Vorteil für die Kulturpflanzen ist“, so Landwirt Roland Wittner, der an dem Projekt beteiligt ist. Zudem würde die PV-Anlage einen Wind- und Austrocknungsschutz bieten. „Durch die Solarpaneele wird das Wasser bei Regen in die Reihen, wo die Kulturpflanze steht, abgeleitet“, so Wittner.

Laut Projektleiter Hannesschläger bieten sich Agri-PV-Anlagen bis dato vor allem für den Ackerbau an, jedoch seien sie auch in der Hühner-, Schweine- oder Schafzucht denkbar. Für die Rinderzucht seien die Module womöglich nicht stabil genug. Die Universität für Bodenkultur Wien begleitet das Projekt in Bruck an der Leitha wissenschaftlich, eine erste Evaluierung wird im Herbst kommenden Jahres erwartet.

Ähnliche Anlagen in Guntramsdorf und Pöchlarn

Ähnliche Anlagen wurden unter anderem bereits in Guntramsdorf (Bezirk Mödling) getestet. Die Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) baute auf einer Fläche der Wien Energie zwischen PV-Modulen Kartoffeln an. Ziel war, zu untersuchen, wie sich PV-Module auf die Landwirtschaft auswirken – mehr dazu in Von Kartoffeln zwischen PV-Modulen (noe.ORF.at; 10.5.2022).

In Pöchlarn (Bezirk Melk) hat die Raiffeisen Ware Austria AG (kurz RWA) ein Projekt gestartet, bei dem mehr als 10.000 Solarpaneele auf Stelzen angebracht sind, um darunter Platz für Weideflächen und Apfelbäume zu schaffen – mehr dazu in Biodiversität durch Solarpaneele auf Stelzen (noe.ORF.at; 20.9.2021).