Film Isreael Österrreich KZ Gedenkstätte Melk
ORF/Schwarzwald-Sailer
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Kultur

Jugendfilm macht Nazi-Verbrechen sichtbar

Ein Filmprojekt von Jugendlichen aus Österreich und Israel will an die Shoah, den Völkermord an den Juden Europas in der Nazi-Zeit, erinnern, gleichzeitig aber beide Staaten verbinden. Gedreht wurde auch in der KZ-Gedenkstätte in Melk.

Itamar, ein 18-jähriger Israeli, wird zum Militär einberufen. Er ist stolz darauf, sein Land und seine Familie verteidigen zu dürfen. Bei einem Besuch in Österreich lernt der Jugendliche Julia kennen, deren Verwandte einst Nazis waren. Als überzeugte Pazifistin will sie Itamar vermitteln, dass das Militär nichts ist, worauf man sich freuen soll.

Überzeugen will Julia ihren neuen Freund mit einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte in Melk. Zwischen April 1944 und April 1945 wurden in der Freiherr von Birago-Pionierkaserne mehr als 14.000 KZ-Häftlinge in Melk interniert. Die meisten stammten aus Polen, Ungarn, Frankreich und der Sowjetunion. Juden stellten etwa ein Drittel der Gefangenen.

Tausende Tote

Die Häftlinge sollten eine große unterirdische Fabrik nahe Melk errichten, in der – geschützt vor Luftangriffen – Kugellager, Flugmotoren und Panzer erzeugt werden sollen. Die Haftbedingungen waren katastrophal: Die Arbeit unter Tage war extrem anstrengend, das Lager überbelegt, Verpflegung und medizinische Versorgung waren äußerst mangelhaft. 4.800 Häftlinge starben im Lager.

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Mit einem Besuch in der KZ-Gedenkstätte in Melk will Julia Itamar von seiner Leidenschaft für das Militär abbringen

Für Nadar Ben Arie, der im Film den 18-jährigen Itamar spielt, hat der Drehort eine besondere Bedeutung: „Für mich, aber auch für viele Israeli ist es besonders wichtig, sich zu erinnern, was hier vor 70 Jahren passiert ist. Obwohl es schrecklich war, ist es schnell vergessen.“ Zugleich sei es aber auch interessant zu erleben, wie Österreich heute an die Gräueltaten von damals erinnert.

„Sehr kalter“ Eindruck

Isabel Brachowicz aus Stockerau, die im Film Julia spielt, hat die KZ-Gedenkstätte als „sehr kalt“ empfunden, „was aber sehr passend für die schrecklichen Ereignisse ist.“ Während der Dreharbeiten habe sie der Ort immer wieder „überwältig“, immerhin hat die 20-Jährige, wie die meisten Mitglieder der Filmcrew – Jugendliche zwischen 16 und 20 Jahren – bisher noch nie in ein Konzentrationslager besucht.

Für die acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer geht es bei dem Projekt aber nicht nur um die Geschichte, sondern auch darum, Erfahrungen am Filmset zu sammeln. Unterstützt werden die jungen Erwachsenen dabei von Profis – egal ob vor oder hinter der Kamera. Hila Azulay will etwa Kamerafrau werden: „Es ist etwas verrückt, Leute aus anderen Ländern zu treffen, den ganzen Tag Englisch zu reden, ihre Gedanken und Lebensansichten zu verstehen. Das ist ganz anders als bei mir in Israel.“

Der erste professionelle Film

Das Ziel des Projekts ist es, dass die Jugendlichen mit Hilfe von Fachleuten aus der Filmbranche ihren ersten unter professionellen Bedingungen umgesetzten Film produzieren – vom Drehbuch weg. Derzeit dreht das Filmteam fünf Tage in Niederösterreich, neben der Gedenkstätte auch am Bahnhof in Melk und in einem Hotel. Zuvor verbrachte man schon mehrere Tage in Jerusalem.

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Die Jugendlichen werden bei der gesamten Filmproduktion von Profis gecoacht

Vorbehalte wegen des Holocausts und der Verbrechen der Nazis gab es zwischen den Jugendlichen nicht, sagt Regieassistentin Yasmin Sar-Shaalom aus Tulln. Im Gegensatz zu früher werde heute über diese Themen mehr gesprochen, glaubt die Tullnerin, die einen österreichischen Vater und eine israelische Mutter hat: „Vielleicht wird heute sogar etwas offener gesprochen, was ich auch sehr gut finde.“ Wegen ihrer familiären Doppelrolle würden manche Jugendliche oft auch gerade sie ansprechen.

„Optimistische Nachricht für die Zukunft“

Die Zusammenarbeit von österreichischen und israelischen Jugendlichen sei deshalb auch ein Vorbild, betont der israelische Botschafter in Österreich, Mordechai Rodgold: „Wenn sich heute Jugendliche treffen, nicht nur, um nicht zu vergessen, sondern auch, um die Geschichte weiterzuleiten und sie gleichzeitig eine positive Bindung zwischen Jugendlichen aus Österreich und Israel aufbauen, dann ist das eine optimistische Nachricht für die Zukunft.“

Österreich habe durch seine Geschichte eine Verantwortung, an die Shoah zu erinnern, betont der Direktor des Österreichischen Filminstituts, Roland Teichmann. Das Projekt sieht er aber auch als eine Art Brückenfunktion: „Vor allem die Jugendlichen, die die Zukunft symbolisieren, um eine Brücke zwischen Österreich und Israel zu bauen.“ Und jede Freundschaft, die durch das Projekt entsteht, sei ein Anfang und „ein Gewinn“.

Der halbstündige Film soll nach der Produktion auch öffentlich in Israel und Österreich gezeigt werden. Die Jugendlichen sollen dabei zu Botschaftern werden, einerseits die Gräueltaten der Nazis nicht vergessen zu lassen und andererseits trotzdem gemeinsam in die Zukunft zu blicken. Für Brachowicz zeigt der Film trotz der kulturellen Unterschiede, „dass wir im Herzen doch alle gleich sind.“