Geburtshaus und Dollfuß-Museum in Texingtal
wikimedia commons/GT1976
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Chronik

Dollfuß-Museum: Bevölkerung soll mitwirken

In Texingtal (Bezirk Melk) wird weiter an der Neukonzeption des Dollfuß-Museums gearbeitet: Aus der bisherigen Gedenkstätte soll ein Ort der Geschichtsvermittlung werden. Die Bevölkerung in der Region soll jetzt in den Prozess eingebunden werden.

Das Dollfuß-Museum, das Geburtshaus von Engelbert Dollfuß, ist bisher eine Gedenkstätte für den Begründer des Ständestaates und des Austrofaschismus. Neben dem Eingang des Hauses – es ist derzeit geschlossen – kann man bis heute die Inschrift lesen: „Geburtshaus des großen Bundeskanzlers und Erneuerers Österreichs“.

Angestoßen hatte die Umgestaltung der ehemalige ÖVP-Bürgermeister der Gemeinde, der jetzige Innenminister Gerhard Karner. Für die Neukonzeption wurde im Mai der Verein „MERKwürdig. Zeithistorisches Zentrum Melk“ beauftragt. Alexander Hauer vom Verein sieht Gesprächsbedarf im Alpenvorland. Immerhin erinnert in Oberndorf (Bezirk Scheibbs) ein Kriegerdenkmal an Dollfuß, in Mank (Bezirk Melk) ist ein Platz nach dem Austrofaschisten benannt.

Der Umgang mit dem Austrofaschismus

„Diese Region ist natürlich mit dem Namen Dollfuß komplett anders verbunden als Gesamtösterreich und gleichzeitig spiegeln sich dort verstärkt Fragen wider, die sich aber generell zu stellen sind – wie man mit der Zeit des Austrofaschismus, des Ständestaates umgeht“, sagt Hauer. In Workshops und an Schulen in der Region soll deswegen über Themen wie Gefährdung der Demokratie oder Menschenrechte diskutiert werden.

Das Projektteam besteht aus Christian Rabl (wissenschaftliche Leitung) sowie dem Kuratoren-Duo Remigio Gazzari und Johanna Zechner. Ziel ist es, von der Vergangenheit zu lernen, sagt Historikerin Zechner: „Die Frage, ob sich die Bevölkerung ein demokratisches Zusammenleben wünscht oder eine starke, führende Persönlichkeit ist ja auch eine, die in den heutigen politischen Diskussionen virulent ist.“ Man könne alle Themen, die um Dollfuß kreisen, in die Gegenwart tragen und diskutieren. „Das ist auch der Sinn, den wir mit dem Vermittlungsschwerpunkt erreichen wollen“, sagt Zechner im Interview mit Ö1-Redakteur Jürgen Pettinger.

Wer war Engelbert Dollfuß?

Dollfuß schaltete 1933 das österreichische Parlament aus. Die Folge war ein autoritärer Ständestaat. Mit Notverordnungen beseitigte er die Pressefreiheit, das Demonstrationsrecht und weitere Bürgerrechte. 1934 wurde er im Zuge des Juli-Putsches von Nationalsozialisten ermordet.

Verständnis für Demokratie stärken

„Was können wir von Dollfuß oder aus dieser Zeit lernen: Es braucht starke Institutionen und ein starkes demokratiepolitisches Bewusstsein“, sagt Alexander Hauer, „weil diese Demokratien permanent gefährdet sind.“ Als Folge des Vermittlungsschwerpunktes soll dann das Dollfuß-Museum in Texingtal neu gedacht werden.

Schon vor seiner Zeit als Innenminister war der damalige Bürgermeister Gerhard Karner mit Kritik konfrontiert, dass sich das Museum nicht kritisch genug mit dem Austrofaschisten auseinandersetze. Nun läuft ein breit angelegter und wissenschaftlich begleiteter Prozess für die Neukonzeption: „Für uns ist es auf jeden Falle eine Neukonzeptionierung des Hauses, das ist ja der Auftrag. Und gleichzeitig glaube ich, dass es ein Ort sein muss, an dem das demokratiepolitische Verständnis gestärkt werden muss“, so Hauer.

Interviews mit Familienmitgliedern

Aktuell werden „umfassende Erhebungen des Ist-Zustandes im derzeit geschlossenen ‚Dr. Engelbert-Dollfuß-Museum‘ und im Archiv der Gemeinde Texingtal“ durchgeführt, heißt es in einer Aussendung. Als Teil der Recherche werden demnach auch Interviews mit Mitgliedern der Familien Schmutz und Dollfuß geführt. „Sie sollen einerseits mehr Informationen über die Geschichte der Erinnerungszeichen und des Museums zu Tage fördern und andererseits einen Eindruck von der Wahrnehmung des Dollfuß-Gedenkens vermitteln“, wurde betont.

Am Ende des Prozesses soll das Geburtshaus des austrofaschistischen Kanzlers also keine Gedenkstätte mehr sein, sondern ein Ort der Auseinandersetzung mit dem Austrofaschismus und ein Ort der politischen Bildung. Für das Museum soll bis Ende 2023 ein konkretes Konzept vorliegen.

Dollfuß-Platz in Mank wird doch nicht umbenannt

Wirbel herrschte in den vergangenen Wochen auch um den nach Dollfuß benannten Platz in Mank. Der „Dr. Dollfuß-Platz“ wird vorerst doch nicht umbenannt. Stattdessen sprach sich der Gemeinderat für eine einjährige Aufarbeitungsphase aus. Ende September hatte der Bürgermeister noch eine Umbenennung angekündigt – mehr dazu in Mank: Dollfuß-Platz vorerst nicht umbenannt (noe.ORF.at; 5.11.2022).