Kaiserhof, operklosterneuburg
Roland Ferrigato
Roland Ferrigato
Kultur

Groissböck: „Don Carlo“ in Klosterneuburg

Günther Groissböck kehrt nach zwanzig Jahren wieder zum Festival operklosterneuburg zurück. in Giuseppe Verdis „Don Carlo“ wird er nicht nur singen, sondern auch Regie führen. Die Doppelrolle ist für ihn „irgendwo ein ewiges Jungbleiben“.

Der aus Waidhofen an der Ybbs stammende und mittlerweile längst international gefragte Opernstar sei die „optimale Besetzung“ für das Jubiläumsjahr der operklosterneuburg, die ab 8. Juli Giuseppe Verdis „Don Carlo“ auf die Sommerbühne im Kaiserhof des Stiftes Klosterneuburg bringen wird. Das teilte Intendant Michael Garschall bei einem Pressegespräch in Wien mit. Drei Jahre arbeitete Garschall an der Realisierung seiner Wunschproduktion, welche die 25. Opernproduktion im Kaiserhof seiner Intendanz markieren wird.

Groissböck wird als Philipp II. zu hören sein und Regie führen. Als Sänger konnte man ihn bereits 2003, zu Beginn seiner Karriere, als Sarastro in der „Zauberflöte“ bei der operklosterneuburg sehen und hören. Seither hat es Groissböck auf die großen internationalen Bühnen geschafft. Er sang etwa den Philipp an der New Yorker Metropolitan Opera. Weniger Erfahrung hat der Bass als Regisseur – 2021 gab er mit „Tristan Experiment“ in der Wiener Kammeroper seinen Einstand. Er kündigte einen „schönen, klassischen, modern-konservativen Don Carlo“ an.

Günther Groissböck
Roland Ferrigato
Mit „Don Carlo“ kommt Groissböck nach Klosterneuburg zurück. Zuletzt war er 2003 im Spieleinsatz.

Don Carlo in „verdichteter“ Version für Sommerpublikum

Auf der Bühne werden ihm Arthur Espiritu als Don Carlo, Margarita Gritskova als Prinzessin Eboli, Thomas Weinhappel als Marquis von Posa, Karina Flores als Elisabeth und Matheus Franca als Großinquisitor zur Seite stehen. Besonders gut passe die in Spanien spielende Oper ins Stift Klosterneuburg, so Garschall, dieses sei teilweise dem Klosterpalast Escorial nahe Madrid nachempfunden.

Das Geschehen und die Musik habe man „behutsam“ verdichtet und Wiederholungen gekürzt, kündete Christoph Campestrini, der die Beethoven Philharmonie dirigieren wird, an. Etwa drei Stunden werde „Don Carlo“ dauern, mit nur einer größeren Pause. Wasser und Feuer werden eine große Rolle spielen, stellte Bühnenbildner Hans Kudlich in Aussicht – die Requisiten beinhalten neben einem Springbrunnen aber auch eine „wunderbare Pieta“. Die Kostüme werden dem historischen Vorbild nah sein, erzählte Kostümbildnerin Andrea Hölzl. Groissböck hoffte indes, dass die Klosterneuburger Fassung eine werden könne, auf die später auch andere zurückgreifen.

Günther Groissböck und Michael Garschall
Roland Ferrigato
Ein Bühnenbildmodell für „Don Carlo“ existiert bereits, wie Günther Groissböck (r.) mit Intendant Michael Garschall zeigt

Groissböck: „Das Stück ist für mich ein sehr politisches“

Im Interview mit Ines Garherr von der Austria Presse Agentur (APA) sprach Groissböck nicht nur über seine Doppelrolle als Regisseur und als Philipp II. in „Don Carlo“, sondern auch über die allgemeine Lage der Kultur. Dabei spart der Staropernsänger nicht mit Kritik an den Folgen und Maßnahmen der Coronavirus-Pandemie. Zudem kritisiert er die „Cancel Culture“ in der Kultur und was es für ihn bedeutet, nach mehr als 20 Jahren nach Klosterneuburg zurückzukehren.

Warum haben Sie sich entschlossen, zur operklosterneuburg zurückzukehren?

Günther Groissböck: Ich komme gerne zurück an Plätze, an denen ich Schönes erlebt habe. Aber zurückkommen hin oder her – der Ort schreit nach diesem Stück. Wenn man dann auch noch inszenieren und diese Traumrolle singen darf, kann man gar nicht „Nein“ sagen.

Sie haben auch 2003, am Anfang Ihrer Karriere, in Klosterneuburg gesungen. Inwiefern fühlt sich die Bühne heute anders an?

Groissböck: Als Darsteller habe ich beim Betreten der Bühne eine ganz andere Routine und Selbstverständlichkeit. Lampenfieber und Nervosität haben sich zu einer freudigen Spannung und einem „Ich-Darf-Gefühl“ entwickelt. Zu inszenieren ist aber etwas relativ Neues für mich. Von der Grundstimmung sind wir fast schon wieder im Jahr 2003, das ist irgendwo ein ewiges Jungbleiben.

Was ist für Sie das Spannende an „Don Carlo“?

Groissböck: Das Stück ist für mich ein sehr politisches. Es geht um liberales, nach Freiheit strebendes Gedankengut, wie es die Rolle des Posa verkörpert. Er ist für mich die zentrale Figur, die Lebensader des Stückes. Es gibt einen Kontrast zwischen Freiheitsstreben und der Strenge dieser Zeit. Dieses Spannungsfeld sichtbar zu machen, macht für mich die Faszination des Stückes aus, genauso wie die unglaubliche Musik.

Sie führen Regie und singen den Part des Philipp II. Welche Spannungsfelder tun sich da auf?

Groissböck: Das Wort „Schizophrenie“ ist hoch gegriffen, aber es hat schon etwas. Man muss permanent switchen – Beobachter, Kritiker, Verbesserer sein und gleichzeitig nicht nur selbst eine Figur darstellen, sondern bis zu einem gewissen Grad beispielgebend für die Kollegen sein. Das gelingt nicht immer. Oft ertappt man sich bei den gleichen Fehlern, die man an Kollegen kritisiert. Man braucht eine große Portion an Selbstironie und liebevoller Strenge.

Wie werden Sie sich „Don Carlo“ als Regisseur nähern?

Groissböck: Modern-klassisch. Aufgrund der architektonischen Gegebenheiten und der Atmosphäre des Stiftshofes werden wir etwas ästhetisch Schönes, dem Stück Gerechtes auf die Bühne stellen. In der Interaktion zwischen den Charakteren herrscht eine moderne Bewegungsdynamik. Es wird nicht langweilig.

Günther Groissböck
Roland Ferrigato
Groissböck über seine Doppelrolle als Regisseur und Sänger: „Man braucht Selbstironie und Strenge.“

Sie haben während der Coronapandemie Kritik an den Maßnahmen geübt. Wie beurteilen Sie den Umgang Österreichs mit der Pandemie, besonders mit Kultureinrichtungen, heute?

Groissböck: Ich habe das große Glück, viel herumzukommen, und habe gesehen, wie es in anderen Ländern gehandhabt wurde. Ich würde mit dieser Perspektive sagen, dass es in Österreich maßlos übertrieben war. Nach dem Salzburger Sommer 2020 haben wir gewusst, dass Oper und Theater keine Infektionstreiber sind.

Seit Corona beklagen Kulturinstitutionen einen Besucherschwund. Woran könnte das liegen?

Groissböck: Ich glaube, das geschieht unabhängig von der Angst, die bis zu einem gewissen Grad gemacht wurde. Manchen Leuten ist es nicht mehr so leicht möglich, mit Geld umzugehen wie zuvor. Das könnte ganz pragmatische, wirtschaftliche Gründe haben.

Viel diskutiert wird derzeit über „Cancel Culture“, etwa im Zusammenhang mit Anna Netrebko. Auch der Fall Teichtmeister bietet Anlass zur Diskussion, ob Kunst und Künstler getrennt betrachtet werden können. Wie soll Ihres Erachtens damit umgegangen werden?

Groissböck: Diese beiden Fälle kann man nicht in einen Topf werfen. Ich finde es unmöglich, dass man Anna Netrebko für etwas verantwortlich macht, wofür sie keine unmittelbare Schuld trägt. Ich bin froh darüber, wie es in der Wiener Staatsoper gehandhabt wird (Netrebko tritt weiterhin auf, Anm.), und auch das Publikum reagiert richtig.

Generell ist „Cancel Culture“ eine Sache, wo man sehr aufpassen muss. Vom Löschen von Meinungen, zum Verbrennen von Büchern, zum Verbrennen von Menschen ist es nicht so weit. Ich rege an, dreimal zu überlegen, auf wen man den ersten Stein wirft.