Landhaus St. Pölten
ORF/Christian Öser
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Politik

Was sich seit der Landtagswahl getan hat

Die niederösterreichische Politlandschaft ist im Umbruch. Erstmals seit 20 Jahren müssen sich Parteien zu Mehrheiten zusammenfinden. Politikberater Thomas Hofer analysiert die Hintergründe: „Geht eindeutig in Richtung Schwarz-Rote-Zusammenarbeit.“

Die SPÖ hat einen neuen Landeschef, die ÖVP präsentierte bereits ihr Team für die nächste Legislaturperiode, die Parteien bereiten sich auf die Verhandlungsgespräche vor – mehr dazu in SPÖ-Spitze: Hergovich folgt auf Schnabl (noe.ORF.at; 30.1.2023), ÖVP-Regierungsteam vor Verhandlungen fix (noe.ORF.at; 2.2.2023) und ÖVP traf andere Parteien zu Gesprächen (noe.ORF.at; 1.2.2023).

Thomas Hofer
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Politikberater Thomas Hofer

Darüber hinaus kommt noch Wirbel um FPÖ-Landesrat Waldhäusl wegen einer Aussage in einer Fernsehdiskussion – auch das wird die Verhandlungen beeinflussen. noe.ORF.at hat Politikberater Thomas Hofer um seine Einschätzungen der Ereignisse befragt – und mit welchen Ausgangssituationen die Parteien in die Verhandlungen gehen.

Wieso gibt es keine Neuen bei der ÖVP?

Im ÖVP-Team gibt es keine neuen Gesichter. Nach außen hin wäre eine personelle Änderungen in der ÖVP gar nicht schlecht gewesen, sagt Politikberater Hofer im Gespräch mit „NÖ heute“-Moderator Werner Fetz. Aber das Innenverhältnis der Volkspartei sei „schwierig“: „Dass das austariert bleibt, dass es da nicht zu öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen dem ÖAAB und dem Bauernbund (beides Teilorganisationen der ÖVP; Anm.) kommt.“

Hinter den Kulissen habe es heftige Diskussionen gegeben, so Hofer. „Wenn ich es zuspitze, würde ich sagen: Das Match ÖAAB (Österreichischer Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund; Anm.) gegen Bauernbund, hat der Wirtschaftsbund verloren, denn natürlich sind der ÖAAB und der Bauernbund jeweils mit der Landeshauptfrau und einer Landesrätin bzw. mit zwei Landesräten repräsentiert.“

Bekannte Gesichter in ÖVP-Regierungsteam

Keine Überraschungen gibt es im künftigen ÖVP-Regierungsteam. Statt sechs hat die ÖVP künftig vier Sitze in der Landesregierung. Nicht mehr dabei sind Martin Eichtinger und Jochen Danninger, der Klubobmann werden soll.

Zum niederösterreichischen ÖAAB zählen Johanna Mikl-Leitner und Christiane Teschl-Hofmeister, Stephan Pernkopf und Ludwig Schleritzko gehören zum Bauernbund. Jochen Danninger war der Vertreter des Wirtschaftsbundes in der letzten Landesregierung. Er verliert seinen Landesratsposten und wird Klubobmann der ÖVP im Landtag.

Wieso tauscht die SPÖ den Landesvorsitzenden aus?

Am Montagabend löste der frühere Chef des AMS Niederösterreich, Sven Hergovich, den Landeschef Franz Schnabl ab – eine erwartete Personalrochade, sagt Politikberater Hofer. Die SPÖ verlor unter Spitzenkandidat Schnabl bei der Wahl 3,27 Prozentpunkte und wurde von der FPÖ auf Platz drei verwiesen. „Da konnte man nicht zur Tagesordnung übergehen“, analysiert der Politikberater.

Sven Hergovich und Franz Schnabl
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Hergovich (r.) führt statt Schnabl die SPÖ Niederösterreich in die Verhandlungen

Welche Mehrheiten sind wahrscheinlich?

Weil keine Partei die absolute Mehrheit erreicht hat, müssen zwei oder mehrere zusammenarbeiten, um in der Landesregierung und im Landtag Beschlüsse bzw. Gesetze verabschieden zu können. In Niederösterreich gilt der Proporz: Die neun Sitze der Landesregierung werden je nach Wahlergebnis verteilt. In der neuen Legislaturperiode wird es vier ÖVP-, drei FPÖ- und zwei SPÖ-Vertreter geben.

Rechnerisch geht sich eine Mehrheit – sowohl in der Regierung als auch im Landtag – mit ÖVP und FPÖ oder mit ÖVP und SPÖ aus. Hofer erwartet eine „Schwarz-Rote-Zusammenarbeit“. Die Neuaufstellung der SPÖ habe das einfacher gemacht: „Auf der persönlichen Ebene war das zwischen Schnabl und der ÖVP nicht so einfach. Das wird mit Hergovich sicher einfacher sein, er muss aber für die SPÖ einiges ressorttechnisch rausholen. Denn das ist jetzt eine echte Koalition – man braucht die SPÖ.“

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Vorläufiges Endergebnis bei der Landtagswahl 2023
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Vorläufiges Endergebnis nach Mandaten bei der Landtagswahl 2023
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Wirkt sich Waldhäusls Sager auf Verhandlungen aus?

FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl sorgt diese Woche mit einer Aussage gegenüber eine Schülerin in einer Fernsehdiskussion für viel Kritik an seiner Person. Die Schülerin sagte zu Waldhäusl, dass sie und ihre Klasse nicht in Wien wären, wenn Waldhäusls Vorstellungen zum Thema Asyl umgesetzt worden wären. Der Politiker antwortete, wenn das so wäre, „dann wäre Wien noch Wien“ – mehr dazu in Waldhäusl bekräftigt Sager „zu 100 Prozent“ (noe.ORF.at; 2.2.2023).

„Diese jüngsten Aussagen machen eine solche Zusammenarbeit zwischen Schwarz und Rot nur noch wahrscheinlicher“, sagt Thomas Hofer. Waldhäusl habe diese Aussage nicht zufällig gemacht, vermutet der Politikberater: „Vielleicht kann man es so interpretieren: Mit dieser Eskalation will er in der FPÖ Fakten schaffen, dass die FPÖ ihn nicht nicht nominieren kann.“

In der FPÖ gebe es, so wie bei anderen Parteien auch, im Innenverhältnis nicht immer das beste Auskommen miteinander. „In Niederösterreich weiß man das, dass sich der Herr Landbauer (Udo Landbauer, Landeschef der FPÖ Niederösterreich; Anm.) und der Herr Waldhäusl da nicht immer grün waren, wenn dieses Wortspiel für die blaue Partei erlaubt ist“, so Hofer.

Aufregung um Waldhäusl-Aussage

In einer Diskussionssendung auf Puls 24 sorgte der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) vor wenigen Tagen mit einer provokanten Aussage zur Migrationspolitik für Aufregung. Unterdessen kündigte der auf Fremden- und Asylrecht spezialisierte Rechtsanwalt Wilfried Embacher eine Anzeige wegen des Verdachts der Verhetzung an.

Kann ein Landesrat abberufen werden?

Wegen Waldhäusls Aussage gab es am Donnerstag einige Rücktritts- und Abberufungsaufforderungen bzw. Stimmen, dass er in der nächsten Landesregierung nicht die Asylagenden erhalten solle. „Das liegt vornehmlich an der FPÖ, das ist einfach ein Vorschlagsrecht“, so Hofer. Landbauer wollte sich am Donnerstag zur Causa Waldhäusl nicht äußern.

„Es gebe eine Möglichkeit über den Verfassungsgerichtshof, aber dazu braucht es eine Verurteilung und insofern ginge es nur über den blauen Landtagsklub und das ist aufgrund der Geschlossenheit, die man da seitens der FPÖ zeigen will, eher unwahrscheinlich“, analysiert Hofer. Die Ressortzuteilung der FPÖ-Landesregierungsmitglieder werde spannend, so Hofer.