CHRONIK

Wenn Gewalt zu Weihnachten eskaliert

Weihnachten ist das Fest der Liebe, doch nicht in allen Familien trifft das zu. Gerade, wenn die Erwartungen hoch sind, kommt es oft zu Eskalationen und auch zu Gewaltausbrüchen gegenüber Frauen. Frauenhäuser bieten Schutz und Zuflucht.

2021 erlebte fast ein Viertel aller Frauen in Österreich körperliche Gewalt. Das geht aus einem Bericht der Statistik Austria hervor. Zu Weihnachten kommt es oft zu Gewaltausbrüchen innerhalb von Familien, weiß die Leiterin des Frauenhauses St. Pölten, Olinda Albertoni: „Der Grund sind oft zu hohe Erwartungen an die Familienfeier und wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden, dann kann es schon zu Eskalationen kommen.“

NÖ Frauentelefon:
Das NÖ Frauentelefon bietet unter 0800/800 810 kostenlose und anonyme Beratung: jeweils montags, mittwochs und freitags von 10.00 bis 14.00 Uhr.

Frauenhelpline:
Frauen, die Schutz oder Beratung suchen, können sich rund um die Uhr auch an die Frauenhelpline wenden: 0800/222 555 – kostenlos und anonym aus ganz Österreich.

Betroffene sollten nicht zögern und schnell handeln, so Albertoni: „Bei unmittelbarer Bedrohung ist es immer wichtig, sofort die Polizei zu rufen. Wenn es Zeit gibt, die Flucht vorzubereiten, dann ist es gut, im Frauenhaus anzurufen und mit den Expertinnen den Weg ins Frauenhaus vorzubereiten, um auch die nötigen Dinge mitzubringen.“

Mitnehmen sollten Frauen unbedingt wichtige Dokumente, wie zum Beispiel den Reisepass, den Meldezettel, den Staatsbürgerschaftsnachweis und auch die eigene E-Card und die der Kinder. Außerdem sollten Betroffene notwendige Medikamente und, wenn möglich, Beweismittel für die Gewalttaten dabei haben. Das können zum Beispiel Krankenhausbefunde sein. Wenn Kinder mit ins Frauenhaus kommen, sollten unbedingt die Schulsachen und die Lieblingsstofftiere eingepackt werden, heißt es vom Frauenhaus.

Frauenhäuser in NÖ
ORF
In Niederösterreich gibt es sechs Frauenhäuser

Adresse von Frauenhäusern geheim

Betroffene, die keine Anzeige bei der Polizei erstatten wollen, können trotzdem kommen, wird betont. Frauenhäuser gibt es in Niederösterreich in St. Pölten, Amstetten, Mistelbach, Mödling, Neunkirchen und Wiener Neustadt. Auf den Internetseiten der Frauenhäuser finden Betroffene alle wichtigen Informationen, darunter auch die Telefonnummer.

Die Adresse erfahren ausschließlich die Betroffenen selbst, damit sie sicher sein können, dass sie ihr gewalttätiger Partner nicht finden kann. „Grundsätzlich ist die Adresse geheim und es ist immer wichtig, möglichst wenige Personen im Vorfeld zu informieren. Je weniger Personen von dem Frauenhausaufenthalt wissen, umso besser ist die Frau geschützt“, sagt Albertoni.

Frauen können bis zu einem Jahr im Frauenhaus bleiben

Das Frauenhaus St. Pölten bietet Platz für 18 Frauen und deren Kinder. Selbst wenn alle Zimmer belegt sind, gibt es immer Platz für Notfälle. „Eine Frau kann bis zu einem Jahr im Frauenhaus bleiben, aber die meisten Frauen ziehen bereits nach drei bis sechs Monaten wieder aus“, so die Leiterin. Viele Frauen schaffen dann die Loslösung vom gewalttätigen Partner, manche kehren zu ihm zurück.

Die Formen der Gewalt sind ganz unterschiedlich. „Viele Frauen erleben mittlerweile auch sehr viel psychische Gewalt, das reicht von Beschimpfungen bis zu Abwertungen und endet bei Bedrohungen und massiven Nötigungen, außerdem sehen wir mittlerweile immer mehr Cybergewalt, wo Frauen auf Schritt und Tritt kontrolliert und gestalkt werden“, berichtet Albertoni.

Gewaltschutz-Expertin im Studio

Michaela Egger, Geschäftsführerin des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich, spricht zum erhöhten Gewaltrisiko an Weihnachten.

Mehr Präventionsarbeit gefordert

Weihnachten wird auch im Frauenhaus gefeiert – aber nicht alle Wünsche können erfüllt werden. „Vor allem wünschen wir den Frauen, dass sie, wenn sie in Gefahr kommen, auch wirklich rechtzeitig zum Telefon greifen und sich Informationen holen – oder sich auch direkt an die Polizei wenden, wenn die Situation eskaliert“, so die Leiterin des Frauenhauses St. Pölten.

Michaela Egger, Leiterin des Gewaltschutzzentrums Niederösterreich, geht davon aus, dass die Bereitschaft, sich Unterstützung zu holen, mittlerweile immer größer wird, denn die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote steigt. Sie sind oft die Konsequenz eines Kontaktes mit der Polizei.

Damit Gewalt gar nicht erst entsteht, wünscht sich Egger mehr Präventivarbeit. „Wenn wir beispielsweise schon Kindern erklären, dass Gewalt keine Lösung ist, dann werden wir hoffentlich in künftigen Generationen weniger Gefährder bzw. gefährdete Personen haben“, so die Expertin im „Niederösterreich heute“-Interview am Donnerstagabend.