Jessica Teusl
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„Ganz Persönlich“

Pokerweltmeisterin: „Ohne Glück geht’s nicht“

Die Wiener Neustädterin Jessica Teusl ist dreifache Pokereuropameisterin und im Juli hat sie sich in Las Vegas (USA) zur Pokerweltmeisterin gespielt. Mit noe.ORF.at spricht die 32-Jährige über Glück, Bluffen und Millionen-Gewinne.

Jessica Teusl, geboren 1990 in Wiener Neustadt, ist selbstständig und hat ihre eigene Werbeagentur. Das Pokern bezeichnet sie als ihre Leidenschaft. Im Juli gewann sie den für Frauen wohl begehrtesten Titel der Welt im Pokern: die Frauen-WSOP (World Series Of Poker) in Las Vegas. Mit dem Titel ging eine Siegesprämie von 167.000 Dollar einher.

noe.ORF.at: Was ist Glück und was ist Können beim Pokern?

Jessica Teusl: Du kannst diesen Glücksfaktor einfach niemals ausschalten. Ich habe die Weltmeisterschaft gewonnen und zwei Wochen später die Europameisterschaft nicht. Es gibt einfach diesen Faktor Glück. Natürlich kann man sich sehr viel beibringen und lernen, wann ich bestimmte Bluffs machen kann oder eher lassen sollte. Aber das Glück sollte schon auf deiner Seite sein, weil sonst wird es auch für Spieler, die sehr gut im Pokern sind, sehr schwierig, ein Turnier zu gewinnen.

noe.ORF.at: Bluffen Sie oft?

Teusl: Ich kann es, ja. Aber ich muss ehrlich gestehen, dass ist das, was mir am Anfang am schwierigsten gefallen ist. Als Frau traut man sich nicht wirklich, ein Risiko einzugehen. Die Männer, die sind ja auch von der Evolution her, von der Geschichte eher Jäger, die sich um die Frauen kümmern. Es gibt Momente, da hast du vier Stunden lang die besten Karten und dann gibt es Turniere, da wartest du drei, vier Tage lang auf gute Karten und du kriegst gar keine. Und da war es für mich schon schwierig, auf Risiko zu spielen.

Man darf sich das natürlich nicht anmerken lassen. Ich hatte das lustigerweise am Wochenende bei einem Turnier. Da war ein Spieler, der mich sehr hartnäckig aufgefordert hat, rauszukommen. Ich dachte mir, wenn er wirklich gute Karten hat, würde er nicht so drängen. Dann habe ich ihn angeschaut und der hat sich gar nicht wohlgefühlt. Und dann schaut man auf die Halsschlagader. Und er hatte tatsächlich geblufft. Bei Turnieren, wo viele gute Spieler sitzen, versuche ich möglichst viel von mir zu bedecken. Ich sitze dort mit Schals und versuche keine Signale zu geben und fixiere einen Punkt, auf den starre ich dann, um möglichst wenig preiszugeben.

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Jessica Teusl (r.) im „Ganz Persönlich"-Interview mit Eva Steinkellner-Klein im Casino Wien

noe.ORF.at: Wird viel geschummelt? Ist das überhaupt möglich?

Teusl: Wenn man seriöse Locations sucht zum Pokern, dann nicht. Aber in Las Vegas hat es die Situation gegeben, wo ich selbst überrascht war: Eine Frau, die ganz lieb und zuckersüß geschaut hat, 22 Jahre alt, hat quasi in der Pause die Chips von einem anderen genommen und in ihre Handtasche gegeben. Es kommt aber nicht oft vor. Mittlerweile ist alles überwacht.

noe.ORF.at: Wie sind Sie zum Pokern gekommen?

Teusl: Mein Bruder und ich, wir wussten damals nicht, was wir dem Papa zu Weihnachten schenken sollen. Wir haben ihm dann ein Poker-Buch geschenkt. Und er hat das meinem Bruder und mir dann beigebracht. Meine Leidenschaft war geweckt. Mit 18 war ich das erste Mal im Casino. Das Spiel hat mich irgendwie fasziniert. Ich habe einfach eine Leidenschaft entwickelt. Und dann ist es immer mehr und mehr geworden. Es war eigentlich ein Hobby meines Papas und meines Bruders.

noe.ORF.at: Wie viel Geld haben Sie mit Pokern schon verdient?

Teusl: Also jeder hat den Traum vom großen Geld. Auch ich habe den Traum einmal die World Series of Poker in Las Vegas zu gewinnen. Tatsächlich hat es noch nie eine Frau gegeben, die dieses Turnier gewonnen oder es an den Finaltisch geschafft hat. Dort gewinnt man als Sieger acht bis neun Millionen Dollar.

Aber man darf sich keine falschen Illusionen machen: Im Sommer habe ich zum Beispiel in Monte Carlo 30 Spiele verloren, da habe ich nichts gewonnen. Man muss sehr vorsichtig sein, weil man glaubt, das ist das schnelle Geld. Aber so funktioniert das nicht. Man sollte das Spiel gut kennen.

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Bei Pokern gewinne man nicht das schnelle Geld, sagt Teusl

noe.ORF.at: Das heißt, Sie werden den Beruf, Ihre Werbeagentur, nicht aufgeben?

Teusl: Mittlerweile bin ich mehr im Social-Media-Bereich, wo ich auch sehr viel influencermäßig unterwegs bin. Das werde ich sicherlich in den nächsten Jahren nicht aufgeben, weil einfach das Pokerspiel zu variantenreich ist. Es ist natürlich mein Hobby, meine Leidenschaft, und ich stecke sehr viel Zeit rein, aber dass ich mich nur darauf verlasse, dass würde ich nicht machen. Das würde ich auch keinem raten. Das muss ich ganz ehrlich sagen.

noe.ORF.at: Im Sommer sind Sie Pokerweltmeisterin geworden. Was war das für ein Gefühl?

Teusl: Es war zunächst einmal sehr unrealistisch, weil es war ja mein erstes Mal Las Vegas und es war noch Pandemie, wir waren alle krank. Und zweitens träumt man zwar davon, aber alle haben gesagt, bitte, du fliegst das erste Mal nach Las Vegas und du träumst, dass du mit diesem Titel kommst. Es war eine Achterbahnfahrt.

Ich war dazwischen einmal kurz vorm Ausscheiden. Aber dann im Finale wurde es immer realistischer. Ich war nervös ohne Ende, mir ist das Herz wirklich fast in die Hose gerutscht. Und plötzlich wird dieser unrealistische Traum real. Und am nächsten Tag ist es schon losgegangen mit ganz, ganz vielen Medienanfragen aus dem In- und Ausland.

noe.ORF.at: Lieben Sie das Risiko?

Teusl: Ich liebe das Risiko, aber schon mit einer bestimmten Sicherheitsstufe. Beim Pokern kann man verschiedene Gesichter von sich zeigen. Ich wollte auch sehr lange Schauspielerin werden oder Moderatorin. Das ist halt das Tolle am Pokern, man kann das alles ausleben – dass man so tun kann, als ob. Das ist schon etwas, was mir sehr gefällt.

noe.ORF.at: Ihr Freund ist auch Pokerspieler, auch sehr erfolgreich. Spielen Sie gemeinsam?

Teusl: Wir spielen ab und zu online, zum Beispiel, wer die Küche aufräumt oder wer schnell einkaufen geht.

noe.ORF.at: Wer gewinnt?

Teusl: Ich, aber das hört er nicht gern (lacht). Ich gewinne öfters bei den Sachen, die ihm egal sind.

noe.ORF.at: Wie gehen Sie damit um, dass Glücksspiele manche in die Sucht treiben?

Teusl: Man muss aufpassen, egal ob das jetzt Glücksspiel ist, ob das Cocktails trinken, feiern gehen ist oder einkaufen. Man kann ja von allem süchtig werden. Da gibt es mittlerweile wirklich viele Hotlines in Österreich, die den Leuten helfen, wenn man merkt, dass man selber in Gefahr ist. Ich habe es immer so gehandhabt: Ich habe was auf die Seite gelegt, angespart. Und das habe ich zum Pokern verwendet. Mehr habe ich nicht verwendet.

noe.ORF.at: Was sind die drei wichtigsten Tipps, um ein Spiel zu gewinnen?

Teusl: Das Allerwichtigste ist Geduld. Dann, dass man nicht über sein Limit geht. Und dass man mit Niederlagen umgehen kann. Manchmal trifft man im Leben Entscheidungen, die man im Nachhinein nicht beeinflussen kann, aber man muss halt lernen, damit umzugehen. Das hat mich Poker auch gelehrt in den letzten Jahren.

noe.ORF.at: Was ist das nächste große Ziel für Sie?

Teusl: Ich hab es vorher schon kurz erwähnt: Es gibt auch diese gemischte Weltmeisterschaft, wo Frauen und Männer mitspielen. Da bekommt der Gewinner wirklich eine große Summe, mehr als acht, neun Millionen. Das ist aber so ein Traum, wie gesagt, es hat noch nie eine Frau geschafft. Aber wer weiß.