Chronik

Musikschule: Vorwürfe schon seit 2018 bekannt

Die seit Dezember aufgetauchten Belästigungsvorwürfe im Musikschulbereich dürften nicht ganz neu sein – insbesondere jene, die sich gegen einen Direktor wenden. Das zeigen Recherchen der ZIB2 und des „Falter“. Auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) war informiert.

Mittlerweile sind es schon 40 Betroffene aus neun der insgesamt 126 Musikschulen Niederösterreichs, die von sexueller Belästigung, Mobbing oder rassistischen Beschimpfungen berichteten. Über die Probleme an mindestens einer Schule im Industrieviertel wurde auch Landeshauptfrau Mikl-Leitner informiert, die Vorsitzende des Musikschulbeirats im Land. Dort soll der Musikschuldirektor zu einer Lehrerin gesagt haben, sie könne auch nackt kommen. Eine andere soll er bei der Verabschiedung auf den Mund geküsst und eine minderjährige Schülerin soll er nach ihrer Bikinigröße gefragt haben.

Eltern und Lehrerinnen meldeten die Vorfälle 2018 der Gleichbehandlungsstelle in Niederösterreich, wie deren Gleichbehandlungsbeauftragte Christine Rosenbach in der ZIB2 bestätigt. Sie informierte damals sowohl den Bürgermeister als auch die Landeshauptfrau: „Es war die ‚#MeToo‘-Debatte, und wir haben uns gedacht, das sollte sie (die Landeshauptfrau, Anm.) wissen. Es kommt nicht oft vor, dass von einer Dienststelle sechs oder acht Personen eine solche Beschwerde vorbringen.“

Mikl-Leitner gab Informationen weiter

Im Büro von Landeshauptfrau Mikl-Leitner bestätigte man am Dienstag, über die Vorfälle an besagter Schule 2018 Bescheid gewusst zu haben. Man habe die damals erhaltenen Informationen an die Musik- und Kunstschulmanagement GmbH weitergeleitet.

Mikl-Leitner selbst bekräftigte das gegenüber noe.ORF.at am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz: „Wenn ich es recht in Erinnerung habe, bin ich von der zuständigen Gleichbehandlungsbeauftragten informiert worden.“ Die eingerichtete Ombudsstelle arbeite nun intensiv an der Aufarbeitung der Vorwürfe, so Mikl-Leitner. Ihr zufolge würden aktuell 22 Prüfaufträge an den Musikschulen durchgeführt. Die Frage, ob sie 2018 versäumt habe, intensiver zu reagieren, verneinte die Landeshauptfrau.

Im Fall der bekanntgewordenen Vorwürfe gegen den Weinviertler Musikschuldirektor im Dezember hatte Mikl-Leitner gegenüber dem ORF Niederösterreich gesagt, bis kurz davor nicht informiert gewesen zu sein – mehr dazu in Missbrauchsvorwürfe gegen Musikschuldirektor (noe.ORF.at; 14.12.2022).

Vom MKM wurde in einer schriftlichen Stellungnahme betont, dass das Schreiben der Gleichbehandlungsbeauftragten 2018 an die Gemeinde als Erhalter der Musikschule übermittelt worden sei. Beinhaltet gewesen sei eine klare „Aufforderung an die Gemeinde um Veranlassung der Unterlassung weiterer Anzüglichkeiten und Belästigungen durch den betreffenden Musikschuldirektor“. Das Schreiben sei auch an das MKM gegangen. „Auf unsere damalige Nachfrage wurde klar artikuliert, dass die betroffene Gemeinde hier Schritte setzen muss und dies auch tun wird bzw. getan hat.“ Hinsichtlich der aktuell einlaufenden Beschwerden „werden derzeit im Auftrag des Landes Maßnahmen erarbeitet und im weiteren umgesetzt“, wurde auf APA-Anfrage mitgeteilt.

Bildungsdirektor will nichts gewusst haben

Der Bürgermeister der betroffenen Musikschulgemeinde im Industrieviertel führte nach den ersten Beschwerden von Betroffenen ein Gespräch mit dem Direktor, aber die Probleme gingen weiter. 2019 meldeten sich Eltern schließlich auch bei der zuständigen ÖVP-Stadträtin und bei der Bildungsdirektion.

Dort bestreitet Bildungsdirektor Karl Fritthum, vor 2022 von den Vorwürfen gewusst zu haben, „insbesondere was Belästigungen betrifft“. Er wolle den Anschuldigungen nachgehen und habe „kein Interesse daran, dass hier irgendetwas unter den Tisch gekehrt wird“, so Fritthum.

Musikschulen: Neue Missbrauchsvorwürfe

Die ZIB hat zusammen mit dem „Falter“ über die Missbrauchsvorwürfe an den niederösterreichischen Musikschulen recherchiert. 40 Betroffene aus neun Schulen berichten mittlerweile von sexuellen Belästigungen, Mobbing und Erniedrigungen.

Gewerkschaft kritisiert Musikschulsystem

Das Musikschulwesen in Niederösterreich ist kommunal organisiert: Gemeinden sind für Personalfragen verantwortlich, die vom Land beauftragte Musik- und Kunstschulmanagement GmbH wickelt Förderungen ab. Da es an mehreren Standorten Probleme gibt, sieht younion-Gewerkschafterin Martina Glatz ein grundsätzliches Problem.

„Das Musikschulsystem schafft eine Grundlage, wo man Lehrer gut unter Druck setzen kann und wo es zu Machtmissbrauch kommen kann“, so Glatz im Interview in der ZIB2. Dort kritisierte sie nicht nur das kommunal organisierte System der Musikschulen in Niederösterreich, sondern auch das in ihren Augen unzureichende Qualitätsmanagement.