Ukraine-Krieg und Inflation – die wirtschaftliche Lage lässt derzeit wenig Hoffnung zu, dass der Rekordabbau der Arbeitslosigkeit auch im neuen Jahr fortgesetzt wird. Tatsächlich ist am Arbeitsmarkt bereits eine Veränderung zu beobachten, sagt Sven Hergovich, Geschäftsführer des AMS Niederösterreich im Interview mit noe.ORF.at.
„Wir sehen erste Anzeichen dafür, dass sich die Konjunktur eintrüben wird. Wir rechnen damit, dass die Arbeitslosigkeit nächstes Jahr steigen wird – allerdings weit nicht so hoch, wie sie in Corona-Zeiten gestiegen ist“, so Hergovich, der das vor allem mit dem demographischen Wandel begründet: „Besonders geburtenstarke Jahrgänge gehen jetzt in Pension, viele neue Stellen werden frei und damit wird der Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Weitem nicht so dramatisch sein wie zu Corona-Zeiten.“
2022: Viele Stellen durch kräftiges Wirtschaftswachstum
Ganz anders als die Prognose für 2023 liest sich die vorläufige Bilanz für 2022. Das kräftige Wirtschaftswachstum und dadurch mehr offene Stellen zur Besetzung sorgten laut AMS für den starken Rückgang der Arbeitslosen. Durchschnittlich waren heuer 41.100 Menschen in Niederösterreich arbeitslos gemeldet. Das sind um 20,9 Prozent weniger als im Jahr 2021, und auch um 19 Prozent weniger als im Vorkrisenjahr 2019.

Bei Frauen sank die Arbeitslosigkeit mit minus 22,7 Prozent stärker als bei Männern mit 19,4 Prozent. Bei der Generation 50+ verzeichnete das AMS einen Rückgang von 22,5 Prozent, minus 15 Prozent waren es bei den Jugendlichen bis 25 Jahre. Besonders erfreulich: Die Langzeitarbeitslosigkeit sank um 46,8 Prozent und wurde damit beinahe halbiert.
Langzeitarbeitslosigkeit sinkt durch intensive Beratung
Letzteres führt der AMS-Chef auf eine Organisationsreform beim AMS zurück. Ziel war es, möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Beratungs- und Vermittlungsbereich zu versetzen – „denn das, was am intensivsten wirkt, ist, wenn Langzeitarbeitslose gut betreut werden, wenn viel Zeit zur Verfügung steht, um zu schauen, wo die individuellen Problemlagen liegen“, so Hergovich.
Zuvor habe eine Beraterin oder ein Berater im Schnitt 350 Arbeitssuchende betreut, jetzt seien es 220. „Damit konnten wir intensiver vermitteln. Ich glaube, das hat sehr dazu beigetragen, dass wir die Langzeitarbeitslosigkeit in Niederösterreich in diesem Jahr halbieren konnten.“

200.000 Menschen, die nicht arbeiten wollen
Auch 2023 liege der Fokus auf intensiver Beratung und damit auf einem weiteren Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit, heißt es. Ein Ziel sei es auch jene anzusprechen, die gar nicht beim AMS gemeldet, aber gesund und im erwerbsfähigen Alter sind – kurzum: Menschen, die nicht arbeiten wollen. In Niederösterreich seien das 200.000 Menschen, für Hergovich „ein sehr, sehr großes inländisches Arbeitskräftepotenzial, das durchaus zu heben ist.“
„Da gibt es viele Personen, die gute Gründe haben, zum Beispiel, weil sie Haushaltsführende sind und lieber auf ihre Kinder schauen. Das respektieren wir. Aber wir wissen, da gibt es durchaus auch Personen, die sagen, wenn die Rahmenbedingungen passend wären, wenn es einen passenden Beruf, ein passendes Angebot für mich gäbe, wenn es eine gute Kinderbetreuung gäbe, dann wäre ich bereit, in den Arbeitsmarkt einzusteigen“, ist der AMS-Chef überzeugt. Von über 30.000 haushaltsführenden Personen in Niederösterreich will man es schaffen, einige tausend mit geeigneten Maßnahmen in den Arbeitsmarkt zu integrieren.