Christopher Seiler
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„Ganz Persönlich“

Seiler: Hits kommen beim Träumen

Die Kunst ist ihm wichtig, sagt Künstler Christopher Seiler von „Seiler und Speer“. „Aufgewärmte“ Weihnachtslieder wird es von ihm also nicht geben. Ein Gespräch über Geld, Image, das neue Lied „Waun da Wind geht“ und wenn einem Hits beim Schlafen einfallen.

Christopher Seiler, geboren 1987, kommt aus Wöllersdorf bei Wr. Neustadt. 2014 gründete er gemeinsam mit Bernhard Speer die Band „Seiler und Speer“. Ihr Debütalbum „Ham Kummst“ war 2015 sechs Wochen auf Platz eins der österreichischen Charts und erhielt Fünffach-Platin. Es folgten Erfolge mit „Herr Inspektor“, „Soits leben“ oder „Ala bin“. Kürzlich ist mit „Waun der Wind geht“ ihr neuestes Lied erschienen.

noe.ORF.at: Welche glänzt schöner, die Goldene oder die Schallplatte aus Platin?

Christopher Seiler: Die erste Goldene, weil es die erste war. Alle anderen kommen eh von allein. Das soll jetzt nicht hochnäsig klingen, aber das sind halt dann irgendwelche Preise.

noe.ORF.at: Werden die Erfolge weniger wert mit der Zeit?

Seiler: Der Erfolg wird nie weniger wert. Aber ich glaube, es geht irgendwann nicht mehr um Erfolg, sondern um Anerkennung für die Kunst, die du machst. Nach dem ersten Erfolg wirst du schnell als One-Hit-Wonder abgestempelt. Das war der erste Druck, dass man zeigt, man ist kein One-Hit-Wonder.

Christopher Seiler
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Die erste Goldene (l.) hat für Christopher Seiler eine besondere Bedeutung

Alkohol „massives Problem“ in der Gesellschaft

noe.ORF.at: Wie ist denn „Ham Kummst“ entstanden? Haben Sie sich gleich gedacht, dass das ein Hit wird?

Seiler: Nein. Ich habe mir das einfach von der Seele geschrieben, obwohl es ja nicht autobiographisch ist. Ich war nie verheiratet. Ich wollte eine Geschichte erzählen und habe da offenbar einen Nerv getroffen. Vermutlich ist jeder von uns schon einmal spät nach Hause gekommen. Das Perverse an unserer Gesellschaft ist ja, dass Alkohol in unserer Gesellschaft total verwurzelt ist und immer so verniedlicht wird, obwohl es ein massives Problem ist. Und um nichts anderes geht es in der Nummer. Da singt ein Alkoholiker, der es nicht im Griff hat, dass er zu seiner Frau heimkommt.

noe.ORF.at: Um so eine gescheiterte Existenz geht es ja auch in ihrer neuen Single „Waun der Wind geht“. Das Thema bleibt Ihnen, oder?

Seiler: Ich glaube, das zieht sich wie ein roter Faden durch alle unsere Werke. Im Grunde sind wir alle gescheiterte Existenzen. Du kannst beruflich ja vollkommen sein und privat scheitern. Also ich kenne wenige Menschen, die rundum perfekt sind und mit wenige meine ich niemanden.

noe.ORF.at: Wie groß ist die Angst vor einem Misserfolg?

Seiler: Das gehört dazu. Du kannst ja keinen Erfolg haben ohne Misserfolg. Ist mir in dem Fall egal, weil die Nummer ist mir am Herzen gelegen und das Video auch. Ich weiß, andere Künstler kommen dann mit einem aufgewärmten Weihnachtsalbum daher. Ich brauche aber die hundertste Version von „Stille Nacht“ vom hundertsten Interpreten nicht. Die Nummer funktioniert seit 200 Jahren so wie sie ist. Es ist mir ein Anliegen, dass es um die Kunst geht und nicht immer ums Anbiedern, sonst würde ich jetzt auch „Last Christmas“ spielen und im Schlagergarten sitzen und mir die Nase zukoksen.

„Geld war nie mein Antrieb“

noe.ORF.at: Was hat der Erfolg mit Ihrem Leben gemacht?

Seiler: Menschlich gar nichts. Die Lebensumstände haben sich komplett geändert. Aber das wäre vielleicht auch ohne den Erfolg so, vielleicht wäre ich schon Vater und schon wieder geschieden.

noe.ORF.at: Aber der Erfolg bringt ja mit sich, dass man in der Öffentlichkeit steht und Geld hat er Ihnen auch gebracht.

Seiler: Ja, das schon. Aber von mir gibt es keine Homestories oder so. Schlagersänger haben es wesentlich schwerer. Aber die leben ja von diesem Vermarkten. Das mache ich nicht. Und Geld war nie mein Antrieb. Jeder strebt immer nach Geld, aber das bringt auch viele Probleme mit sich. Und glücklich macht es eh nicht. Ich könnte jetzt drei Euro in ein Phrasenschwein reinhauen, weil das sagt eh jeder, aber es ist so.

Wichtig ist, was man mit dem Geld macht. Man hat die Verantwortung, zu helfen. Ich habe kürzlich mit dem Pizzera Pauli über Geld geredet und er meinte, wenn du jetzt drei Millionen hast, dann ist das zu viel für einen Menschen allein. Dann muss man es nehmen und helfen.

noe.ORF.at: Und wie helfen Sie?

Seiler: Wir tun Gutes. Ich bin keiner, der sich damit schmücken will. Sagen wir einfach, wir tun Gutes.

Christopher Seiler und Eva Steinkellner-Klein (l.) im Büro von Seiler
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Eva Steinkellner-Klein traf Christopher Seiler zum „Ganz Persönlich“-Gespräch in dessen Büro

noe.ORF.at: Wie wichtig ist die Bühne?

Seiler: Da bin ich daheim. Es macht dann so einen Klick, wenn du auf die Bühne gehst. Und obwohl die Musik, die wir machen, sehr ehrlich ist, spielst du trotzdem eine Kunstfigur auf der Bühne während der Performance. Nach vier Wochen Tour, fällst du in ein Loch, weil dir was fehlt. „After Tour Depression“ sagt man dazu.

noe.ORF.at: Je größer, desto besser?

Seiler: Nein, wir spielen irrsinnig gern in kleinen Clubs, wo so ungefähr 150 Leute sind. Da ist die Energie anders. Du siehst die großen Menschenmassen eh nicht, du siehst nur die erste Reihe. Du spielst anders, explosiver. Auf den großen Bühnen bist du mehr Showman, in den kleinen Clubs mehr Mensch.

Wenn die Hits beim Träumen kommen

noe.ORF.at: Wie funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Seiler und Speer?

Seiler: Das ist verschieden. Manche Stücke träume ich. Dann wache ich um 2.00 Uhr auf und bin im Studio im Traum – mit Ed Sheeran oder so. Ich wache also auf, habe diese Nummer im Kopf, renne aufs WC, weil ich meine Partnerin nicht aufwecken will, und stehe am WC und summe die Baseline in mein Handy rein.

noe.ORF.at: Sie sind ja verlobt, obwohl ich sehe da einen Ring auf ihrem Finger…

Seiler: Das ist der Verlobungsring.

noe.ORF.at: Planen Sie Kinder?

Seiler: Ich habe zwei wunderbare Nichten. Ich will definitiv irgendwann Vater sein, aber derzeit bin ich glücklicher Onkel. Das soll jetzt nicht arrogant wirken, aber privat ist privat.

noe.ORF.at: Ein großer Bruch in Ihrem Leben war sicherlich der Unfall von Bernhard Speer. Wie war diese Zeit?

Seiler: Sie war schwer. Ich habe damals mit dem Management versucht, alles abzuschotten vom Bernhard, dass der gesund wird. Umso stolzer war ich danach, als wir mit „Ala bin“ zurückgekommen sind. In erster Linie menschlich, weil ein Freund in Lebensgefahr war und auch wegen diese Imageknicks, wobei Seiler und Speer können gar keinen Imageknick haben. Wir sind alles, was Gott verboten hat und mich grüßen trotzdem die Leute, weil ich einer von ihnen bin.

noe.ORF.at: Können Sie sich vorstellen, auch alleine zu performen?

Seiler: Das Duo Seiler und Speer steht für mich persönlich für so viel. Das steht für Werte, für Familie, unsere Band. Das steht für die vielen schöne Momente, die vielen Fans, die seit Tag eins da sind. Seiler und Speer steht für mich einfach für etwas. Aber natürlich mache ich auch immer wieder etwas allein, Lieder schreiben oder schauspielern.

noe.ORF.at: Wenn Sie zurückblicken – sind Sie zufrieden?

Seiler: Ich bin in erster Linie zufrieden, wie mein Leben verlaufen ist. Ich könnte weinen, wenn ich meine Nichten lachen sehe. Ich freue mich jetzt schon auf Weihnachten. Und ich werde sicherlich weinen, wenn sie ihre Geschenke aufmachen. Ich bin zufrieden und vor allem demütig und stolz, dass ich dadurch anderen helfen kann. Denn das muss man sich einmal vorstellen, wenn man in Österreich die Stromrechnung nicht mehr bezahlen kann. Du bekommst einen Erlagschein und alles – deine Pläne und Perspektiven – ändern sich.