Plakatillustration
Lenz Mosbacher
Lenz Mosbacher
Kultur

„Aufsässiges Land“: Politik ist nicht nur urban

Das Land und seine Bevölkerung als politisch passiver Raum – dieser Geschichtsschreibung will die Ausstellung „Aufsässiges Land“ im Haus der Geschichte in St. Pölten entgegenwirken. Belegt wird das anhand zahlreicher Protestbewegungen.

Am Beispiel unterschiedlicher Protestbewegungen in Niederösterreich legt die Ausstellung dar, „wie der ländliche Raum die soziale und politische Entwicklung der vergangenen 170 Jahre geprägt hat“, so die Vorankündigung der Sonderausstellung „Aufsässiges Land. Streik, Protest und Eigensinn“, die am 18. Februar eröffnet wird. Thematisiert werden der Kampf gegen schlechte Arbeitsbedingungen, geringe Bezahlung oder die Beschneidung von Rechten, aber auch gegen umweltzerstörende Maßnahmen.

„Mit dieser Ausstellung wirken wir einer Geschichtsschreibung entgegen, die den ländlichen Raum meistens als politisch passiv betrachtet“, erklärt Christian Rapp, wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte, das Konzept von „Aufsässiges Land“.

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Besetzung der Hainburger Au
Nationalpark Donau-Auen/Rosenberger
Die Besetzung der Hainburger Au war nicht nur umweltpolitisch bedeutend, sondern auch demokratiepolitisch
Bauerndemonstration
NÖ Bauernbund
Die Bauerndemonstration in den 1970er-Jahren: Mit 7.000 Traktoren demonstrierten niederösterreichische Bauern gegen die Agrarpolitik von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ)

Proteste, die Landes- und Bundesgeschichte schrieben

„Aufsässiges Land“ bildet den Kuratoren zufolge ein breites politisches Spektrum sowie verschiedene Milieus mit unterschiedlichen Interessen ab: Es geht unter anderem um den „Bauernbefreier“ Hans Kudlich oder um Tabakarbeiterinnen in Stein (Bezirk Krems), die 1886 gegen die Entlassung einer Kollegin protestieren. Aber auch die großen Streiks der Jahrhundertwende in Neunkirchen und im Traisental finden Platz sowie ein widerständiges Netzwerk von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern während der NS-Zeit.

„Aufsässiges Land“

Zu sehen ist die Ausstellung im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich von 18. Februar 2023 bis 21. Jänner 2024

„Wir lernen dabei unterschiedliche Motive, aber auch Methoden von Protesten kennen. Einige davon haben zu nachhaltigen Veränderungen geführten“, so Rapp. Zu den jüngeren Beispielen gehören einer der längsten Streiks der Zweiten Republik, ausgetragen im Traiskirchner Semperit-Werk (Bezirk Baden), Traktordemonstrationen gegen die Agrarpolitik der Regierung in den 1970er-Jahren in Wien und die Besetzung der Hainburger Au 1984 (Bezirk Bruck an der Leitha).

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Aufstand in Neunkirchen
Lenz Mosbacher
Durch die Schau führen zahlreiche Illustrationen von Lenz Mosbacher. Hier dargestellt ist der Aufstand in Neunkirchen in der Zwischenkriegszeit.
Tabakfabrik Krems-Stein
Lenz Mosbacher
In der Tabakfabrik Krems-Stein lehnten sich 1886 Arbeiterinnen gegen die Entlassung einer Kollegin auf
Hainburger Au
Lenz Mosbacher
Kaum eine Wohnung, die von den Protestbewegungen um die Besetzung der Hainburger Au unbeeindruckt geblieben wäre: Vor allem Junge brachten das Thema an die Esstische

Weitere Schauen: Urlaub am Land und tierische Sprache

Das Haus für Natur – ebenfalls im Museum Niederösterreich in St. Pölten – widmet sich ab dem 18. März 2023 unter dem Titel „Heraus mit der Sprache! Wie Tiere & Pflanzen kommunizieren“ dem Singen, Tanzen, Klopfen und Leuchten bei Tieren, Pflanzen und Pilzen. „Tiere kommunizieren, um einen Partner zu finden, ihr Revier zu markieren, um Artgenossen vor Feinden zu warnen oder auf Nahrungsquellen hinzuweisen“, erklärt Ronald Lintner, der wissenschaftliche Leiter, zur Sonderausstellung im Haus für Natur. „Die Welt der Kommunikation in der Natur ist faszinierend, vielfältig, geheimnisvoll und trickreich. In dieser Ausstellung erzählen wir nicht nur, wie sich Hund und Katz‘ besser verstehen können, sondern geben auch Einblick in die neuesten Forschungen etwa im Bereich der Bioakustik.“

Im Herbst folgt im Museum Niederösterreich die nächste Sonderschau, die ab 23. September ein völlig anderes Thema beleuchtet. Unter dem Titel „Zimmer frei! Urlaub machen auf dem Land“ gehe die Ausstellung dem wissenschaftlichen Leiter zufolge der Entwicklung des Sommerurlaubs auf dem Land in den letzten Jahrzehnten nach.

Eine „Zimmer Frei“-Fahne vor einer Pension in der Wachau
APA/GEORG HOCHMUTH
Lange war Urlaub Adel und Bürgertum vorbehalten – für die breite Masse startete der Tourismus am Land mit Privatquartieren

Sie skizziert jene Zeit, in der sich die meisten Menschen erstmals einen längeren Urlaub leisten konnten. Diesen verbrachten sie in der Anfangszeit des Breitentourismus oft bei privaten Zimmervermietern und in kleinen Pensionen. „Wir beleuchten den Sommerurlaub sowohl aus der Perspektive des Gastes als auch des Gastgebers bzw. der Gastgeberin“, so Rapp.