Chronik

Obritz: „Verhalten passt zu Staatsverweigerer“

Der Fall eines Mannes, der mit seiner Frau und sechs Kindern in einem Weinkeller in Obritz (Bezirk Hollabrunn) gelebt hat, wirft viele Fragen auf. Für die Psychologin Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen passt das bisherige Bild des Falls zum Verhalten von Staatsverweigerern.

Dass die Familie in dem Weinkeller in Obritz lebt, fiel am Donnerstag durch eine Kontrolle des Jugendamts auf. Die sechs Kinder im Alter zwischen sieben Monaten und fünf Jahren wurden im Krankenhaus untersucht – sie waren nicht verwahrlost oder in einem schlechten Zustand, wie mehrere offizielle Stellen betonten. Der Mann, der angibt, dass es sich um seine Kinder handelt, wurde auf freiem Fuß angezeigt. Er hatte zuvor die Beamten der Behörde mit Pfefferspray attackiert – mehr dazu in Mann soll mit Kindern in Weinkeller gelebt haben (noe.ORF.at; 27.01.2023).

Ersten Ermittlungen zufolge handelt es sich bei dem 54-Jährigen um einen Staatsverweigerer, eventuell gehöre er der sogenannten „Reichsbürger“-Szene an, heißt es von der Polizei. Jedenfalls sei er der „rechten Szene“ zuzuordnen, so Polizeisprecher Stefan Loidl.

„Reichsbürger“ lebte mit Familie in Weinkellern

In Obritz im Bezirk Hollabrunn soll ein mutmaßlicher Staatsverweigerer mit Frau und Kindern in Weinkellern gelebt haben. Bei einer Kontrolle hat der Mann die Sozialarbeiter mit Pfefferspray angegriffen.

Staatsverweigerer suchen Schuld beim Staat

Staatsverweigerer seien oft persönlich gescheitert, sagt Psyschologin Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen im Interview mit „ZIB“-Redakteur Peter Teubenbacher. Sie würden die Schuld dafür wo anders suchen, zum Beispiel beim Staat. Dass sich eine Familie in einem Keller abschottet – die acht Personen waren nicht gemeldet – sei eine „konsequente Weiterführung“ dieser Einstellung.

Ulrike Schiesser
ORF
Pyschologin Ulrike Schiesser

„Manche versuchen auch, sich von der Versicherung abzumelden, wollen auch ihre Staatsbürgerschaft zurücklegen. Dieses Ganz-Versteckt- und Anonym-Sein, Nirgendwo-Aufscheinen ist manchmal verbunden mit direkter Paranoia – dieses Gefühl, es will mir jemand Schlechtes und ich muss mich verstecken“, sagt Schiesser. Der Mann hatte in Obritz auch Überwachungskameras an seinem Weinkeller montiert.

Schusswaffen: Einzeltaten immer möglich

Dafür würden manche dann auch ein unbequemes Leben in Kauf nehmen. Die Weinkeller in Obritz sind laut Vizebürgermeister Erich Greil (ÖVP) nicht zum Leben geeignet. Auch rechtlich sei das Wohnen dort nicht erlaubt. Innerhalb der Szene gebe es verschiedene Menschen, sagt Schiesser, „aber es sind durchaus welche dabei, die bereit sind, sehr bescheiden zu leben. Für manche ist auch dieses Naturnahe ganz wichtig, wo man auf Luxus verzichtet, aber dafür die Freiheit ganz wichtig ist.“

Bei dem 54-Jährigen fand die Polizei mehrere Schusswaffen. Dass solche Menschen gefährlich werden können, könne man nie ausschließen, so die Psychologin von der Bundesstelle für Sektenfragen. „Es kann sein, dass er wirklich, wenn er an Verschwörungstheorien glaubt, sich verfolgt fühlt, oder den Eindruck hat, er habe recht und auch das Recht, gegen den Staat, oder was auch immer er als negative Kraft sieht, vorzugehen. Das kann bei Einzelpersonen immer passieren.“

Fotostrecke mit 3 Bildern

Kellergasse in Obritz
ORF/Stefan Schwarzwald-Sailer
In der Kellergasse soll der 54-Jährige mehrere Objekte über eine englische Firma gekauft haben
Kellergasse in Obritz, Überwachungskamera
ORF
Überwachungskameras am Weinkeller sorgten bei Anrainerinnen und Anrainern für Verwirrung
Kellergasse in Obritz
ORF
Die Gebäude seien nicht zum Wohnen geeignet, sagte Vizebürgermeister Erich Greil

Netzwerk in Österreich aufgelöst

Die Familie in Obritz lebte nach eigenen Angaben zuvor in Deutschland und England. In Deutschland gibt es eine größere, sogenannte „Reichsbürgerszene“, in Österreich sind es eher einzelne Personen. Auf die Frage, ob es in Österreich mittlerweile ein Netzwerk der Reichsbürger gebe, sagt Schiesser: „Die Netze in Österreich, die bestanden haben, sind eigentlich durch Gerichtsverfahren aufgelöst worden, und es bleiben jetzt eher vereinzelte Personen über. Vereinzelte Personen können auch gefährlich werden, aber diese organisierten Gruppierungen sind uns aktuell nicht bekannt.“

Es gebe auch einen Einfluss deutscher Reichsbürger in Österreich. Diese kämen etwa für Demonstrationen ins Land. „Die Vermischung zwischen Österreich und Deutschland passiert ganz stark online“, so Schiesser.