Kiste mit Frühchenkleidung
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Soziales

„Wunderkiste“ voller Kleidung für Frühchen

In Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) hat Jacqueline Fehlmann einen Verein aufgebaut, der für Frühgeborene Kleidung näht. Zusammengestellt werden bei „Wunderkiste“ Pakete mit einer Erstausstattung für Frühchen um den Eltern eine Sorge abzunehmen.

Ein Baby stellt die Welt erstmal auf den Kopf, bei einem Frühgeborenen stehen Eltern aber vor noch mehr Herausforderungen. Kleidung in passender Größe ist meist nur schwer zu bekommen. Vereinsgründerin Jacqueline Fehlmann erlebte das 2020 nach der Geburt ihrer eigenen Tochter: „Ich bin auch von Geschäft zu Geschäft gelaufen, habe nichts gefunden und ich weiß, wie sich das anfühlt.“

Deswegen helfe sie nun Eltern, die in ähnlichen Situationen sind, sagt sie. Ihr Verein „Wunderkiste“ ist innerhalb eines Jahres zu einem Netzwerk angewachsen. 14 Frauen in Nieder- und Oberösterreich nähen, häkeln und stricken Kleidung, die dann zu Fehlmann nach Drasenhofen geschickt wird. Dort packt die 32-Jährige pro Box 20 Kleidungsstücke, eine Decke und ein Holzspielzeug in ein Paket – die sogenannte „Wunderkiste“.

Zu leicht und zu klein für Standardgrößen

Als Frühgeborene gelten Kinder, die vor der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommen oder weniger als 2,5 Kilogramm wiegen. Frühchen sind meist 30 bis 50 Zentimeter groß – die Suche nach passender Kleidung gestaltet sich schwierig. Viele weichen in der Not etwa auf Puppenkleidung aus. „Das kann doch nicht sein, die brauchen doch etwas Anständiges zum Anziehen“, sagt Fehlmann.

Fotostrecke mit 4 Bildern

Jacqueline Fehlmann und Monika Frühwirth, Nähmaschinen
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Vereinsobfrau Jacqueline Fehlmann und freiwillige Helferin Monika Frühwirth (r.)
Lager, Frühchenkleidung
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In eine „Wunderkiste" kommen im Winter etwa Overalls, Pyjama, Strampler, Wickelbodys, Haube, Handschuhe und Schühchen
Jacqueline Fehlmann, Nähmaschine
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Jede freie Minute für die Frühchenkleidung: Fehlmann beim Nähen. Kleidung wird vorproduziert und gelagert – falls es zu überraschenden Geburten kommt.
Werkstatt Projekt Wunderkiste
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In der umfunktionierten Garage in Drasenhofen wird genäht, verpackt und die fertigen Boxen werden aufbewahrt

„Uns sind die Tränen gekommen“

Stoffe, Knöpfe, Fäden – das meiste ist Überschussware von Geschäften oder wird von Eltern gespendet, die einmal eine Box bestellt haben. Viele bleiben mit dem Verein in Kontakt, etwa Sandra Eisinger. Auch ihr Sohn musste unerwarteterweise früher geholt werden. Eine Situation, auf die man nie vorbereitet sein könne: „Ich habe heute noch in Erinnerung, wie mein Mann das Paket aufgemacht hat. Uns sind die Tränen gekommen, das war so viel Unterstützung“, schildert Eisinger.

Kleidergrößen

Größen für Neugeborene starten ab 56, für Frühchen reichen sie von 38 bis 50.

Es sei eine Sorge weniger gewesen, sagt sie: „In einem Moment, wo du nicht weißt, was geschieht, kommt jemand und greift dir unter die Arme und stellt dir das zur Verfügung.“ Die Eltern zahlen 15 Euro für Versand und Verpackung, der Warenwert betrage um die 400 Euro, so Vereinsobfrau Fehlmann.

Kleidung nachher an Spitäler spenden

90 Pakete stellen Fehlmann und ihr Team im Jahr zusammen. Damit nichts davon unerlaubterweise weiterverkauft oder nur für Puppen gekauft wird, verlangt sie bei jeder Bestellung den Eltern-Kind-Pass als Nachweis. „Und wenn das Baby nicht mehr reinpasst, dann kann man es an Krankenhäuser spenden.“

Bestellt werden die Boxen online, innerhalb einer Woche kommen sie an: „Ich möchte nicht, dass Eltern hier lange warten müssen, die brauchen das Gewand gleich, deswegen haben wir auch immer einiges im Lager“, erklärt Fehlmann. Ihr Lager ist ihre Garage, die zu einer richtigen Nähwerkstatt geworden ist.

Frühchenkleidung
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Frühchenkleidung (mit Muster) und Standardgröße für Neugeborene in gelber Farbe

Ein Netzwerk des Helfens

Die Nähwerkstätten des Vereins „Wunderkiste“ finden sich aber über das Land verteilt: Monika Frühwirth aus Waidhofen an der Ybbs ist eine der fleißigen Ehrenamtlichen. Fehlmann schickt ihr Boxen mit Stoffen und Frühwirth verteilt diese dann im Mostviertel weiter. „Eine Näherin gibt es bei mir in der Nähe, die fährt weiter nach Linz, dort sitzt eine Uroma, die auch entzückende Sachen macht, und so geht das immer weiter. Wir müssen ja auch Porto sparen“, so Frühwirth.

Frühgeborene

Im Jahr 2021 kamen 7,1 Prozent aller Neugeborenen in Österreich zu früh auf die Welt. Der Wert bliebt im Vergleich zu 2020 nahezu unverändert.

Die freiwilligen Helferinnen verbindet meist eine persönliche Erfahrung, die sie zur „Wunderkiste“ gebracht hat. „Wir haben ein Enkelkind verloren und zuerst habe ich für Sternenkinder (Tot- oder Fehlgeburten; Anm.) genäht. Bei der Geburt unseres jüngsten Enkelkindes habe ich dann umgeschwenkt auf Frühchenkleidung“, erzählt die 59-Jährige.

Beinahe die gesamte Freizeit verbringe sie mit Tätigkeiten für den Verein, erzählt Obfrau Fehlmann, die mit ihrem Mann eine Landwirtschaft betreibt. Für die zweifache Mutter sind die Dankesworte der Eltern und Fotos von Frühchen in ihrer Kleidung die größte Motivation: „Da treibt es einem die Tränen in die Augen. Eine Frühgebührt ist ja nicht immer nur negativ, Zwillinge, Drillinge kommen halt früher zu Welt. Aber wenn man von einer Mama hört zum Beispiel, mein Baby ist erst zu einem Baby geworden mit dem ersten Gewand, dann ist das schon etwas ganz Besonderes.“