Zuckerrübenernte bei Zillingtal
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Landwirtschaft

Bauern zittern vor möglichem Neonicotinoid-Verbot

Neonicotinoide dürfen in der EU nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Der Europäische Gerichtshof könnte nun aber auch wiederkehrenden Notzulassungen einen Riegel vorschieben. Ein Totalverbot würde vor allem Österreichs Rübenbauern treffen.

Eigentlich ist der landwirtschaftliche Einsatz von Neonicotinoiden in der EU verboten, denn die Risiken für Umwelt und die menschliche Gesundheit gelten als zu groß. Vor allem mit dem Bienensterben werden diese Pestizide in Verbindung gebracht. Über den Weg der Notzulassung werden sie aber nach wie vor eingesetzt – und zwar in keinem EU-Land so häufig wie in Österreich, wie eine Untersuchung des Umweltschutzvereins PAN Europe zeigt.

Als rechtliche Grundlage beziehen sich die Mitgliedsstaaten auf eine entsprechende EU-Verordnung über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln. Laut Artikel 53 „kann ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen für eine Dauer von höchstens 120 Tagen das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung zulassen, sofern sich eine solche Maßnahme angesichts einer anders nicht abzuwehrenden Gefahr als notwendig erweist.“

Spuren von Neonicotinoiden in Niederösterreich gefunden

20 Mal machte Österreich zwischen 2019 und 2022 davon Gebrauch, dicht gefolgt von Finnland mit 18 und Dänemark mit 17 Notzulassungen. In Niederösterreich fand die Umweltschutzorganisation Global 2000 zuletzt Spuren von Neonicotinoiden in Erdproben aus einem Zuckerrübenanbaugebiet im Marchfeld sowie in Schlammproben aus dem Umfeld der Agrana Zuckerfabrik Tulln. Letztere wurden einem Abwasserauffangbecken sowie einer Ackerfläche, auf der sich laut Global 2000 Abfälle der Agrana-Fabrik befinden, entnommen.

Global 2000 forderte daraufhin Bundesminister Norbert Totschnig (ÖVP) auf, „dem lockeren Umgang mit Notzulassungen von gefährlichen Pestiziden endlich ein Ende zu setzen.“ Für die Rübenbauern könnte das fatale Folgen haben, sagt ihr Präsident Ernst Karpfinger gegenüber noe.ORF.at. Auf einem Hektar Acker werden 60 Gramm Neonicotinoide eingesetzt, so Karpfinger. „Das ist in keinster Weise gefährlich für Bienen und Insekten.“ Das würden auch regelmäßige Bienenmonitorings der AGES bestätigen.

Keine Grenzwerte für Bodenproben

Die Agrana ergänzt in einer Stellungnahme gegenüber noe.ORF.at: „Der Einsatz von Neonicotinoiden in blühenden Kulturen ist abzulehnen und wissenschaftliche Bedenken sind ernst zu nehmen. Die Zuckerrübe jedoch blüht nicht und laut EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit; Anm.) und anderen Studien ist bei nicht blühenden Pflanzen von keiner Gefährdung von Bienen durch Neonicotinoide auszugehen.“

Zu den von Global 2000 gefundenen Proben sagt Karpfinger: „Man kann heute alles nachweisen. Die Frage ist, ob es gefährlich ist.“ Doch ab welchem Grenzwert sind Rückstände von Neonicotinoiden im Boden gefährlich? Global 2000 räumt auf Nachfrage von noe.ORF.at ein, dass es derzeit keine Grenzwerte für Bodenproben gibt.

Folgen eines Totalverbots ungewiss

In der Diskussion um die Nutzung von Neonicotinoiden könnte diese Woche jedenfalls ein Machtwort gesprochen werden: Am Donnerstag wird der Europäische Gerichtshof sein Urteil darüber verkünden, ob deren Nutzung durch wiederkehrende Notzulassungen wie in Österreich rechtmäßig ist. Die Klage brachte Pan Europe in Belgien ein. Karpfinger hat dafür kein Verständnis: „Es ist jedes Jahr ein Notfall. Die heimische Rübenproduktion würde sich à la longue mindestens halbieren.“ Das könne man schon im Burgenland beobachten. Dort verbietet das Land den Einsatz von Neonicotinoiden.

Die Agrana sieht ein Totalverbot von Neonicotinoiden zwar nicht als existenzgefährdend an, es würde aber bedeuten, dass „anstatt der bisher eingesetzten Saatgutbeizung, welche lediglich punktuell an und im Umkreis der Rübenpflanze wirkt (…) eine mehrmalige flächige Behandlung des gesamten Feldes“ mit anderen Pestiziden notwendig wäre. „Dies wäre weniger effizient und für die Rübenbauern ein erheblicher Mehraufwand.“