Ärztin bei der Untersuchung mit einem Stetoskop
APA/HELMUT FOHRINGER
APA/HELMUT FOHRINGER
Gesundheit

Vertretungsärzte sollen offene Stellen besetzen

Offene Kassenarztstellen sollen in Niederösterreich künftig vorübergehend durch Vertretungsmediziner besetzt werden. Dieses Modell hat das Land gemeinsam mit der Ärztekammer und der ÖGK ausgearbeitet. Derzeit sind 53 Kassenarztstellen unbesetzt.

Die Räumlichkeiten für eine Ordination stehen bereit, eine Kassenarztstelle ist ausgeschrieben, aber es findet sich einfach kein Arzt oder keine Ärztin – das ist ein Phänomen, das viele niederösterreichische Gemeinden betrifft. Rund vier Prozent aller Stellen sind unbesetzt. Die Gründe dafür seien vielfältig, meinte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Viele Ärztinnen und Ärzte würden in nächster Zeit in Pension gehen, viele würden lieber als Wahlarzt oder Wahlärztin arbeiten und die Erwartungen vieler Jungmedizinerinnen und Jungmediziner seien mit einer Kassenordination nicht kompatibel, so die Landeshauptfrau.

Mit einem Bereitstellungsdienst sollen diese Lücken jetzt geschlossen werden, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für die offenen Kassenarztstellen gefunden wird. Ein Pilotprojekt in Mistelbach, Maissau (Bezirk Hollabrunn) und Gänserndorf soll im ersten Quartal 2023 starten, kündigte Mikl-Leitner an.

53 Kassenarztstellen seien aktuell unbesetzt, darunter fallen sowohl Allgemeinmedizinerstellen als auch Facharztstellen, informierte Harald Schlögel, Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich. Norbert Fidler, Vorsitzender des Landesstellenausschusses der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) in Niederösterreich, verwies auf eine vertragliche Basis zwischen allen Krankenversicherungsträgern und der Ärztekammer. Gestartet wird das Projekt mit der vorübergehenden Besetzungen von je einer Allgemeinmediziner-Stelle in Mistelbach und Maissau sowie einer Kinderarzt-Stelle in Gänserndorf.

PK Ärztliche Versorgung
ORF/Tobias Hollerer
Die Landesregierung präsentierte das neue Modell am Donnerstag gemeinsam mit Vertretern der Ärztekammer und der ÖGK

Wenig Bürokratie, kein finanzielles Risiko

Der Bereitstellungsdienst soll auf einen Pool an Ärzten zurückgreifen. In Wien umfasse dieser 400 Medizinerinnen und Mediziner. Es bestehe Interesse, auch in Niederösterreich tätig zu werden, sagte Schlögel. Ein ähnlicher Pool soll etabliert werden. Zu potenziellen Vertreterinnen und Vertretern zählen etwa auch junge oder pensionierte Ärztinnen und Ärzte sowie jene, die flexibel arbeiten wollen, sagte Landesrat Martin Eichtinger (ÖVP). Zudem wurde betont, dass Medizinerinnen und Mediziner durch diese neue Initiative die Möglichkeit hätten, in den Alltag in einer Kassenordination „hineinzuschnuppern“.

„Die Ärzte haben keinen bürokratischen Aufwand und kein unternehmerisches Risiko“, so Fidler. Die Koordination der Einsätze soll Notruf Niederösterreich übernehmen. Die Kassenarztstellen würde man jedenfalls weiterhin ausschreiben, wurde am Donnerstag hervorgehoben. Sobald die Planstelle nachbesetzt werde, ende das System der Bereitstellung.

Landarztgarantie: „Hätten uns mehr erwartet“

Der niederösterreichische Ärztekammer-Präsident meinte bei der Pressekonferenz, durch das neue System könne man es auch schaffen, den Medizinerinnen und Medizinern eine eigene Kassenordination schmackhaft zu machen. „Das große Ziel ist natürlich, dass der Kollege oder die Kollegin so Gefallen an dieser Tätigkeit findet, dass er oder sie sagt, ‚jetzt wage ich den Sprung und gehe in eine Kassenordination’“, so Schlögel.

Zur Anfang 2018 kurz vor der damaligen Landtagswahl präsentierten Landarztgarantie, die vorsah, dass Ärztinnen und Ärzte aus den Landeskliniken in Gemeinden mit einer unbesetzten Stelle aushelfen, meinte Mikl-Leitner im Rückblick: „Ja, wir hätten uns mehr erwartet, aber dann kam Corona.“ Das Land Niederösterreich habe damals eine Übergangslösung bei praktischen Ärzten geschaffen. „Jetzt gibt es ein besseres System. Ich hätte mir dieses Modell schon vorher gewünscht“, meinte die Landeshauptfrau.

Kritik von SPÖ und FPÖ

SPÖ und FPÖ übten in Aussendungen Kritik. Die Anzahl an offenen Kassenarztstellen sei seit 2018 stark gestiegen. „Mit leeren Wahlkampfversprechen versucht die ÖVP den fehlenden Plan für die beste Gesundheitsvorsorge zu verschleiern“, meinte SPNÖ-Landesparteivorsitzender LHStv. Franz Schnabl.

FPNÖ-Landespartei- und Klubobmann Udo Landbauer bezeichnete die Landarztgarantie in einer Aussendung als „gescheitert“ und meinte: „Statt ehrlicher Lösungen präsentiert die ÖVP-Landesparteiobfrau kurz vor der Landtagswahl das nächste Märchen.“ Er forderte die 100-prozentige Rückerstattung des Kassenarzttarifes bei Wahlärzten in jenen Regionen, wo eine akute Unterversorgung besteht – etwa im Weinviertel für die Kinder- und Jugendheilkunde. Weiters verlangte Landbauer die Einrichtung mobiler Kassenordinationen.