Bodenversiegelung Sujet
ORF/Tobias Mayr
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Umwelt & Klima

Land sagt Bodenversiegelung den Kampf an

Das Land investiert sechs Millionen Euro in die Entsiegelung von Flächen. Städte und Gemeinden sollen mit dem Geld ungenützte Asphaltflächen renaturieren. So sollen etwa auch die Ziele der Bundesregierung in Sachen Bodenverbrauch erreicht werden.

Rund ein Hektar Boden wird jeden Tag in Niederösterreich verbaut: durch Neubau, Parkplätze, Industrie- oder Gewerbeflächen. Dieser Wert ist zuletzt zwar gesunken, doch die Bundesregierung hat im Regierungsprogramm das Ziel von nicht mehr als 2,5 Hektar Flächenverbrauch pro Tag verankert – bundesweit. Um das zu erreichen, müsste Niederösterreich seinen Anteil auf einen halben Hektar pro Tag halbieren.

Deshalb stellt das Land nun sechs Millionen Euro für einen „blau-gelben Bodenbonus“ zur Verfügung. Städte und Gemeinden können damit ungenützte versiegelte Flächen renaturieren, abgewickelt wird die Förderung durch die Energie- und Umweltagentur des Landes (eNu). Als Beispiel nannte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einen entsiegelten Dorfplatz, die Begrünung von Parkplätzen mit Rasensteinen oder die Renaturierung ehemaliger Industrieflächen. „Wir wollen unsere Böden wieder atmen lassen“, gab die Landeshauptfrau als Motto aus.

Kulturräume und Dorfcharakter erhalten

Auch in der Raumplanung werde verstärkt gegen den Flächenfraß vorgegangen, betonte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Es dürfe keine weitere Zersiedelung mehr geben, stattdessen solle der Charakter der Dörfer erhalten werden. „Wir wollen unsere Böden schützen und gleichzeitig sinnvoll nützen“, so Pernkopf und nannte Landesinitiativen wie die Widmungsbremse für neue Baulandvorhaben, die Festlegung von fixen Siedlungsgrenzen als „rote Linien“ für Bauvorhaben und die Mobilisierung von ungenützten Baulandreserven.

Hafnerbach Parkplatz
ORF/Tobias Mayr
So könnten Plätze aussehen: Der Dorfplatz von Hafnerbach (Bezirk St. Pölten) ist bereits mit Rasensteinen renaturiert worden

„Wir sind heute das Bundesland mit der geringsten Flächeninanspruchnahme und der geringsten Versiegelung“, so Pernkopf weiter. Das Land nennt unter Berufung auf Daten des Umweltbundesamtes einen Versiegelungsanteil von 6,1 Prozent in Niederösterreich. In Tirol sind es 11,4 Prozent, in Wien sogar 34,9 Prozent. Der Bundesschnitt liegt bei 7,6 Prozent. Als Grundgesamtheit dieser Berechnung gilt der Dauersiedlungsraum, er bezeichnet alle bewohnbaren und gewerblich nutzbaren Flächen.

NÖ hat zweithöchsten Pro-Kopf-Bodenverbrauch

Nicht bewohnbare Flächen wie Alpinregionen, die in Niederösterreich selten, in Tirol dafür häufig sind, zählen dazu etwa nicht. Entsprechend groß ist der Anteil des Dauersiedlungsraumes in Niederösterreich (58 Prozent der Landesfläche), entsprechend klein ist er etwa in Tirol (zwölf Prozent). Anders ausgedrückt: Niederösterreich hat in dieser Statistik einen gewissen Startvorteil, weil der verfügbare Siedlungsraum deutlich größer ist als anderswo.

Bodenverbrauch nach Anteil im Dauersiedlungsraum:
Versiegelte Fläche/Größe des Dauersiedlungsraums

Bodenverbrauch pro Kopf:
Versiegelte Fläche/Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner

Ganz anders schneidet Niederösterreich dagegen beim Blick auf den Bodenverbrauch pro Einwohner ab. Pro Kopf verbraucht jeder Niederösterreicher und jede Niederösterreicherin im Schnitt 409 Quadratmeter Boden. Nur im Burgenland sind es mit 510 Quadratmetern noch mehr, in Tirol sind es 226 Quadratmeter, in Wien sogar nur 58 Quadratmeter pro Einwohner. Je weniger Siedlungsfläche also zur Verfügung steht, desto geringer ist der Bodenverbrauch pro Kopf.

Niederösterreich ist Land der Einfamilienhäuser

Den Grund für den hohen Pro-Kopf-Bodenverbrauch sieht der Raumplaner Thomas Knoll in der hohen Einfamilienhausdichte in Niederösterreich. Das schlage sich im Flächenverbrauch pro Kopf nieder. In den 1980er und 1990er Jahren sei „auf Teufel komm raus“ Boden umgewidmet worden. Für Niederösterreichs heutigen Reichtum sei die damalige Bautätigkeit mitverantwortlich. Aber: „Jetzt müssen wir sparen. Wir müssen aufpassen, dass wir die tolle Kulturlandschaft in Niederösterreich erhalten“, warnt Knoll.

Durch Entsiegelung solle ein „Plus“ in der Verbrauchsbilanz entstehen, damit die Ressource Boden der Natur wieder zurückgegeben werden kann, so Knoll. Es gehe darum, über die nächsten Jahre und Jahrzehnte beim Flächenverbrauch nicht nur einzusparen, sondern auch möglichst viele verbrauchte Flächen zurückzubauen.

Delegation Ile de France
ORF/Helmut Stamberg
Valérie Pécresse (4. v. l.) informierte die Landesregierung unter anderem über das Thema Bodenversiegelung

Tipps aus Frankreich

Um das zu schaffen, setzt das Land unter anderem auf Erfahrungswerte aus der Ile de France, der Metropolregion um Paris in Frankreich. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner traf die Präsidentin des Regionalrates der Region Ile de France, Valérie Pécresse, am Dienstag in St. Pölten. Herausforderungen und Lösungsansätze im Kampf gegen den Klimawandel seien diskutiert worden, so Mikl-Leitner. Ein Arbeitsübereinkommen wurde unterzeichnet.

„Im Bereich der Entsiegelung sind wir am Beginn. Die Ile de France hat hier schon einiges an Erfahrung, und da gilt es von den Besten der Besten zu lernen“, so Mikl-Leitner im Anschluss an das Gespräch. „In der Ile de France haben wir bereits 500 Hektar Fläche renaturiert“, erzählte Pécresse. „Das Ziel ist, weitere 5.000 Hektar Natur in die Städte zu bringen.“ Umgekehrt könne man von Niederösterreich wertvolle Impulse im Ausbau von erneuerbaren Energien mitnehmen, betonte Pécresse.