Weihnachten ukrainische Geflüchtete
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Chronik

Ein österreichisch-ukrainisches Weihnachtsfest

Weihnachten bedeutet für die meisten, Zeit mit der Familie zu verbringen. Nicht für alle war das möglich: Katya Shtuka und ihre Söhne flohen im März vor dem Krieg in der Ukraine. Seitdem leben sie in Traiskirchen, der Rest der Familie befindet sich in der Heimat.

Gemeinsam kochen, den Baum schmücken und Weihnachtslieder singen – im Haus der Familie Ciperle in Traiskirchen (Bezirk Baden) deutet alles auf ein ganz normales Weihnachtsfest hin. Doch der Schein trügt: Für Katya Shtuka und ihre beiden Söhne Valik und Ihor ist es nämlich der erste Heilige Abend in Österreich und der erste ohne ihre Verwandten.

„Ich vermisse meine Familie“, sagt Katya Shtuka. „Aber wir müssen stark bleiben. Ich versuche, mich gut zu fühlen, doch ich hoffe, dass das nächste Weihnachtsfest wieder zu Hause stattfindet.“ Doch jetzt heiße es erst einmal, das Beste aus der Situation zu machen. Gemeinsam mit ihrem ältesten Sohn Valik bereitete Katya deshalb am frühen Nachmittag des 24. Dezembers eine traditionelle ukrainische Süßspeise vor.

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Katya und Valik Shtuka bereiten eine ukrainische Süßspeise zu

Ukrainische Weihnachtsbräuche in Traiskirchen

Zwar sind die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer orthodoxe Christen, doch immer mehr würden nicht mehr am 6. Jänner, sondern am 24. Dezember Weihnachten feiern, erzählt Katya Shtuka. Dabei gebe es einige Parallelen zum Fest in Österreich, etwa das große Festessen oder das gemeinsame Baumschmücken. Manche Weihnachtstraditionen aus ihrer Heimat fehlen der Familie aber.

Der 16-jährige Valik erzählt etwa, dass in der Ukraine Kinder zu Weihnachten von Haus zu Haus ziehen und dabei singen oder Gedichte aufsagen. Um nicht auf alle ihrer Traditionen und Bräuche verzichten zu müssen, holen Katya, Valik und Ihor am Heiligen Abend zumindest ein paar von ihnen ins Haus. So tragen sie etwa traditionelle ukrainische Kleidung, singen ukrainische Weihnachtslieder und bereiten die bekannte ukrainische Suppe Borschtsch zu.

Täglicher Kontakt nicht immer möglich

Die Sorge um die Verwandten und Freunde in der Heimat ist auch am 24. Dezember allgegenwärtig. Zumindest seien sie derzeit in Sicherheit, erzählt Katya Shtuka: „Es geht ihnen nicht schlecht, Gott sei Dank. Denn meine Eltern wohnen nicht wie wir in Kiew, sondern in einer anderen Stadt. Dort ist es derzeit ruhig. Auch sie bereiten sich auf Weihnachten vor.“

Ihr Ehemann befindet sich aktuell in Kiew, wo er alleine mit den Katzen der Familien lebt. Katya Shtuka versucht, täglich in Kontakt mit ihrer Familie zu sein. Immer sei das aber nicht möglich, berichtet sie gegenüber noe.ORF.at, denn Strom und Handyempfang würden häufig ausfallen. Zu Weihnachten hat Katya Shtuka aber Glück und erreicht ihren Mann, der ihr gleich übers Telefon bei der Zubereitung einer Speise hilft.

Normalität für Kinder aufrecht erhalten

Obwohl es für Katya, Ihor und Valik Shtuka das erste Weihnachtsfest in Österreich ist, versucht Katya, das Fest für ihre Kinder so normal wie möglich zu gestalten. „Ich bemühe mich, dass meine Kinder hier ein gewöhnliches Leben haben. Ich will, dass sie sich normal fühlen, glücklich“, sagt sie. Denn: „Wenn sie glücklich sind, bin ich es auch.“

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Für Norbert Ciperle fühlt sich das Zusammenleben an, als sei Katya seine Schwiegertochter und Valik und Ihor seine Enkelkinder

Unterstützung erhält sie dabei von Familie Ciperle, die sie vor neun Monaten aufgenommen hat. „Es fühlt sich eigentlich viel mehr an wie eine Schwiegertochter mit Enkerln als Leute, die für ein paar Tage einen Platz brauchen“, sagt Norbert Ciperle. Im Aufnehmen von Geflüchteten sieht er eine Parallele zur biblischen Herbergsuche. Man könne den Menschen so „Sorgen, Nöte, Ängste nehmen und den Leuten, die im Kriegsgebiet sind – in dem Fall jetzt in der Ukraine – den Rücken freihalten, indem es ihrer Familie hier gut geht.“

Obwohl das Zusammenleben der beiden Familien harmonisch verläuft – die Sehnsucht nach der Heimat ist groß. Einen Weihnachtswunsch haben deshalb alle im Haus gemein: Dass der Krieg in der Ukraine bald vorbei ist.