Mark Seibert
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„Ganz persönlich“

„Beim Theater kann immer etwas passieren“

Musicalstar Mark Seibert steht derzeit fast täglich auf der Bühne des Raimund Theater, wo der Musicalthriller „Rebecca“ für Spannung sorgt. Ein Gespräch über Heimat, Hänger und die Frage, wie wichtig der Applaus ist.

Mark Seibert, geboren 1979 in Frankfurt am Main, hat in seiner langjährigen Karriere bereits in vielen namhaften Musicals mitgespielt, z.B. „Westside Story“, „Romeo und Julia“, „Elisabeth“ und „Phantom der Oper“. Der 43-Jährige hat Betriebswirtschaftslehre studiert und das Musikstudium am Konservatorium in Wien abgeschlossen. Er wohnt mit seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling).

noe.ORF.at: „Rebecca“ sorgte schon auf vielen Bühnen der Welt für ein Millionenpublikum. Seit ein paar Wochen läuft das Stück im Raimund Theater. Ist das ein vorprogrammierter Erfolg?

Mark Seibert: Ich glaube, da muss man vorsichtig sein. Wenn man das wüsste, dann hätte man nur noch Erfolge auf den Musicalbühnen. So ist es natürlich nicht. Das sieht man erst dann so richtig, wenn es tatsächlich auch läuft. Aber die Zeichen stehen gut. Wir sind jeden Abend fast ausverkauft. Das ist nicht mehr selbstverständlich, vor allem in Zeiten wie diesen. Insofern kann man, glaube ich, schon sagen: Es hat auch zum zweiten Mal hier an den Erfolg von damals angeknüpft.

noe.ORF.at: Sind Sie noch nervös?

Seibert: Wenn man jeden Abend die Vorstellung spielt, dann schleicht sich natürlich eine gewisse Routine ein. Das ist auch positiv, wenn sich ein gewisser Automatismus einstellt. Aber wenn etwas passiert, was nicht geplant war, dann geht der Puls ganz schnell in die Höhe. Beim Live-Theater kann immer etwas passieren, man muss immer wach bleiben.

noe.ORF.at: Hatten Sie schon einmal einen richtigen Hänger?

Seibert: Bei „Rebecca“ nicht, aber bei „Elisabeth“. Da hatte ich schon 150 Vorstellungen gespielt, und auf einmal wusste ich bei einem Song nicht mehr weiter. Ich dachte mir: „Was singe ich da gerade?“ Und dann habe ich einfach den Mund gehalten. Bevor ich irgendeinen Blödsinn singe, lausche ich einfach dem wunderbaren Orchester. Dann merken nur die Insider, dass etwas fehlt. Ich bin wieder eingestiegen, als ich gemerkt habe, dass ich es jetzt wieder kann (lacht).

noe.ORF.at: Außer montags spielen Sie täglich. Das ist ja auch körperlich nicht ohne.

Seibert: Genau! Man muss jeden Tag funktionieren und ein gewisses Level haben. Das ist die größte Herausforderung, denn wir alle wissen, dass man mal gute und mal schlechte Tage hat. Aber das Publikum verdient immer ein gewisses Niveau und dessen muss man sich auch bewusst sein. Für uns ist es tägliche Routine, hier auf der Bühne zu stehen. Für unser Publikum ist es etwas ganz Besonderes. Die fiebern seit langer Zeit auf diesen Abend hin. Und die haben es dann auch verdient, dass man auch wirklich gute Qualität abliefert.

noe.ORF.at: Sie sind schon lange in der Musicalbranche und haben sich einen Namen gemacht. Müssen Sie noch vorsprechen gehen?

Seibert: Sagen wir so: Ich habe jetzt nicht mehr die große Angst, dass ich ganz große Durststrecken zu überbrücken hätte. Diesbezüglich bin ich Gott sei Dank sehr privilegiert. Aber von ganz allein kommen die Rollen auch nicht. Manchmal, wenn man schon einmal zusammengearbeitet hat, dann bekommt man die eine oder andere Rolle angeboten. Aber im Großen und Ganzen läuft das bei uns immer über Vorsingen, also über eine Audition. Und das ist auch gut so, dass man immer wieder eine Chance bekommt und die dann auch nutzen muss.

Eva Steinkellner-Klein und Mark Seibert
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Eva Steinkellner-Klein traf Musicaldarsteller Mark Seibert zum Interview

noe.ORF.at: Sie waren berufsbedingt immer viel unterwegs. Von Wien bis Shanghai sind Sie auf vielen Bühnen dieser Welt gestanden. Kann man da Wurzeln schlagen? Gibt es eine Heimat für Sie?

Seibert: Ich war tatsächlich sehr, sehr umtriebig und habe auf vielen, vielen Bühnen gearbeitet und bin immer dort hingegangen, wo der spannendste Job für mich war. Aber es ist ein bisschen auf Kosten der Sesshaftigkeit gegangen. Es hat mich aus beruflichen Gründen oft nach Wien verschlagen, aber manchmal habe ich mich bei dem Gedanken ertappt: Wo gehöre ich eigentlich hin? Ich habe in vielen, vielen Städten dieser Welt leben dürfen – viele, viele Wochen und Monate oder manchmal auch Jahre. Manchmal war ich etwas verloren. Aber das kann man ja dann noch nachholen. Und an diesem Punkt stehe ich jetzt gerade in meinem Leben.

noe.ORF.at: Sie sind nämlich mit Ihrer Familie nach Niederösterreich gezogen. Ist das jetzt Ihre Heimat?

Seibert: Ja, das haben wir vor. Es hängt auch immer davon ab, wo die nächsten Jobs sind. Aber Wien ist ein gutes Pflaster für mich. Für mich war immer klar: Wenn Nachwuchs da ist, will ich eher raus aus der Stadt. Ich bin selbst nicht direkt in der Stadt aufgewachsen. Ein Garten, Nachbarn, die man trifft, die Kinder spielen auf der Straße – das ist mein Modell.

noe.ORF.at: Ihr Sohn ist eineinhalb Jahre alt. Wie legen Sie diese Rolle an, Ihre Vaterrolle?

Seibert: Es ist eine Herausforderung für alle. Je mehr ich arbeite, desto mehr ist meine Partnerin für ihn verantwortlich. Aber ich habe eigentlich einen relativ familienfreundlichen Beruf, weil ich tagsüber viel Zeit habe. Wenn nicht die vielen Engagements oder Konzerte dazwischenkommen. Ich glaube, da sind andere Papas, die so diese typischen Jobs haben – morgens um 7.00 Uhr in die Firma und vielleicht abends um 19.00 Uhr erst wieder zurück – eher neidisch auf meinen Alltag. Ich kann wirklich einige Stunden mit meinem Sohn verbringen und mit meiner Familie, das ist sehr schön.

noe.ORF.at: Wie wichtig ist Ihnen die Bühne, der Applaus?

Seibert: Ich zähle mich nicht zu den Künstlern, die ihr Leben lang auf der Bühne stehen müssen. Vielleicht wird es so kommen und ich schätze das falsch ein. Ich liebe dieses Genre sehr. Ich liebe das Theater. Ich liebe das Musical. Insofern glaube ich, damit mein Leben lang zu tun zu haben. Aber vielleicht werde ich irgendwann auch einmal auf der anderen Seite stehen. Natürlich liebe ich es, wenn meine Arbeit honoriert wird und wenn meine Konzerte verkauft werden und meine CDs und ich hier abends Applaus bekomme. Aber ich beziehe das auf meine Arbeit. Die Aufmerksamkeit von so vielen Menschen brauche ich als Mensch nicht so sehr.

noe.ORF.at: Gibt es schon weitere Projekte oder Pläne für die Zukunft?

Seibert: Die nächsten Monate spielen wir erst mal hier im Raimund Theater und das macht wir wahnsinnig viel Spaß. Ich habe aber nebenbei sehr viele eigene Projekte laufen. Jetzt kommt die Weihnachtszeit, da plane ich einige Konzerte, denn ich bin wirklich ein großer Weihnachtsfan und mit Kind zuhause ist es jetzt noch einmal anders.