Elina Garanca
Katharina Schiffl
Katharina Schiffl
Kultur

Elina Garanca: „Mir geht es um Emotion“

Opernstar Elina Garanca wird 2023 einmal mehr Klassik auf international hohem Niveau nach Göttweig und Kitzbühel bringen. Im noe.ORF.at-Interview spricht sie über emotionale Erfahrungen bei Open-Air-Auftritten und warum sie für einen Sieg der Ukraine betet.

Am 5. Juli 2023 wird das Stift Göttweig (Bezirk Krems) wieder zur Freiluftbühne umfunktioniert, drei Tage später ist Kitzbühel in Tirol, nahe der Streif, an der Reihe. Für „Klassik unter Sternen“ und „Klassik in den Alpen“ wird Elina Garanca gemeinsam mit einer jungen Künstlerin oder einem jungen Künstler auf der Bühne stehen – wer das sein wird, weiß sie aber noch nicht. Das wird erst beim Gesangswettbewerb „ZukunftsStimmen“ im Frühjahr entschieden. Warum sie ihre Erfahrungen später nicht mit ins Grab nehmen möchte und welche Rolle der Ukraine-Krieg bei ihren Konzerten spielt, erzählt sie im Interview mit noe.ORF.at.

noe.ORF.at: Nächstes Jahr werden zwei Jubiläen gefeiert, 15 Jahre „Klassik unter Sternen“ in Göttweig und zehn Jahre „Klassik in den Alpen“ in Kitzbühel. Sie sind eine vielbeschäftigte, international erfolgreiche Künstlerin. Was bewegt Sie dazu, diesen beiden Bühnen so sehr die Treue zu halten?

Elina Garanca: Das Publikum. Es wächst von Jahr zu Jahr oder hält sich. Die begeisterten Augen, die wir sehen, wenn wir am Ende des Konzerts bei der letzten Verbeugung stehen, der Applaus, den wir haben, die Energie, die Menschen. Wir sind unglaublich stolz darauf. Ich hätte mir gar nicht gedacht, dass es schon 15 Jahre sind – aber das zeigt nur, dass die Qualität und die Vielseitigkeit der Programme und Künstler so erfolgreich sind.

noe.ORF.at: Wenn Sie jetzt zurückblicken, gibt es bestimmte Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung bleiben, besonders emotional waren?

Garanca: Private Erlebnisse. Ob man schwanger gesungen hat oder gerade nach der Geburt zum ersten Mal Ave Maria. Wir sind bei elf Grad und Regen aufgetreten, danach musste jeder einen Schnaps oder zwei trinken. Wir haben gesungen und beim letzten Ton kam auf einmal ein Regenguss – und das treue Publikum blieb sitzen, mal mit gelben, mal mit blauen, mal mit roten Regenmänteln.

Das sind Erinnerungen, die ich wahrscheinlich nie vergessen werde. Man sieht dort auch im Gegensatz zu Opernhäusern, wie die Leute vor dem Konzert wie kleine Ameisen zusammenkommen. Wir fahren in der Pause oder nach dem Konzert mit einem Golfcart vorbei und dann trinkt man vielleicht noch etwas zusammen. Das ist familiär.

Elina Garanca
Katharina Schiffl
Elina Garanca im Gespräch mit ORF-NÖ-Redakteur Felix Novak

noe.ORF.at: Gewisse musikalische Höhepunkte der vergangenen Jahren werden im kommenden Jahr wiederkehren. Können Sie schon verraten, was Sie gemeinsam mit Ihrem Mann, dem Dirigenten Karel Mark Chichon, planen?

Garanca: In diesen 14 Jahren ist das Mezzo-Sopran-Repertoire schon ziemlich ausgesungen worden. Jetzt steigen wir ein ins Mezzo-Sopran-Fach. Ich finde es spannend, dass ich auch nach so vielen Jahren Neues anbieten kann. Wir haben ein Haus in Spanien namens Villa Tosca und eine Bar namens Scarpia, benannt nach unserer Lieblingsoper. Ich werde nun die Tosca-Arie „Vissi d’arte“ singen.

Wir sehen aber auch, dass das Publikum zum Ende des Konzerts berühmte Arien oder Melodien hören will, deshalb basteln wir ein Medley zusammen, wo ein Highlight dem anderen folgt. Es ist jedes Mal eine Freude, weil man dann einfach so viel Energie bekommt.

noe.ORF.at: Sie sprechen die Tosca-Arie an. Inhaltlich geht es dabei um Tosca, die vor Gott mit ihrem Schicksal hadert, die anklagt, wieso sie unverschuldet in eine schwierige Situation gekommen ist. Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine?

Garanca: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Man sagt in der slawischen Kultur sehr oft, dass nur unglückliche Seelen schön singen oder musikalische Highlights kreieren können. Vielleicht ist da etwas Wahres dran. Mir geht es einfach um eine gewisse Emotion, deswegen das Repertoire. Ich glaube, in dieser Zeit ist ein Gebet an Gott oder an wen oder was immer wir glauben eine Notwendigkeit geworden – ob das jetzt der Ukraine-Krieg ist oder die Verlorenen durch Covid – ich glaube, wir müssen auch für uns ein bisschen Menschlichkeit wiederfinden.

noe.ORF.at: Schon 2022 haben sich Ihre Konzerte klar gegen den russischen Angriffskrieg gewandt. Der Krieg ist ja noch nicht aus – ist Ähnliches jetzt wieder geplant?

Garanca: Das kann ich nicht beantworten, wir wissen ja nicht, was nächstes Jahr passieren wird. Wir hoffen natürlich, dass es bis dahin vorbei ist. Ob das ein Sieg zu Ostern ist oder ein bisschen später, wissen wir nicht. Aber ich hoffe und bete, dass es tatsächlich ein Sieg der Ukraine wird.

Klassik unter Sternen 2022
ORF
Bei „Klassik unter Sternen“ im Juli 2022 sang Garanca auch zugunsten der Opfer des Ukraine-Kriegs

noe.ORF.at: In Ihrer Geburtsstadt Riga ist die Solidarität mit der Ukraine nach wie vor enorm. Merken Sie, dass die Solidarität in Österreich in den vergangenen Monaten abgeflaut ist?

Garanca: Nicht nur in Österreich. Ich glaube, die Leute wollen negative Schlagzeilen nicht lange lesen. Bei Covid hat es ja auch nur ein paar Monate gedauert, bis alle wieder zum Alltag übergegangen sind. Wir sind es nicht mehr gewöhnt, geduldig zu sein. Sehr viele haben nicht diesen Bezug dazu, was da tatsächlich passiert und worum es geht.

Vor mehreren Jahren war die lettische Präsidentin mehrmals bei großen Talkshows wie BBC oder CNN und hat gewarnt. Sie wurde beschimpft, doch jetzt sind diese Vorhersagen alle wahr geworden. Man fragt sich, warum große Länder kleineren Ländern nicht etwas mehr zugehört haben. Deswegen ist es auch teilweise meine Aufgabe, immer wieder zu sagen, es ist dort noch Krieg und wir müssen weiterhin helfen.

Der Gesangswettbewerb „ZukunftsStimmen“ richtet sich an Sängerinnen und Sänger aller Stimmlagen, die zwischen 18 und 32 Jahre alt und österreichische Staatsbürger sind. Bewerbungen sind ab sofort möglich. Der Sieger oder die Siegerin wird in Göttweig und Kitzbühel auftreten und bekommt einen Förderbetrag.

noe.ORF.at: Sie waren in den Jahren rund um den politischen Umbruch in Lettland und haben dort Ihre Karriere begonnen. Wie war dort die künstlerische Nachwuchsförderung – auch im Vergleich zu Österreich? Hier fördern Sie ja selbst heute mit Ihrem Gesangswettbewerb junge Künstler.

Garanca: Damals war jeder für sich. Zuerst war da diese Geschlossenheit und auf einmal hatten wir unglaubliche Freiheit. Sehr viele Leute sind dann wie Kakerlaken beim Einschalten des Lichts in alle Richtungen geflogen. Mit der Zeit sind natürlich Fonds gegründet worden, Banken und Privatleute haben begonnen, Künstler zu unterstützen.

Aber mein Anfang war ziemlich einsam im Vergleich zu dem, was man heute bekommen könnte. International gibt es eine unglaubliche Freiheit, es gibt Programme und Stipendien. Ich möchte jetzt das Persönliche und meine direkten Erlebnisse weitergeben. So kann ich vielleicht den Weg für jüngere Sänger verkürzen. Mir macht das Spaß und ich bin auch Realistin. In zehn, 15 Jahren werde ich wahrscheinlich nicht mehr so viel singen. Deswegen wäre es schade, einfach alles, was ich weiß, mit ins Grab zu nehmen. Es ist ein sehr, sehr beglückendes Gefühl, wenn man etwas weitergeben kann.

noe.ORF.at: Auch diesen Wettbewerb gibt es schon seit einigen Jahren. Haben Sie verfolgt, wie es mit den Siegerinnen und Siegern der letzten Jahre weitergegangen ist?

Garanca: Sicher, wir sind in Kontakt. Sie haben meine Handynummer und meine E-Mail-Adresse, rufen an oder hinterlassen Nachrichten. Manchmal fragen sie vor einer Entscheidung, was sie machen sollen. Die Gewinner der ersten beiden Jahre sind etwa in Theatern in München und Salzburg engagiert. In kleineren Theatern kann man eigene Erfahrungen sammeln und auch vielleicht kleine Fehler machen, ohne dass man sofort beobachtet wird.

Die junge Mezzosopranistin von heuer, Marie-Sophie Janke, beendet jetzt ihr Studium, hat aber eine Idee, wo sie hin will. Wir haben schon mehrmals am Repertoire gearbeitet. Sie alle wissen, wenn sie irgendeine Sorge haben, können sie mich immer anrufen.