Zuckerrüben liegen vor einem Verlader
APA/dpa/Sebastian Gollnow
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EuGH verbietet Neonicotinoide endgültig

In der Diskussion über Schaden und Nutzen von Neonicotinoiden hat der EuGH nun ein Machtwort gesprochen: Mitgliedsstaaten dürfen das EU-weite Verbot nicht mehr mittels Notfallzulassungen umgehen. Die Folgen für die heimischen Rübenbauern sind ungewiss.

Obwohl die EU die landwirtschaftliche Nutzung von Neonicotinoiden bereits 2018 verboten hat, werden sie in zahlreichen Mitgliedsstaaten immer noch eingesetzt. In Österreich wurden zwischen 2019 und 2022 20 Notfallzulassungen für Neonicotinoide ausgestellt – so viele wie in keinem anderen EU-Land. Anders könnten die Rübenbauern langfristig nicht überleben, sagte Ernst Karpfinger noch am Montag gegenüber noe.ORF.at und: „Es ist jedes Jahr ein Notfall.“ – mehr dazu in Bauern zittern vor möglichem Neonicotinoid-Verbot (noe.ORF.at, 16.1.23).

Die Mitgliedsstaaten haben sich beim Einsatz von Neonicotinoiden per Notfallzulassung bisher auf Absatz 53 einer EU-Verordnung gestützt, in der es heißt, dass „unter bestimmten Umständen (…) das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels“ zugelassen werden könne. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte am Donnerstag in einem Urteil jedoch klar, dass dieser Artikel wiederkehrende Notfallzulassungen, wie sie auch in Österreich inzwischen üblich sind, nicht rechtfertige. Zu groß seien die Gefahren für Umwelt und Gesundheit, insbesondere aber für Bienen. Die Klage war von der Umweltschutzorganisation PAN Europe in Belgien eingebracht worden.

Rübenbauern fürchten um ihre Existenz

Die Umweltschutzbewegung feiert das Urteil als Erfolg. „Heute ist ein guter Tag für die Bienen und andere Bestäuber in ganz Europa, ebenso wie für den Schutz der Umwelt und der Gesundheit“, sagte Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker von Global 2000 am Donnerstag. Die Umweltschutzorganisation geht davon aus, dass weitere Notfallzulassungen für Neonicotinoide nun auch hierzulande rechtswidrig wären. Der Direktor des niederösterreichischen Bauernbundes Paul Nemecek hält das für ein „Wunschdenken der NGO“. Fakt ist, dass es bis dato keine juristische Einschätzung gibt.

Die heimischen Rübenbauern möchten jedenfalls weitermachen wie bisher. „Es geht um ‚sein oder nicht sein‘“, sagt Rübenbauernpräsident Ernst Karpfinger gegenüber noe.ORF.at. „Ohne Pflanzenschutz geht es einfach nicht, das ist ein Faktum und das weiß jeder.“ Im schlimmsten Fall müsste die Produktion in andere Länder ausgelagert werden, etwa nach Brasilien. „Für die Umwelt wäre das sicher kein Erfolg. So umweltfreundlich wie in der EU wird nirgends produziert. Wir würden die Umweltschädigungen nur auslagern“, so Karpfinger. Nun gelte es abzuwarten, wie die österreichischen Behörden das Urteil auslegen.

BAES will Entscheidung der EU-Kommission abwarten

Das Landwirtschaftsministerium verweist auf Anfrage von noe.ORF.at auf das Bundesamt für Ernährungssicherheit (BAES). Diesem liegt für 2023 bereits ein Antrag für eine Notfallzulassung von Neonicotinoiden vor. Doch auch beim BAES ist man sich noch unsicher, was das EuGH-Urteil für Österreich bedeutet. „Wir nehmen das Urteil zur Kenntnis. Inwiefern es für Österreich bindend ist, gilt es jetzt juristisch zu bewerten und zu analysieren“, sagt BAES-Sprecher Roland Achatz. Man warte jedenfalls eine Einschätzung der EU-Kommission ab. Die Zeit drängt: Die Zuckerrübenaussaat startet in wenigen Wochen.