David Schalko
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„Ganz persönlich“

David Schalko: „Wir waren alle schockiert“

David Schalko ist derzeit mit der Produktion für eine Fernsehserie über Franz Kafka beschäftigt, am 17. Jänner feierte er seinen 50. Geburtstag. Im Interview mit noe.ORF.at erzählt er u.a., wie sehr der Fall Teichtmeister die heimische Filmindustrie erschüttert hat.

Mit Serien wie „Braunschlag“ und der Entwicklung erfolgreicher ORF-Formate wie „Willkommen Österreich“ zählt der 1973 in Waidhofen an der Thaya geborene David Schalko zu den bekanntesten Fernsehmachern des Landes. Begonnen hat er als Lyriker. Sein erster großer Coup war die Entwicklung des ORF-Formats „Sendung ohne Namen“ im Jahr 2002, die mit Unterbrechung bis 2013 zu sehen war.

noe.ORF.at: Sie haben in einem Interview einmal gesagt, Mitte 30 hätten Sie von der Hand in den Mund gelebt. Jetzt sind Sie 50 geworden – es hat sich viel getan in den letzten 20 Jahren.

David Schalko: Mit 30 war ich erfolgloser Schriftsteller und weit davon entfernt, irgendwas anderes zu machen. Dann hat sich die Chance der „Sendung ohne Namen“ ergeben und daraus ist dann viel entstanden.

noe.ORF.at: Sie sind im Waldviertel geboren, in Waidhofen an der Thaya.

Schalko: Meine Eltern sind aus Heidenreichstein und Litschau, sie waren oben, während meine Mutter hochschwanger war. Deswegen bin ich dort geboren. Ich weiß gar nicht, ob das geplant war, dass ich dort geboren bin. Mein Bezug dorthin ist auch stark, weil ich jedes Wochenende oben war und die Großeltern und die ganze Verwandtschaft besucht habe.

noe.ORF.at: Zunächst hat es nicht so ausgesehen, als würden Sie eine künstlerische Karriere beginnen. Sie haben zunächst Wirtschaft studiert.

Schalko: Ich komme aus einer Familie, die nicht sehr künstlerisch ist. Ich kannte auch niemanden aus dem Kunstbetrieb. Ich habe immer geschrieben, ich wollte auch schreiben in erster Linie. Deswegen habe ich mir ein Studium gesucht, das mich nicht so okkupiert. Es war auch familienbedingt, weil mein Vater studiert und in einer Bank gearbeitet hat. Kurz vor Ende des Studiums habe ich begonnen, fürs Fernsehen zu arbeiten. Da hat es eine Chance gegeben, etwas anderes zu machen, und die habe ich dann ergriffen.

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David Schalko (l.) gemeinsam mit dem ausgestopften Hund aus „Braunschlag“ beim Interview mit ORF-NÖ-Redakteur Robert Friess

noe.ORF.at: Sie sind schwer einzuordnen. Sie sind Drehbuchautor, führen Regie, haben eine Produktionsfirma, schreiben Bücher. Wo fühlen Sie sich selbst am wohlsten?

Schalko: Es war immer das Schreiben, ich fühle mich schon als Autor. Alles andere ist dazugekommen, die Regie, seine eigenen Texte entweder zu beschützen oder selber zu versemmeln – und das Produzieren, um die Freiheit zu haben, gewisse Entscheidungen selber zu treffen.

noe.ORF.at: Sie produzieren ja auch schon seit 2007 mit Ihrer Firma „Willkommen Österreich“ sehr erfolgreich mit Christoph Grissemann und Dirk Stermann. Worauf führen Sie das zurück, dass diese Sendung schon sehr lang so populär ist?

Schalko: Ich glaube, das ist eine der wenigen Sendungen, die, was man im Fernsehen kaum noch kennt, ein Heimatgefühl erzeugen. Das kennt man vielleicht auch vom „Tatort“ oder solchen Institutionen. Ich glaube auch, dass die beiden und das ganze Team die Qualität doch sehr weit oben halten. Man muss dazusagen, dass es Sendungen gibt, die gewisse politische Dinge auf die Art und Weise aufbereiten, dass sie sich kein Blatt vor den Mund nehmen. Insofern es ist auch schade, dass es da nicht mehr davon gibt.

noe.ORF.at: Sie haben sehr viel produziert, fürs Fernsehen, aber auch für Streamingdienste. Wo liegt der Schwerpunkt? Gibt’s Filme auch fürs Kino?

Schalko: Ich drehe jetzt eine Serie über das Leben von Franz Kafka, weil nächstes Jahr sein 100-jähriger Todestag ist. Dann wäre mein Plan, fünf Serien im Leben sind genug, dass ich mich dann eher wieder auf Filme konzentriere.

noe.ORF.at: Zurückblickend, auf was sind Sie zum Fünfziger am meisten stolz?

Schalko: Ich weiß nicht. Um ehrlich zu sein, das überlege ich mir dann, wenn ich 70 bin. Bis jetzt bin ich noch im Tun, ich finde manche Dinge gelungen, manche weniger gelungen. Dieser Eindruck ändert sich auch über die Jahre und immer wieder. Wenn ich dann 70 bin, lese ich mir das alles noch einmal durch und dann kann man noch einmal darüber reden.

noe.ORF.at: In der Pandemie hat es einen großen Boom bei Streamingdiensten gegeben. Ist das ein Zeichen, dass es mit dem traditionellen Kino vorbei ist?

Schalko: Nein, das traditionelle Kino gibt es ja noch und wird es auch immer geben. Das Kino, seitdem das Fernsehen aufkam, ist in den 50er-Jahren totgesagt worden. Erstaunlicherweise lebt es noch. Ich glaube, dass das gemeinsame Sitzen im Saal etwas anderes ist, als alleine im Wohnzimmer zu sitzen, und dass dieses Phänomen immer da sein wird. Die Streamer sind im Prinzip nichts anderes als das, was Studios früher waren. In zehn Jahren wird vielleicht Netflix eine kleinere Rolle spielen als heute. Das wird sich immer ändern.

noe.ORF.at: Sie sehen schon noch eine Zukunft für das konventionelle Kino?

Schalko: Ich würde Kino nicht als konventionell bezeichnen, sondern als den Ort, wo das Unkonventionelle noch Platz hat, weil sowohl Streamer als auch das Fernsehen sehr nach Rezepturen funktionieren und das Kino eben nicht. Ich glaube, dass das Kino auch wieder spannender wird für die Leute, gerade in Zeiten, in denen sich die Serien in ihrer Rezeptur immer mehr ähneln und gleichen.

noe.ORF.at: Obwohl uns in den letzten drei Jahren die Pandemie geprägt hat, kommt sie in den Filmen kaum bis gar nicht vor. Woran liegt das?

Schalko: Vieles liegt daran, dass man während der Pandemie nicht drehen durfte. Wenn man gedreht hätte, hätte man viele Straßensperren errichten müssen. Ich habe auch den Eindruck, dass jetzt nach drei Jahren Pandemie auch wirklich keiner mehr Lust hat, über die Pandemie zu sprechen. Die Nachbearbeitung der Pandemie findet sowieso auch in der Kunst statt, weil sie sich dann natürlich eher mit Inflation und Dingen, die sich in der Gesellschaft verändert haben, beschäftigt. Das wird uns sowieso noch länger beschäftigen, denke ich.

noe.ORF.at: Ihr letztes Buch war „Bad Regina“. Was ist das nächste Buchprojekt für Sie?

Schalko: Das nächste Buch kommt im April. Es heißt „Was der Tag bringt“ und ist eigentlich eher ein Post-Corona-Buch, wenn man so will. Es geht um jemanden, der nach der Pandemie nicht mehr richtig den Einstieg ins Berufsleben findet. Er vermietet dann seine Wohnung ein paar Tage im Monat, um über die Runden zu kommen, und stellt sich immer die Frage, wo er dann selber bleiben soll. Es geht auch darum, was mit uns passiert, wenn Arbeit nicht mehr unser Leben strukturiert.

noe.ORF.at: Kommen wir zu Ihrer Serie über Kafka. Da geht es eher um dessen Privatleben.

Schalko: Das Leben von Franz Kafka ist im Gegensatz zu anderen Schriftstellern wahnsinnig gut dokumentiert. Es gibt drei hervorragende Biografien von Reiner Stach. Die Serie ist aber natürlich keine Dokumentation, sondern ein fiktionales Werk, Daniel Kehlmann hat die Bücher geschrieben. Es wird das Werk und das Leben von Kafka sozusagen verschränkt. Ich glaube, es ist kein klassisches Biopic.

noe.ORF.at: Der Fall von Florian Teichtmeister hat nicht nur die Öffentlichkeit erschüttert, sondern natürlich auch die Filmindustrie, die Theaterszene. Es wird sehr viel diskutiert, ob etwa das Burgtheater zu spät reagiert hat. Der Film „Corsage“, wo er ja die Rolle des Franz Josef spielt, ist noch im Rennen um den Oscar. Wie sehen Sie die Diskussion derzeit?

Schalko: Ich sehe die Diskussion, dass sich da sehr viele Dinge miteinander vermengen, die nichts miteinander zu tun haben sollten. Das eine ist eine Straftat und dafür gibt es ganz klare Zuständigkeiten der Staatsanwaltschaft. Natürlich waren wir davon alle schockiert und betroffen. Genauso betroffen macht mich die Reaktion darauf, wie emotional sich dann diese Mobs zusammenraffen und danach schreien, dass man ihn sofort bestraft oder dass Filme in Kollektivhaftung genommen werden. Das sind alles Signale, die nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun haben. Ich glaube, dass man das trennen muss. Man sieht sozusagen der Gesellschaft beim Denken zu. Natürlich kann man im Nachhinein sagen, wer hat was gewusst. Wissen heißt in dem Fall, dass man Gerüchte hört. Wenn ich jedes Mal, wenn ich ein Gerücht höre, sofort handeln würde, dann kann man die halbe Gesellschaft zusperren.