Kultur Kritik Volksfeind Landestheater NÖ
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Kultur

Ibsens „Ein Volksfeind“ stimmig verknappt

Ökologie gegen Wirtschaft, Wahrheit gegen Lüge, Medien im Würgegriff der Mächtigen – in Henrik Ibsens Drama „Ein Volksfeind“ finden sich thematische Dauerbrenner zuhauf. Am Landestheater NÖ erhielt eine stimmig verknappte Inszenierung am Freitag viel Beifall.

Man trifft sich im Dampfbad, die Kostüme sind aus hellen Woll-und Walkstoffen gefertigt, bei Bühne und Beleuchtung wird auf Nachhaltigkeit gesetzt. Da ist man in St. Pölten schon etwas weiter als im kleinbürgerlichen Kurort, wo das Stück handelt. Dass der Protagonist, der Kurarzt Dr. Stockmann, zur Frau mutierte, gab es schon 2019 in Salzburg.

Diesmal ist es hingegen Stockmanns Bruder, der bei der Inszenierung von Anne Bader zur Schwester wird. Bettina Kerl verkörpert die „Stadtvorsteherin“ mit allen Nuancen politischer Impertinenz und zwingt den durch seine Aufdeckungen unbequemen Verwandten (Michael Scherff verleiht ihm sehr sympathische Züge) in die Knie. Vertuschung und postfaktische Strategien sind allgegenwärtig. Auch Frauen können gehörig Unheil stiften, nicht nur alte weiße Männer.

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Die stimmig verknappte Inszenierung von Anne Bader erhielt bei der Premiere am Freitagabend viel Beifall

Protestaktionen

Die restliche Familie spart Bader aus – mit Ausnahme von Stockmanns Tochter Petra (Laura Laufenberg), der eine zentrale Rolle zukommt. Zu Beginn und am Schluss singt sie „Alles renkt sich wieder ein“ von Eva Jantschitsch aka Gustav. Als die Stadtvorsteherin eine ihrer 08/15-Reden hält, taucht Petra plötzlich aus dem Off auf und schüttet Farbe gegen die Leinwand, auf der die Politrede übertragen wird: eine sehr deutliche Anspielung auf gegenwärtige Protestaktionen, und vielleicht sogar eine Anregung. Am Ende des Stücks wird auch Stockmann mit einem Kübel in der Hand gegen die alpine Landschaftskitsch-Kulisse ausholen.

Als opportunistische Zeitungsredakteure überzeugen Tim Breyvogel und Tobias Artner, Tilman Rose gibt den bürgerlichen Mann der Mitte mit tückischem Lächeln: Wendehälse, die nur auf den ökonomischen Vorteil bedacht sind ohne Rücksicht auf Risiken, vorgeblich im Interesse der Mehrheit – einer manipulierten und/oder unwissenden Mehrheit. Just zwei Tage vor der niederösterreichischen Landtagswahl könnte man in diesem Stück durchaus eine starke Ansage mit einigen Interpretationsoptionen sehen.