„Ganz persönlich“

Extremradler: „Jedes Auto ist potenzielle Gefahr“

Extremsportler Michael Strasser hält mehrere Weltrekorde auf dem Fahrrad. Wie er sich für seine Touren motiviert und wie ein Unfall seine Einstellung zum Extremsport verändert hat, erzählt der Niederösterreicher im Interview mit noe.ORF.at.

Michael Strasser wurde in Mödling geboren und wuchs in Trautmannsdorf (Bezirk Bruck an der Leitha) auf. 2014 schloss er sein Architekturstudium ab. Seine Laufbahn als Leistungssportler begann er als Triathlet, später hat er sich als Extremsportler einen Namen gemacht. Auf dem Rennrad durchquerte er Russland (in 13 Tagen von Moskau nach Wladiwostok), Afrika (in 34 Tage von Kairo nach Kapstadt) und Amerika (in 84 Tagen von Alaska bis Feuerland) jeweils in Weltrekordzeit. Die letzten beiden Rekorde sind bis heute ungebrochen.

Im persönlichen Gespräch mit Robert Friess spricht er über seine Extremtouren, mit denen er sich einen „Lebenstraum“ verwirklichte, seinen Unfall, der sein Leben „komplett veränderte“, und gibt Einblicke in sein Leben als Jungvater.

Michael Strasser im Gespräch mit Robert Friess
ORF
Michael Strasser (l.) im Gespräch mit Robert Friess

noe.ORF.at: Vor fünf Jahren haben Sie den letzten Weltrekord aufgestellt, die Durchquerung beider amerikanischer Kontinente mit dem Rad. Wie war das?

Michael Strasser: Das war ein absoluter Lebenstraum! Erst jetzt, mit Abstand, realisiere ich, wieviel Glück man braucht, um so ein Projekt durchzustehen. Das war eine unglaublich intensive Zeit.

noe.ORF.at: 84 Tage, elf Stunden, 50 Minuten am Fahrrad, mehr als 22.000 Kilometer. Wieso tut man sich das an?

Strasser: 15 Jahre davor war meine Challenge, von Wien um den Neusiedlersee zu radeln. Das waren 200 Kilometer, 15 Jahre lang habe ich mich weiter gesteigert und den Sport zu einer großen Priorität in meinem Leben gemacht.

Strasser nach dem Unfall
Michael Strasser
Ein schwerer Unfall führte dazu, dass Strasser mit dem Rad „nicht mehr eins ist“

noe.ORF.at: Sie stehen mit mehreren Bestleistungen im Guinnessbuch der Rekorde. Sind diese jemals gebrochen worden?

Strasser: Afrika und die Amerikadurchquerung, das ist nach wie vor aktuell. Es haben einige Leute versucht, den Rekord zu brechen, aber sie hatten immer das Pech, dass sie in Unfälle verwickelt wurden und abbrechen mussten.

noe.ORF.at: Der dritte Juni 2022 hat Ihr Leben grundlegend verändert. Was ist genau passiert?

Strasser: Ich hatte ein komplett neues Fahrrad am Vorabend bekommen, mit dem ich unterwegs war. Mich hat ein Lkw überholt und als er auf gleicher Höhe war, ist er rechts abgebogen und hat mich niedergemäht. Mein Rad ist unter die Hinterachse gekommen, ich selbst bin es Gott sei Dank ganz knapp nicht. Der Unfall hat mein Leben komplett verändert – weniger körperlich als psychisch. Jedes Auto ist jetzt für mich eine potenzielle Gefahr. Ich bin mit dem Rad einfach nicht eins, das hat dieser Unfall bewirkt.

noe.ORF.at: Können Sie sich jemals wieder vorstellen, eine extreme Tour zu fahren?

Strasser: So große Touren wie früher nicht mehr. Die Amerikadurchquerung war ein großes Lebensziel. Ich möchte schon noch einmal an einzelne schöne Orte zurückkommen und mit weniger Zeitdruck bestimmte Regionen erradeln oder erkunden. Ich freue mich auf weniger spektakuläre Abenteuer wie etwa Wien-Großglockner nonstop, das sind Challenges, die mich motivieren, weiter zu trainieren.

noe.ORF.at: Es hat sich seitdem auch privat vieles geändert: Sie haben geheiratet, sind Vater geworden. Verändert sich da auch das Leben? Man trägt Verantwortung. Will man da nicht mehr so viel riskieren?

Strasser: Eigentlich nicht, mein Risikomanagement hat sich nicht verändert, seit es Moritz gibt. Früher war es nur so, dass ich einen Trainingsplan hatte, jetzt ist es so, dass Moritz sagt, wann ich zum Training gehe, das ist auch okay. Ich will aus dem Menschen keinen Leistungssportler machen. Wenn man sich 20, 30 Minuten am Tag bewegt, kann man ein viel besseres Lebensgefühl erreichen.

Strasser mit Freundin und Baby
Michael Strasser
Michael Strasser mit seiner Familie

noe.ORF.at: Sie haben Architektur studiert, der Sport bestimmt aber nach wie vor Ihr Leben, oder?

Strasser: Die Architektur ist extrem weit weg. Ich habe Partner, die meinen Weg nach wie vor unterstützen, ich verdiene meinen Lebensunterhalt auch damit, dass ich Vorträge halte. Ich bin ganz gut gebucht von Firmen und genieße es auch, dass ich versuche, meine sportlichen Erfahrungen von diesem Wahnsinn auf das normale Leben herunterzubrechen.