Schwester Franziska Madl
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„GANZ PERSÖNLICH“

Nonne: „Kirche hat schlechtes Image“

Franziska Madl ist seit vier Jahren Priorin der Dominikanerinnen Wien. Wie die gebürtige Niederösterreicherin mit dem Nachwuchsproblem in ihrem Orden umgeht und wieso die Kirche ein Imageproblem hat, erzählt sie im Interview mit noe.ORF.at.

noe.ORF.at: Schwester Franziska, die Adventzeit ist die Zeit der Besinnung, der Einkehr, der Ruhe. Aber für viele ist es gerade so kurz vor Weihnachten die hektischste Zeit. Warum?

Franziska Madl: Es wird in die Adventzeit vor Weihnachten viel hineingepresst. Man hat das Gefühl, man muss da noch ganz viel unterbringen. Die Einkäufe erledigen, die ganze Firmenweihnachtsfeiern. Als ob zu Weihnachten alles zusperren und dann wochenlang nicht mehr aufsperren würde. Was faktisch ja nicht so ist. Aber das ist dieses Gefühl mit dem wir herumlaufen.

noe.ORF.at: Hat der Advent seine ursprüngliche Bedeutung verloren?

Madl: In der Hinsicht schon. Es ist eigentlich eine Zeit der Besinnung, der Umkehr und der Buße und sollte eine stille Zeit sein. Es bringt uns auch im Kloster ab und zu zum Lachen – so still ist es bei uns auch nicht mit dem Schulbetrieb und dem Drumherum. In der Hinsicht hat er ein bisschen seine Bedeutung verloren.

noe.ORF.at: Zum Standort des Konvents des Dominikaner-Ordens gehören ein Gymnasium, eine Mittelschule, eine Volksschule und ein Hort. Kann sich ein Orden das überhaupt noch leisten?

Madl: Ich weiß nicht, ob es eine Frage ist von sich leisten können, eher ein sich leisten wollen. Es hängt natürlich an so einem großen Schulbetrieb sehr viel dran – personell auch an Planung, auch finanziell. Wir haben schon Anfang der 2000er-Jahre begonnen, uns Gedanken zu machen, wie sich dieser Betrieb führen lässt, wenn wir Schwestern immer älter und immer weniger werden und haben versucht, im Voraus zu planen und vorzusorgen. Wir haben einen eigenen Schulverein gegründet, den Schulverein der Dominikanerinnen, der in unserem Sinne diesen Betrieb führt. Und wir wollen uns das noch leisten – weniger können, wir wollen.

Ordensschwestern werden weniger

noe.ORF.at: 2015 hat es in Österreich noch fast 4.000 weibliche Ordensmitglieder gegeben, 2021 knapp 2.800. Sie haben selbst in einem Interview gesagt, wir werden älter und weniger. Was sind die Auswege?

Madl: Wenn wir das wüssten, könnten wir das Problem leicht beheben. Es gibt da keine simple Antwort darauf. Fakt ist, dass unsere Altersstruktur einfach so ist, dass viele Schwestern gleichzeitig alt werden und viele Schwestern sterben. Deshalb dieser rasche Rückgang, was die Zahlen betrifft. Ein Bekannter von mir hat vor einiger Zeit gesagt, der Pool, aus dem wir „fischen“ wird immer kleiner.

Wenn immer weniger Menschen ihren Glauben praktizieren und ihnen ein religiöses Leben wichtig ist, dann wird natürlich auch die Zahl derer, die sich die Frage stellen, ob eine Berufung vielleicht das ihre sein könnte, auch immer geringer. Und es wird aufgrund der Altersstruktur natürlich schwieriger. Es ist einfach für junge Menschen schwierig in einer Gemeinschaft zu leben, wo die Mehrheit über 80 ist.

noe.ORF.at: Wie geht es Ihnen selbst damit? Wie viele Schwestern haben Sie hier im Konvent und was war der Höchststand?

Madl: Wir sind momentan neun Schwestern. Wir waren mal weit über 100 Schwestern. Es waren nicht alle 100 Schwestern hier in diesem Haus. Wir hatten mehrere Filialen. Inzwischen sind wir wieder – muss man sagen – klein geworden, weil wir in der Anfangszeit ja auch eine kleine Gemeinschaft waren.

Schwester Franziska Madl und Robert Friess
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Franziska Madl im Gespräch mit Robert Friess im Gebäude des Dominikanerinnen-Ordens in Wien-Hietzing

noe.ORF.at: Wir leben in einer Zeit der Krise. Wir haben die Pandemie. Wir spüren alle die Auswirkungen des Ukraine-Krieges. Da nimmt man an, dass es wieder eine Zuwendung zum Glauben geben könnte. Wieso ist dem nicht so?

Madl: Ich glaube, dass viele Menschen, wenn sie auf der Suche sind, nicht unbedingt mehr den klassischen Orten suchen. Früher war es so, das habe ich in meiner Kindheit noch so erlebt: Im Pfarrhof ist jemand da. Da gibt es den Pfarrer, die Pastoralassistentin, die Haushälterin. Wenn immer jemand da ist, wenn man Hilfe braucht, wenn man mit jemandem reden will, dann kann man dort hingehen.

Auf die Idee kommen die meisten Menschen gar nicht mehr. Abgesehen davon, dass ja auch viele Pfarrhöfe nicht mehr durchgehend besetzt sind. Das Internet bietet eine große Möglichkeit, Informationen zu finden. Und da wird man in unterschiedlichsten Richtungen fündig.

Kirche beschäftige sich „viel zu viel mit sich selbst“

noe.ORF.at: Hat die Kirche das ein verschlafen? Soziale Medien, mehr Engagement in der Öffentlichkeit?

Madl: Ich weiß nicht, ob die Kirche das verschlafen hat. Das würde ich nicht sagen. Es ist durchaus so, dass die Kirche ein schlechtes Image hat. Das ist sicher einer der vielfältigen Gründe, warum Menschen nicht mehr auf die Idee kommen, bei der Kirche zu suchen.

noe.ORF.at: Was kann die Kirche gegen das schlechte Image tun?

Madl: Mehr für das leben und sich einsetzen, wofür sie im Kern da ist und sich weniger mit sich selber beschäftigen. Ich glaube tatsächlich, dass die Kirche sich viel zu viel mit sich selber beschäftigt. Was bringt es automatisch mit sich, dass man ganz viel um sich selbst und die eigenen Probleme kreist? Dafür ist die Kirche nicht da. Die Kirche ist für die Menschen da.

noe.ORF.at: Sie kommen aus Unterloiben (Bezirk Krems) in der Wachau und sind mit 21 gegen den Willen ihrer Eltern in den Dominikaner-Orden eingetreten. Hat es Widerstand aus der Familie gegeben?

Madl: Gegen den Willen meiner Eltern ist ein bisschen übertrieben ausgedrückt. Sie waren nicht besonders begeistert. Sie wussten relativ wenig darüber, wie es in einem Kloster ist und haben sich einfach Sorgen gemacht, auf was ich mich da einlasse. Es hätte ja auch eine Sekte sein können. Es hat einige Zeit gedauert, dass sie sich mit der Idee anfreunden konnten.

noe.ORF.at; Wie ist es für Sie persönlich zu dieser Entscheidung gekommen?

Madl: Ich habe als Kind schon gewusst, dass ich in irgendeiner Form ein religiöses Leben führen will. Obwohl ich das Wort ‚religiöses Leben‘ nicht dafür verwendet hätte. Ich habe von meinen Großeltern einen bodenständigen, angenehmen katholischen Glauben vorgelebt bekommen – unprätentiös, den habe ich als große Bereicherung für mein Leben empfunden. Und ich habe als Kind gewusst, dass mir meine Beziehung zu Jesus Christus wichtig ist und dass ich irgendetwas beruflich in diese Richtung machen möchte.

Lieblingsbands: Linkin Park, Metallica

noe.ORF.at: In Ihrer Freizeit besuchen Sie gerne Rockkonzerte. Sie hören Musik von Linkin Park, Metallica. Wie passt das zusammen?

Madl: Warum passt es nicht zusammen? Es ist für mich kein Widerspruch. Es ist einfach Musikgeschmack, so wie jemand gerne Oper hört oder Barockmusik. Ich höre zum Beispiel auch sehr gerne Barock- und Renaissancemusik. Es ist eine Frage des persönlichen Geschmacks.

noe.ORF.at. Sie waren einmal bei einem U2-Konzert nicht nur im Publikum, sondern Leadsänger Bono hat Sie auf die Bühne geholt. Wie ist es dazu gekommen?

Madl: Ich habe als Freiwillige an diesem Tag vor dem Stadion gearbeitet für die Hilfsorganisation One, die Bono unterstützt. Wir haben Unterschriften gesammelt. Da geht es um die Bekämpfung extremer Armut und um Aids-Medikamente für Afrika. Und die fünf, die die meisten Unterschriften gesammelt hatten, durften auf die Bühne.